Das neue Werksviertel: Bloß keine Retorten-Stadt
Die AZ war mit dem Chefplaner im neuen Werksviertel unterwegs: Hier entstehen der Konzertsaal und 1300 Wohnungen.
München - Fünf Schafe sollen hier weiden, auf der begrünten Dachterrasse des "Werk 3". Ab dem Frühjahr – das wünscht sich Pfanni-Enkel Werner Eckart. Er ist einer der zehn Eigentümer des "Werksviertel München" und hauptverantwortlich dafür, dass die alten Pfanni-Industriehallen von 1966 nicht brutal zusammengeschoben wurden, sondern zum Fundament eines neuen, betont nicht langweiligen Stadtviertels werden.
Das Werk 3, grell im Pfanni-Orange gestrichen, ist fertig. Es liegt an einer neu geschaffenen Straße am Ostbahnhof: der Atelierstraße. Sie markiert den Eingang in das Werksviertel. In den Bau sind Kommunikationsprofis, Künstler und Event-Agenturen eingezogen. Auf der Dachterrasse gibt es ein Restaurant.
"Großmieter hätten das Areal getötet", sagt der Architekt
Unten am "Knödelplatz" ist ein Laden für Künstlerbedarf, daneben ein Trachtengeschäft. "Der Eigentümer Eckart hätte die 25 000 Quadratmeter mühelos an zwei Großmieter geben können, aber das hätte das Areal getötet", erklärt Johannes Ernst von Steidle Architekten, der Chefplaner des Geländes: "Nun haben wir 50 verschiedene Parteien im Werk 3. Dax-Unternehmen zahlen mehr Miete, dafür sind die Künstlerateliers nicht teuer – das nennt man Quersubventionierung."
Das Werksviertel ist 55 Fußballfelder groß. Es wird im Süden von der Rosenheimer Straße begrenzt, im Norden von der Mühldorfstraße. Innerhalb von zehn Jahren soll hier eine Stadt in der Stadt entstehen: mit einem zentralen Park, dem neuen Konzerthaus, Wohnungen für 2600 Münchner und 7000 neuen Arbeitsplätzen – in ganz normalen Bürohäusern und urbanen, loftartigen Büros.

Es wird ein Hotel speziell für junge Gäste geben – oder für solche, die länger bleiben. Es kommen Cafés, eine Trampolin- und Parkour-Halle sowie Übungsräume für Musiker.
Jungen Existenzgründern und Künstlern wird ein gewisser Platz eingeräumt: "Raum für Leben und Kreativität", versprechen die Planer. Die Chancen dafür stehen nicht so schlecht. Denn: Vier große Areale des Werksviertels sind im Besitz von Privatleuten. "Für die ist ihr Grundstück nicht nur ein Posten in der Bilanz, sondern eine Scholle, an der auch ihr Herzblut hängt", so erklärt es Chefplaner Johannes Ernst.
Für Familienunternehmen wie Hamberger oder die Eigentümer des Elektronikherstellers Rohde & Schwarz oder Pfanni-Erbe Eckart geht es um die eigene Firmengeschichte, um ein Stück Identität: "Sie haben unserer Impulse aufgegriffen – und das Potenzial der alten Industriegebäude erkannt, auch wenn andere darin nur Bruchbuden sehen", sagt der Architekt. "Wir fügen jetzt eine eigene, moderne Schicht dazu."
Das ist im Werksviertel geplant
Wohnen: In drei runden Wohnblocks entstehen 1300 Wohnungen. Nicht nur 1- bis 2-Zimmer-Wohnungen, sondern auch größere für Familien. Eine Schule und drei Kitas sind geplant. Damit die Wohn-Gebäude nicht den kritisierten „weißen Kisten“ in München ähneln, werden die Fassaden mit farbigen Ziegeln verkleidet.
Konzertsaal: Für den neuen Münchner Konzertsaal ist eine Fläche von 116 Mal 58 Metern reserviert – das entspricht der Größe der Oper an der Maximilianstraße. Der Saal wird 200 Meter von der S-Bahn-Station Ostbahnhof stehen, an einer grünen Achse durchs Viertel.
Vier Hochhäuser: Im Werksviertel werden vier Hochhäuser gebaut. Drei mit 65 Metern und ein Hotel-Turm, der über 80 Meter hoch ist.
WERK 1: Aus den lustigen Bullaugen-Fenstern gucken schon jetzt junge Gründer. Sie sollen bleiben dürfen. Aber in modernisierten, loftartigen Büros, in der auch ein Einzelner einen bezahlbaren Arbeitsplatz an einem gemeinsamen Tisch mieten kann. Das bestehende Werk 1 wird einfach nach oben aufgestockt und bietet dann 16 500 Quadratmeter Mietfläche.
Werk 4: Die Kletterhalle im ehemaligen Pfanni-Silo bleibt erhalten. Das große Industriegebäude wird auf 24 Stockwerke hochgebaut und damit zum höchsten Gebäude des Werksviertels. Das Adina Apartment Hotel bietet hier ab 2019 Studios und Apartments.
Plaza: Baubeginn ist 2017. Auf 5000 Quadratmetern ist eine Mischung aus Jugend-Hotel und Einkaufszentrum geplant, mit Supermärkten, Drogerie, Praxen, Fitnessstudio plus einer Boulderhalle.
Container-Dorf: Noch vor Weihnachten eröffnet am Werksviertel-Eingang eine Container-Siedlung mit Radiostation, Cafés und Ateliers. Im Frühjahr wollen die Container-Leute auf den Dächern Gärten anlegen. Und als Reminiszenz an Pfanni: Kartoffeln anpflanzen.