Das sagen Münchner zum Corona-Lockdown: Hoffnung, Wut, Verständnis

München geht in den zweiten Lockdown. Was man in der Stadt davon hält, ist sehr unterschiedlich. In der AZ kommen Wirte, der Klinik-Chef und andere zu Wort und sagen, wie es ihnen geht
von  Daniel von Loeper, Emily Engels, Sophie Anfang
Kathrin Herzner (34), Fitness-First-Club-Managerin am Marienplatz
Kathrin Herzner (34), Fitness-First-Club-Managerin am Marienplatz © Daniel von Loeper

München - Die Zahlen sind so hoch wie nie, deutschlandweit und auch in München: Stand am Donnerstag waren in der Landeshauptstadt 3203 Menschen nachweislich mit dem Coronavirus infiziert. Mehr als im ersten Lockdown!

Münchner OB Reiter begrüßt Lockdown ab Montag

Nun soll es ein Wellenbrecher-Lockdown ab Montag richten. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) begrüßt diese Entscheidung: "So bitter die Maßnahmen sind, so wichtig ist es, dass sie jetzt bundeseinheitlich getroffen wurden." Wichtig sei ihm allerdings, "dass die jetzt angekündigten finanziellen Hilfen möglichst schnell und unbürokratisch ausgezahlt werden".

Lockdown "light", wie es nun immer heißt, bedeutet unter anderem: Die Gastronomie schließt, wer ins Fitnessstudio gehen möchte oder Breitensport betreibt, muss das noch vor dem Montag tun, denn danach werden Turnhallen und Studios geschlossen bleiben.

Corona-Maßnahmen: Sorgen, Verständnis und Kritik

Und zwar zunächst für einen Monat. Geschäfte hingegen bleiben offen, doch selbst das macht die Ladenbetreiber in der Innenstadt nicht sorgenfrei. Sie fürchten, dass trotzdem nicht mehr genug Menschen zum Bummeln kommen. Neben der Kritik am neuen Lockdown gibt es aber auch Verständnis. In den Kliniken ist man schon jetzt alarmiert und warnt: Wenn nichts passiert, rollt Schlimmes auf uns zu.

In der AZ kommen all diese verschiedenen Stimmen zu Wort.

"Bis zu 40 Prozent der Unternehmen werden pleite gehen"

Gregor Lemke, Sprecher der Innenstadtwirte
Gregor Lemke, Sprecher der Innenstadtwirte © imago/STL

Gregor Lemke: "Deutlich hat das RKI erklärt, dass Gaststätten nicht die Treiber der Infektion sind. Wir Gastronomen achten intensiv und mit großem Aufwand auf Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen. Darauf, uns, unser Personal und unsere Gäste zu schützen. Dass wir jetzt trotzdem einen neuerlichen Lockdown hinnehmen müssen, ist ein Schock. Unsere über Generationen gewachsene Wirtshauskultur ist in Gefahr. Etliche Kolleginnen und Kollegen haben schon aufgeben müssen. Wenn es so weitergeht, werden 30 bis 40 Prozent der Unternehmen pleite gehen. Wir bauen auf die versprochenen Finanzhilfen. Diese müssen schnell und effektiv erfolgen, sonst gibt es ein großes Wirtshaussterben."

"Alleinstehende trifft es sehr hart"

Julia Farnbacher (38), Lektorin
Julia Farnbacher (38), Lektorin © Daniel von Loeper

Julia Farnbacher: "Ich glaube, dass es nicht sinnvoll ist, Restaurants und Sportstätten zu schließen. Das sind nicht die Orte, wo man sich Corona holt. Gerade in diesem Bereich wurde so vieles unternommen, um die Gefahren einer Ansteckung zu verhindern. Alleinstehende wird die Kontaktbeschränkungen sehr hart treffen. Es wäre gut, wenn unterschiedlichere Interessensgruppen über Maßnahmen diskutieren würden, auch innerhalb der Politik und auch das Parlament mehr einbezogen werden würde."

"Ganz schwierige Situation"

Wolfgang Fischer, Chef des Innenstadt-Händler-Verbands City Partner
Wolfgang Fischer, Chef des Innenstadt-Händler-Verbands City Partner © ho

Wolfgang Fischer: "Für die gesamte Innenstadt ist die Situation ganz schwierig, auch für den Handel. Die Innenstadt ist ein einheitliches System der Branchen, das nur funktioniert, wenn alles geöffnet hat. Wenn die Gastro zubleibt, bricht auch das Geschäft für den Handel weg. Denn kein Mensch geht sechs Stunden am Stück ohne Pause shoppen. Hinzu kommt, dass die Kultur- und Freizeiteinrichtungen in der Innenstadt schließen müssen. Deshalb gehen wir davon aus, dass die Passantenfrequenzen wieder stark einbrechen - und die Läden darunter leiden werden. Besonders schlimm ist, dass der Lockdown auf die Zeit des für den Handel so bedeutenden Weihnachtsgeschäfts fällt, das im November beginnt."

"Hoffnung, den Monat zu überstehen"

Thomas Geppert, Dehoga-Chef
Thomas Geppert, Dehoga-Chef © Dehoga

Thomas Geppert: "Die Reaktionen auf die Verkündung des zweiten Lockdowns haben im Gastgewerbe alle Facetten abgedeckt - von totaler Verzweiflung, Wut, Unverständnis, Angst über Ratlosigkeit bis hin zu Hoffnung. Im Gastgewerbe hat man alles dafür getan, einen erneuten Lockdown zu verhindern. Beispielsweise haben wir viel in neue Konzepte und Mitarbeiterschulung investiert. Experten haben bestätigt, dass die Bemühungen funktioniert haben und dass einseitige Schließungen nicht unbedingt verhältnismäßig sind. Dennoch müssen wir jetzt nach vorne schauen. Wichtig ist, dass die angekündigten Umsatzentschädigungen schnell und unbürokratisch bei allen ankommen. Dann besteht zumindest Hoffnung, den Lockdown-Monat November zu überstehen."

