Das Preisrätsel beim Müll

München - Helmut Schmidt ist in seiner Branche ein gefragter Mann. Kollegen aus der ganzen Welt wollen von ihm wissen, wie die Stadt so etwas schafft: nur 200 Gramm Restmüll pro Besucher – und das bei einer verschwenderischen Großparty wie der Wiesn. Das, so die einhellige Meinung in der Abfallwirtschaft, grenzt an Hexerei.
Ein Magier ist Schmidt allerdings nicht wirklich. Der Chef des Münchner Abfallwirtschaftsbetriebs hat weder eine Glaskugel, noch kann er in die Zukunft schauen. Wie sich die städtischen Müllgebühren in den nächsten Jahren entwickeln werden, kann er also auch nur schwer vorhersagen. „Schon dieses Jahr gab es da Entwicklungen, die nur schwer vorhersehbar waren“, sagt er.
Fest steht jedoch: Kommendes Jahr werden die Gebühren mal wieder steigen – das erste Mal seit zehn Jahren. Um 4,2 Prozent gehen die Preise hoch. Das bedeutet für jeden Haushalt Mehrausgaben in Höhe von 50 Cent pro Monat.
Das ist sicher eine verschmerzbare Größenordnung – zumal die Gebühren seit 2005 kontinuierlich gefallen sind. Trotzdem bleibt natürlich die Frage: Wie geht es weiter? Ziehen die Preise weiter an – oder bleibt die Gebührenerhöhung eine Ausnahme?
Schmidt zufolge hängt das von vielen nur schwer kalkulierbaren Faktoren ab. Wie geht es weiter beim Heizkraftwerk Nord in Unterföhring? Wie viel Abfall fällt bei den Münchner Firmen an? Und dann ist da auch noch ein neues Wertstoffgesetz, das in Berlin gerade in Vorbereitung ist.
Von dem ist Schmidt gelinde gesagt wenig begeistert. Das Gesetz sieht nämlich vor, kommunalen Abfallbetrieben Zuständigkeiten zu entziehen und diese auf private Entsorgungsunternehmen zu verlagern. Da das Gesetz zugleich nur eine Wiederverwertungsquote von 36 Prozent vorschreibt, würde das Mehrweg-System, so befürchtet Schmidt, dadurch großen Schaden nehmen.
Wie sich das neue Gesetz auf die Müllgebühren auswirken würde, kann Schmidt schlecht abschätzen. Er ist aber sicher, dass es das tun würde. „Wir müssten die Gebühren wohl deutlich anheben“, sagt er. Die Stadt hat mit dem sogenannten „Münchner Appell“ deshalb schon mal vorsorglich ihr Veto gegen die geplante Verordnung eingelegt.
Unwägbar ist auch die weitere Entwicklung am Heizkraftwerk Nord. Dort wird neben Kohle auch Müll verbrannt. Sollte die Kohleverbrennung dort jedoch eingestellt werden, wie es aktuell ein Bürgerbegehren fordert, wäre die Müllverbrennung dort nicht mehr rentabel.
Als günstig hat sich bislang eine Wende herausgestellt, die zu Jahresbeginn so auch nicht abzusehen war. Bisher haben Münchner Firmen ihren Abfall nämlich gerne bis nach Hamburg transportiert – dort war die Entsorgung günstiger. Diesen Mülltourismus betreiben seit diesem Jahr aber auch englische Unternehmen. Als Folge lassen die Münchner Betriebe ihren Müll nun wieder in München verbrennen. Die Auslastung der Anlagen steigt dadurch, die Einnahmen ebenso – und die Privathaushalte können wieder entlastet werden.