Das Revier des Frauen-Jägers
MÜNCHEN - Die Milliardärin Susanne Klatten will zur Ruhe kommen im Lanserhof, wo sie Helg Sgarbi trifft. Der Gigolo umgarnt sie – und bekommt sie.
Einmal nur Mensch sein will Susanne Klatten (46), als sie im Juli 2007 im Tiroler Wellness-Hotel Lanserhof Quartier nimmt. Einmal nicht die reichste Frau Deutschlands sein. Das enge Korsett der perfekt funktionierenden Quandt-Erbin und Unternehmerin streift sie ab – und schlüpft in den weißen, flauschigen Bademantel, den hier alle tragen. Alle sind hier gleich, keiner sticht hervor. Kein Roman Abramowitsch, keine Susanne Klatten.
Der Lanserhof gibt den Superreichen das einfache Leben zurück. Zum Frühstück gibt’s eine Scheibe Toast, die 40 Mal zu kauen ist, mittags eine halbe Kartoffel und dazu sehr viel Tee und noch mehr Ruhe. Zeit zur Besinnung. Geld ist hier ein Tabu-Thema. Am Tag investieren die Gäste rund 300 Euro in ihre Gesundheit, bei vielen ist es weit mehr. „Der Lanserhof ist der perfekte Ort zum Anbandeln“, sagt einer, der sich dort auskennt. „Alle sind ständig hungrig und dankbar für jegliche Ablenkung. Frauen sind in der Überzahl. Wer ihnen beim ungeschminkten Anblick ein Kompliment macht, hat sofort einen Stein im Brett.“
Die Begegnung
Hier läuft Susanne Klatten vom 9. bis zum 22. Juli 2007 ungeschminkt im Bademantel herum. Vom 12. bis zum 25. Juli ist ganz zufällig auch Helg Sgarbi (43) da. Abends, nach dem Tagesprogramm mit Waldlauf, Pilates, Gymnastik, Tanz, Medizin-Check, Wellness und Massagen, treffen die beiden aufeinander.
Sgarbi fällt auf, die Männer hier sind entweder Russen oder ältere Geschäftsmänner. Er wirkt elegant, ist schlank, gebräunt, vornehm im Auftreten, einfühlsam im Gespräch. An der reduziert ausgestatten Tee-Bar mit dem offenen Kamin kommen sich Susanne Klatten und Helg Sgarbi schnell näher. Stühle gibt es nicht, man trifft sich ganz unkompliziert beim Auffüllen seiner Teekanne.
Für viele Gäste ist nach all der Stille und Sinnsuche eine amüsante Unterhaltung der Höhepunkt des Tages. Susanne Klatten, die hier so gar nicht Susanne Klatten ist, lässt sich auf einen Mann ein, der auch so gar nicht ist, was er verspricht. „Er wirkte so traurig“, erzählt sie später der Polizei. „Ich hatte Mitgefühl. So fingen die Freundschaft und unsere Beziehung an.“ Was Susanne Klatten nicht ahnt: Sie ist keineswegs die erste, die auf den „Frauenversteher“ hereinfallen sollte. Denn genau das ist Sgarbis Masche. Er pirscht sich bewusst an Frauen heran, die in solchem Ambiente den Panzer, der sie sonst schützt, abgeworfen haben. Sie stellen sich die großen Fragen des Lebens: Wer bin ich? Was will ich? Bin ich glücklich?
Sgarbis Masche
Helg Sgarbi geht auf ihre Gefühle ein, ihre Sehnsüchte, versteht Probleme, für die der Gatte zuhause nach langen Ehejahren kein Ohr mehr hat. Ein ideales Jagdrevier für einen Mann wie Helg Sgarbi, den gerissenen Gigolo. Hier findet er rasch Opfer, die ihm vertrauen. Die Mittel, mit denen Sgarbi seine Beute erlegt, sind so brutal wie einfach: Sex, Lügen und Videos. Dann die Erpressung. Gestandene Geschäftsfrauen, Millionärsgattinnen, Unternehmerinnen, reiche Erbinnen aus Deutschland, der Schweiz oder England soll er so schon ausgenommen habe. Erst wenige Wochen, bevor er sich an Susanne Klatten heranmacht, soll er ebenfalls im Lanserhof eine Unternehmerin aus Bayern um 300 000 Euro geprellt haben. Sie alle fielen auf sein Liebesgesäusel herein: „Du bist eine außergewöhnliche Frau, voller Leben, und du kannst so viel geben.“ Sie alle glauben ihm, dass ihr Alter und Aussehen Nebensache ist – und erst recht ihr Geld. Sie glauben, dass es nur um das gemeinsame große Gefühl geht. Neben Klatten wollen nun noch drei Frauen im Prozess gegen ihn aussagen.
Frühere Opfer
Seine „Reifeprüfung“ als Verführer hatte Sgarbi schon 2001 abgelegt. Im Hotel de Paris, der ersten Adresse in Monte Carlo, gaukelte er mit 36 der damals 83-jährigen Comtesse Verena du Pasquier-Geubels die große Liebe vor. Die exzentrische Gräfin, inzwischen verstorben, damals noch in drei Hotelsuiten (zum Jahres-Abopreis von einer Million Franken) residierend und bekannt für ihre Vorliebe für „Diamanten so groß wie Erdbeeren“, becircte er mit viel Charme und schlichten roten Rosen. Angeblich hatte sie Sgarbi – in Aussicht auf eine gemeinsame Ehezukunft – bereits einen zweistelligen Millionenbetrag überwiesen. Der Hochzeitstermin platzte, als Freunde die Gräfin vor dem Betrüger Sgarbi warnten. Als der aber einen Teil seiner Beute zurückerstattete, sah die Comtesse von einer Anzeige ab.
Die Liebesfalle
Einen ähnlich dicken Fisch glaubt Sgarbi nun im Juli 2007 im Lanserhof mit Susanne Klatten an der Angel zu haben. Bereits zum Ende des Aufenthalts gesteht er Susanne Klatten seine Liebe. Sie blockt erst noch ab, doch es folgen Telefonate und SMS. Sgarbi buhlt und baggert weiter, reist ihr sogar in den Familienurlaub nach Südfrankreich hinterher. Der 17. August, so sagt Susanne Klatten später aus, sei der Beginn ihrer Beziehung gewesen. Fortan haben sie intime Treffen in Hotels, unter anderem in München – Zimmer 629 im Schwabinger Holiday Inn (siehe unten). Sgarbi ist sich sicher: Jetzt hat er seine Milliardärin fest in der Liebesfalle. Er tischt ihr seine übliche Rührstory auf. In den USA, so seine aktuelle Variante, habe er das Kind eines Mafioso angefahren. Nun werde er bedroht, soll zehn Millionen zahlen. Drei Millionen habe er schon selbst überwiesen. Ob sie ihm den Rest vorschießen könne? Und Susanne Klatten nimmt ihm die Räuberpistole ab. „Ich habe ihm geglaubt“, erklärt sie. „Er wirkte ehrlich.“ Am 11. September 2007 wechseln in der Tiefgarage des Holliday Inn sieben Millionen in einem Umzugskarton den Besitzer. Noch weiß Susanne Klatten nicht, dass dies erst der Anfang einer Horrorstory für sie ist.
Fritz Janda und Kimberly Hoppe