"Fitness stärkt Immunfunktion"

Kathrin Herzner (34), Fitness-First-Club-Managerin am Marienplatz
Kathrin Herzner (34), Fitness-First-Club-Managerin am Marienplatz © Daniel von Loeper

Kathrin Herzner: "Auf humorvolle Art begeistern wir unsere Mitglieder für den Sport. Maßnahmen sind aufgrund steigender Infektionszahlen notwendig. Fitnessstudios zu schließen, halten wir jedoch nicht für den richtigen Weg. Uns ist wichtig, Menschen den Zugang zum Training zu ermöglichen, damit sie ihre Immunfunktion stärken und verbessern - und damit das Risiko einer Viruserkrankung senken. Wir haben ein sehr gutes und umfassendes Sicherheits- und Hygienekonzept, das über die geforderten Vorgaben hinausgeht. Wir werden während des Lockdowns online einiges anbieten."

"Wir brauchen keinen neuen Stresstest!"

Axel Fischer, Chef der München-Klinik
Axel Fischer, Chef der München-Klinik © München Klinik

Axel Fischer: "Wir sind im Frühjahr nahe an die Grenzen des Möglichen im Gesundheitssystem gekommen. Jetzt stehen wir wieder vor der Herausforderung. Denn in den Kliniken sehen wir heute das Infektionsgeschehen von vor drei bis vier Wochen. Bereits heute behandeln wir rund 60 Patienten im Krankenhaus, sehen aktuell weiterhin stetig steigende Zahlen und sind dabei, sukzessive unsere Pandemiestationen wieder zu eröffnen. Das bedeutet, dass an anderer Stelle Personal reduziert wird und für die Versorgung von Covid-19-Patienten zum Einsatz kommt. Deshalb ist das Bild der ,leeren Betten' dabei nicht richtig, denn unsere Mitarbeitenden sind bereits heute rund um die Uhr im Einsatz. Wir haben ein funktionierendes System, um auch weiter steigende Zahlen zu schaffen, aber das geht auf Kosten des ohnehin knappen Personals. Daher sage ich: Wir brauchen keinen neuen Stresstest des Gesundheitssystems, der nur durch die Absage verschiebbarer Eingriffe, mit freiwilliger externer Hilfe und durch einen erneuten Einsatz des Personals bis über die Grenze der Erschöpfung hinaus gemeistert wird. Daher danken wir allen, die diese Einschränkungen mittragen und Verständnis dafür aufbringen."

"Ein Gefühl von Machtlosigkeit"

Vintage-Laden-Besitzer und Tapetenhändler Stefan Eibl (53)
Vintage-Laden-Besitzer und Tapetenhändler Stefan Eibl (53) © Daniel von Loeper

Stefan Eibl: "Die Läden, die jetzt weiter geöffnet haben dürfen, bekommen keine Subventionen, werden aber trotzdem drastische Umsatzeinbußen hinnehmen. Für mich ist das ein Corona-Fetischismus. Waren beim ersten Lockdown noch Emotionen wie Angst und Unsicherheit dominierend, ist es jetzt das Gefühl von Machtlosigkeit."

"Gut, dass Kitas offen bleiben"

Leonie Farnbacher (38), Sozialpädagogin
Leonie Farnbacher (38), Sozialpädagogin © Daniel von Loeper

Leonie Farnbacher: "Gut ist, dass Kitas nicht schließen. Allerdings müsste mehr für Erzieherinnen gemacht werden. Es braucht bessere Arbeitsbedingungen. Private Einschränkungen sind, glaube ich, in diesen Zeiten schon sinnvoll, weil man da nicht so sehr auf Abstände achtet. Sehr schade ist aber, dass man für Jugendliche gar nichts unternimmt. Junge Menschen brauchen Plätze, wo sie Kontakte haben können."

"Es tut mir im Herzen weh"

Enrietta Abllanica (62), Gastronomin
Enrietta Abllanica (62), Gastronomin © Daniel von Loeper

Enrietta Abllanica: "Die Maßnahmen, Restaurants und Cafés zu schließen, halte ich für schlecht. Das macht die Gastronomie kaputt. Ich möchte arbeiten und nicht auf Hilfe angewiesen sein und es gibt außerdem sehr gute Hygienekonzepte. Ansteckung erfolgt nicht in der Gastronomie, sondern auf Partys und Hochzeiten. Ich bin sehr traurig über den bevorstehenden Lockdown. Es geht jetzt ums Überleben. Es tut mir im Herzen richtig weh."

"Wir müssen jetzt schnell reagieren"

Veit Hesse, Chef des Sportvereins MTV München
Veit Hesse, Chef des Sportvereins MTV München © MTV

Veit Hesse: "Bei uns haben die Ankündigungen zum zweiten Lockdown zu großer Verunsicherung geführt, weil der Gesetzestext für die Maßnahmen noch fehlt. Jetzt, seit der Ministerpräsident die Regeln für Bayern bekanntgegeben hat, müssen wir uns schnell Gedanken machen, was wir ab Montag anbieten können - und was nicht. Beim ersten Lockdown sind wir schnell auf digitale Angebote umgeschwenkt. In fast allen Abteilungen gab es ein Online-Angebot, etwa über Livestream. Als die ersten Lockerungen kamen, haben wir sofort probiert, diese Schritt für Schritt im Outdoor-Bereich umzusetzen. Im Moment planen wir ab nächster Woche wieder mit Online-Sportangeboten."

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