"Das Risiko für die Bevölkerung steigt"

Bericht aus der Realität: Ein Feuerwehrmann aus München über unbezahlte Mehrarbeit, die hohe Belastung und falsche Personalpolitik.
von  Natalie Kettinger
Zwei Wassernotfahrzeuge gibt es in München – nur eins soll noch genutzt werden. Kleines Bild: So berichtete die Abendzeitung gestern.
Zwei Wassernotfahrzeuge gibt es in München – nur eins soll noch genutzt werden. Kleines Bild: So berichtete die Abendzeitung gestern. © Berufsfeuerwehr München

München - Der Inhalt des Briefes an OB Reiter trifft den Nagel auf den Kopf“, sagt Michael Müller (Name geändert), der seit 25 Jahren bei der Münchner Berufsfeuerwehr arbeitet. „Das veränderte Funktionskonzept führt dazu, dass die Sicherheit in der Stadt reduziert wird“, gibt er den Verfassern Recht.

„München hat zwar einen vergleichsweise hohen Sicherheitsstandard. Aber es ist doch ganz klar: Wenn ich weniger Fahrzeuge und weniger Personal vorhalte, steigt das Risiko für die Bevölkerung.“

Etwa, wenn bei speziellen Einsätzwagen wie den Wassernotfahrzeugen gekürzt wird, was das Konzept vorsieht. Wassernotfahrzeuge sind mit dem Equipment der Rettungstaucher ausgerüstet, außerdem haben sie jeweils ein Schlauchboot an Bord. „Diese Fahrzeuge kommen zwar nicht oft zum Einsatz, aber man braucht sie dringend, wenn es zum Beispiel heißt: ,Person in der Isar’ – dann geht es um Minuten, wenn nicht um Sekunden“, erklärt Michael Müller.

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Bislang verfügten die an der Würm gelegene Pasinger Feuerwache und die Isar-nahe Ramersdorfer Wache über ein solches Spezial-Mobil. Doch fortan soll es in München nur noch eines geben. „Wenn das dann vom einen Ende der Stadt ans andere fahren muss, womöglich noch durch den Berufsverkehr, kann es eigentlich gleich in der Garage bleiben“, sagt Michael Müller.

Schon jetzt sind der erfahrene Feuerwehrmann und seine rund 1700 Münchner Kollegen mehr als die maximale reguläre Wochenarbeitszeit von 48 Stunden im Dienst, weil die Personaldecke extrem dünn ist. „Um das möglich zu machen, hat man sich eines Kunstgriffs bedient: der Opt-Out-Regelung. Das bedeutet, dass wir uns per Unterschrift zu freiwilliger Mehrarbeit verpflichtet haben, die nicht bezahlt wird.“

Trotzdem soll nun die Zahl der Berufsfeuerwehrler in der bayerischen Landeshauptstadt weiter gesenkt werden – um 20 Mann pro Tag. Ausbaden müssen das die Aktiven: „Wenn der Pool kleiner wird, steigt die Belastung für jeden Einzelnen.“

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Schuld an der Misere ist laut Michael Müller eine falsche Personalpolitik. „Da ist jahrzehntelang danebengeplant worden. Auf Führungsebene wurden Stellen aufgestockt – aber nicht bei denjenigen, die im Notfall tatsächlich ausrücken.“ Dass München immer weiter wächst, verschärft die Lage zusätzlich – genau wie das hohe Preisniveau in der Stadt und die extremen Mieten.

Das Einstiegsgehalt von 1600 bis 2200 Euro brutto macht es schwierig, Nachwuchs zu finden. „Wenn man Single ist, kann man sich davon in München vielleicht noch ein Appartement leisten. Aber wenn man Familie hat, gibt’s ein Problem.“

Doch selbst wenn Feuerwehrmann wieder zum Traumjob der Jugend würde, stünde die Münchner Wache vor großen Schwierigkeiten. Michael Müller: „Unsere Ausbildungskapazitäten sind viel, viel zu gering. Auch für die Kurse fehlen Leute.“

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