Das Oktoberfest als Sonder-wirtschaftszone

Ein Münchner Unternehmer beschwert sich: „Wir können seit neun Jahren keine Abendreservierung auf der Wiesn ergattern.“ Im Internet verlangen Agenturen schon jetzt Phantasiepreise für Plätze auf dem größten Volksfest der Welt.
von  Abendzeitung
Das Hackerzelt, der „Himmel der Bayern“: Seit Jahren versucht ein Münchner Unternehmer, hier abends einen Platz für seine Firma zu ergattern – bisher vergeblich.Foto: Mike Schmalz
Das Hackerzelt, der „Himmel der Bayern“: Seit Jahren versucht ein Münchner Unternehmer, hier abends einen Platz für seine Firma zu ergattern – bisher vergeblich.Foto: Mike Schmalz © Mike Schmalz

Ein Münchner Unternehmer beschwert sich: „Wir können seit neun Jahren keine Abendreservierung auf der Wiesn ergattern.“ Im Internet verlangen Agenturen schon jetzt Phantasiepreise für Plätze auf dem größten Volksfest der Welt.

MÜNCHEN Die Empörung über die groß angelegte Abzocke von Wiesn-Gästen durch Agenturen mit Reservierungs-Kontingenten ist groß. 240 Euro und mehr müssen Firmen löhnen, wenn sie – mangels Alternativen – auf die Angebote der Firmen mit den besonders guten Drähten in die Reservierungsbüros zurückgreifen (AZ berichtete). Doch das ist nur einer von vielen Wegen, auf denen Wiesnbesuchern das Geld aus der Tasche gezogen wird.

„Meine Firma ist seit neun Jahren regelmäßig mit drei Tischen im Hackerzelt, leider immer nur bis 16.30 Uhr, da angeblich die Abendreservierungen schon alle weg sind“, berichtet zum Beispiel Autohaus-Chef Günter Friedl. Auch ihm als bekannten und bewährten Mittags-Stammgast gelinge es partout nicht, offiziell eine Abendreservierung für nur einen Tisch zu ergattern – „so dass auch wir uns auf dem ,Schwarzmarkt’ bedienen müssen“.

Riedl weiter: „Wenn der Sprecher der Wiesnwirte bemerkt, der Verkauf der Reservierungen sei durch die Geschäftsbedingungen verboten, so stelle ich fest, dass das ungefähr genauso sinnvoll ist, wie wenn Sie vor einem Bankschalter ein Schild aufstellen: ,Überfall verboten’. Nur weil etwas verboten ist, heißt das noch lange nicht, dass es nicht gemacht wird, vor allem bei den Gewinnspannen.“

Friedls Appell an Oktoberfest-Chefin Gabriele Weishäupl: Sie solle dafür sorgen, dass „die Wiesn keine Sonderwirtschaftszone mehr ist“.

10 000 Euro für einen nicht reservierten Tisch

Oft geht’s bei dem großen Geschäft rund um die Wiesnplätze sogar kriminell zu. So vermarktete letztes Jahr eine Agentur per Internet Wiesn-Tische für zehn Personen für 5000 bis 10000 Euro. Das Infame an diesem Angebot: Es handelte sich um Plätze im nicht reservierten Mittelschiff.

Hatte ein „Opfer“ angebissen, wurde die Gruppe in ein Zelt gelotst, die Bedienung mit bis zu 500 Euro bestochen – und die räumte schon sitzende Gäste elegant aus dem Weg. Mehrere Fälle sind dokumentiert, zuletzt schlug die Kripo an Ort und Stelle zu und nahm die Drahtzieher fest.

Deutlich preiswerter, aber immer noch einträglich ist das aktuelle Angebot eines Ebay-Händlers namens „Altpasing“, der etwa sechs Plätze „im schicken Promi-Treff Hippodrom“ für 650 Euro verkauft.

„Wir besorgen Ihnen jedes Ticket“ wirbt der Internet-Anbieter Ticketpool. Der hat – orthografisch nicht ganz korrekt, eine ganze Menge solcher Angebote parat: „Sitzplatz bei Fischers Vroni – abends incl. 2 Maaß Bier 249 Euro“. Ein Mittags-Sitzplatz im Weinzelt inclusive 35 Euro Verzehrgutschein ist für 269 Euro zu haben, ein Platz im Käferfestzelt „abends inklusive Essen + Trinken“ für 399 Euro.

Die Firma ttours.de hat nur Zehner-Tische im Angebot, zum Beispiel einen am Samstag, 26. September, in der Augustiner Festhalle für vergleichsweise bescheidene 1795 Euro. Von 189 bis 299 Euro reicht die Preisspanne bei der Internet-Konkurrenz von worldticketshop.de, die vom Hacker-Festzelt bis zur Käferchänke so ziemlich alle Wiesn-Hochburgen auf ihrer Liste hat.

Rudolf Huber

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