"Das Spiel mit der Angst - ist Lust"

Jochen Schweizer über Adrenalin, Endorphin und den freien Fall.
von  Jasmin Menrad
1987 stellte Jochen Schweizer den ersten Bungee-Rekord auf: 220 Meter sprang er in die Tiefe. Jetzt hat er der AZ einen Besuch abgestattet.
1987 stellte Jochen Schweizer den ersten Bungee-Rekord auf: 220 Meter sprang er in die Tiefe. Jetzt hat er der AZ einen Besuch abgestattet. © G.Feindt

 

Jochen Schweizer über Adrenalin, Endorphin und den freien Fall

AZ: Herr Schweizer, wann war Ihnen das letzte Mal langweilig?

JOCHEN SCHWEIZER: Langes Schweigen. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern. Das muss lange her sein, wahrscheinlich in der Schule.

Könnte daran liegen, dass Ihre Firma über 1100 Erlebnisse anbietet. Wie viele davon haben Sie selbst getestet?

Etwa die Hälfte. Ich möchte mir das Feeling erhalten, das die Menschen bei unseren Erlebnissen bewegt.

Was hat Sie da besonders berührt?

Als ich mit meinen Söhnen Hundeschlitten gefahren bin. Das war ein wunderschönes, intensives Erlebnis: Natur, Sport und Stille.

Man kann aber auch ein Drill-Training buchen. Wer hat denn Lust auf sowas?

Meist Jungs, die mit Kumpels gescherzt haben. Einer war nicht beim Bund und bekommt als Gag das Drilltraining. Der Großteil der Erlebnisgeschenke wird aber von Frauen für Männer gekauft. Frauen sind die kreativeren Schenker.

Welchen Kick suchen Frauen?

Die machen einen Tandemfallschirmsprung.

Einen Fallschirmsprung? Ja. Denn die Höhe, 4000 Meter aus dem Flugzeug, ist so abstrakt, dass man sie rational nicht fassen kann. Deshalb haben die Menschen davor weniger Angst.

Was ist Ihr Bestseller?

Fallschirm, Quadfahren und Dinner im Dunkeln. Jetzt pushen wir gerade die „Coolen Betten“. Das sind abgefahrene Übernachtungsmöglichkeiten, etwa in einem hängenden Zelt an einer alpinen Felswand. Wie ein Adler-Horst.

Wobei überlegen es sich die meisten Leute im letzten Moment anders?

Beim Bungee ist das am häufigsten. Manchmal schaffen es die Leute nicht, ihre eigene Angst zu überwinden. Wir zwingen auch niemanden zum Springen, wenn er dies nicht aus eigener Kraft schafft.

Sie sind 1972 auf einer Autobahnbrücke balanciert, um Ihre Höhenangst zu überwinden. Eine gute Methode?

Zum Ängste überwinden - ja. Auf Autobahnbrücken balancieren - nein.

Angst und Lust, wie nah liegt das beisammen?

Zwei gegensätzliche Gefühle. Wenn sie sich berühren, entsteht eine neue Erfahrung. Das Spiel mit der Angst bereitet Lust.

Brauchen Sie noch die große Dosis Adrenalin?

Es geht gar nicht um Adrenalin - sondern um Endorphin, darum, Freude zu empfinden. Aber es ist vor allem meine Neugier, die mich umtreibt. Nach 5000 Sprüngen weiß ich, wie sich freier Fall anfühlt. Da zumindest ist meine Neugier gestillt.

Sie haben einen 17-Jährigen und einen 22-Jährigen Sohn. Was erlauben Sie denen?

Ich verbiete ihnen nichts, sondern zeige die Risiken und Konsequenzen auf. Als Max 17 Jahre alt war, waren wir in Kanada beim Heli-Skiing. Er hatte ein Buch mit den extremsten Routen. Eine davon hieß „Lone Pine“, mit Totenkopf-Symbol. Wir haben die mögliche Route durch den fast vertikalen Felsabbruch analysiert und ein Schneeprofil gegraben. Er ist sie dann als einziger gefahren. Wenn ich es verboten hätte, hätte er es heimlich gemacht. Ich habe mir in diesem Alter auch nichts verbieten lassen - und er ist definitiv seines Vaters Sohn.

 

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