Es geht um Haustiere und Höflichkeit, Stromausfälle und beschriftete Geldscheine: Die AZ hat zusammengetragen, womit sich
die Gerichte der Stadt beschäftigen (müssen).
München - Der Klagewahnsinn in Münchens (Amts-)gerichtsstuben hält an. Allein 2010 verzeichnete die Abteilung für Zivilstreitigkeiten 21075 Neueingänge. „Unsere Auftragsbücher sind gut gefüllt“, sagt Richterin und Pressesprecherin Ingrid Kaps. Was der juristische Laie als Schmarrn dem Papierkorb überantworten würde, muss der Richter genau prüfen. „Auch wenn es nur um einen Cent geht“, so Richterin Kaps.
Gelingt es dem Richter nicht, die Streithähne zu einem Vergleich oder gar einer Klagerücknahme zu bewegen, muss er einen Prozess durchziehen. Mit Zeugen, Gutachtern und Beweismitteln. Das kann oft Jahre dauern. Der Verlierer zahlt die Zeche. Aber auch Hartz-IV-Empfänger haben ein Klagerecht. „Dann springt der Staat ein und leistet Prozesskostenhilfe.“
Bei einem Streitwert um 10000 Euro sind 3527,30 Euro fällig. Gutachter und Zeugengeld sind da noch nicht eingerechnet. Da kann es schnell doppelt so teuer werden. Die AZ dokumentiert die kuriosesten Gerichts-Prozesse:
Zu unfreundlich
Eine wissenschaftliche Fachkraft des Museums für Völkerkunde muss um ihren Job bangen. Der Grund: Ihr Dienstherr hatte sie in der Probezeit-Beurteilung als „zu unfreundlich“ eingeschätzt und die Probezeit kurzerhand verlängert. Sie habe unter anderem Indianer, die zu Besuch waren, unfreundlich behandelt und zeige auch im Umgang mit anderen Museums-Mitarbeitern „Kommunikationsdefizite“. Die Frau klagte und bekam teilweise Recht. Nach Ende der verlängerten Probezeit wird jetzt die neue Museumsdirektorin entscheiden müssen, ob die Frau kommunikativ genug ist.
Der Gammel
Ein Ehepaar aus München machte elf Tage in Italien Urlaub. Nach der Rückkehr ging kein Licht mehr – der Strom war abgestellt, das Gefrierfach im Kühlschrank war abgetaut. Die Rechnung für die verdorbenen Lebensmittel von rund 100 Euro stellte das Ehepaar der Hausverwaltung in Rechnung. Die zahlte nicht. Der Fall landete vor Gericht. Die Hausverwaltung wurde zur Zahlung verurteilt (AZ 212 C 16694/09). Sie hatte beim Stromversorger für diese Wohnung versehentlich einen Mieterwechsel angezeigt.
Messerwerfer klagt
Lazlo C. (60), ehemaliger Messerwerfer im ungarischen Nationalzirkus, verklagte die Landeshauptstadt München auf Übernahme der Schulwegkosten seiner Tochter. Für die 1,75 Kilometer (einfach) von der Haustür zum Schultor sei das Kind auf ein Taxi angewiesen. Denn die Tochter habe Rückenprobleme und könne den schweren Schulranzen nicht tragen. Abgelehnt.
Weiter Weg zum Essen
Ein Ingenieur (55) hatte 14 Tage Korfu (Griechenland) gebucht. Dort waren ihm und seiner Familie der Weg zum 1000 Meter entfernten Speisesaal zu weit. Die Kosten für den Leihwagen von 800 Euro klagte er erfolgreich ein. Im Prospekt wurde nicht auf die Entfernung hingewiesen.
Zu eng für den Mops
Die alleinlebende Sozialhilfe-Empfängerin Maria P. (35) wollte eine Zwei-Zimmer-Sozialwohnung inklusive Lift einklagen. 40 Quadratmeter Altbau für rund 400 Euro mitten in München reichten ihr nicht mehr. Die bizarre Begründung: Für ihren geliebten Mops sei es zu eng geworden. Ihre Klage wurde abgelehnt.
Hausarbeit
Ein 44-jähriger Techniker schickte seine Tochter (14) nicht mehr zur Schule, wollte sie selber unterrichten. Wenn sie vom Gymnasium nach Hause komme, leide sie wegen des Schulstresses unter Kopfschmerzen und Übelkeit. Seitdem die Tochter zu Hause unterrichtet werde, gehe es ihr wieder gut. Urteil: 170 Euro Bußgeld wegen Förderung des Schulschwänzens. Und das Kind muss wieder in die Schule.
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Der Sex-Kuckuck
Meise statt Kuckuck? Wenn es nichts zu pfänden gab, starrte ein Gerichtsvollzieher (55) die Schuldnerin anzüglich an und fragte: „Was gäbe es denn sonst zu pfänden?“ Sekunden später klebte er seinen Kuckuck auf den Busen oder Po der Frauen. Urteil: Rauswurf.
„Flupp“ und „Fummel“
Wie viel Platz brauchen Wellensittiche, und darf man die Tier bei Frost draußen lassen? Das wurde lange am Verwaltungsgericht diskutiert. Nachbarn hatten einen Erdinger angezeigt, weil der seine Sittiche im Winter auf dem Balkon stehen ließ. Die seien das als Wüstentiere gewohnt, argumentierte er. Die Streitenden fanden einen Kompromiss. „Flupp“ und „Fummel“ dürfen draußen bleiben und bekommen einen größeren Käfig.
Dieser Schein trügt
Beim näheren Hinsehen erkannte ein Gläubiger aus München, dass alle 13 Scheine, die ihm seine Schuldnerin übergeben hatte, einen Stempel trugen: „Kein Fleisch essen, um Gesundheit, Umwelt und Tiere zu schützen“ stand darauf. Weil bestempelte Scheine oft nicht angenommen werden, muss die Schuldnerin sie nun einer „Geldwäsche“ unterziehen.