Das Museum als Villa Kunterbunt

Kunstausstellungen, das sind stille Orte, an denen Intellektuelle, Wichtigtuer und graue Eminenzen voller Ehrfurcht die Gemälde der Meister studieren. So weit das Klischee. Tanzen, essen, selbst malen? Weit gefehlt, möchte man meinen – und liegt damit ganz falsch. Verschiedene Projekte in München nehmen Kindern die Angst vor dem künstlich überhöhten Raum Museum. Dabei fördern Pädagogen und Künstler auch die Kreativität, die Phantasie und das Ausdrucksvermögen. Ob im museumspädagogischen Zentrum, im Haus der Kunst oder im Palais Pinakothek: Die Möglichkeiten, Kunst zu den Kindern zu bringen. sind vielfältig.
Kunst, Physik und Butterbrote - Im Kinderpalais der Pinakotheken dürfen die jungen Besucher selbst kreativ werden
Sie basteln gemeinsam an einer riesigen Skulptur aus Füllmaterial, mischen ihre eigenen Farben oder erfinden, von einer Ausstellung inspiriert, ihren eigenen Tanz. Im Kinderpalais der Pinakotheken beschäftigen sich fünf- bis zwölfjährige Kinder auf ganz eigene Weise mit Kunst.
„Ganz wichtig ist, dass wir versuchen, mit den Kindern tief in die Werke einzudringen“, sagt die Künstlerin Kristine Oswald, die seit sieben Jahren im Palais mit den Kindern arbeitet. Das Thema ist jeden Freitag ein anderes, mal geht es um eine bestimmte Skulptur, mal um das anstehende Osterfest oder auch das Design von Stühlen. Auch das Umfeld, in dem die Kinder werkeln, ist jedes Mal neu gestaltet. Was immer gleich bleibt, ist die Struktur. Kunsthistorikerin Tanja Baar vom Palais: „Es gibt immer eine kleine Einführung im Palais, dann geht's in eine der Pinakotheken. Nach einer Brotzeit basteln die Kinder selbst, und sie werden in alle Tätigkeiten stark mit einbezogen.“
Dabei spielt auch der fächerübergreifende Gedanke eine Rolle. „Die Kinder werden ganzheitlich für Kunst sensibilisiert“, so Baar, „zu den Lichtinstallationen von Dan Flavin ging es zum Beispiel auch um die Physik des Lichtes.“ Die Gruppen sind klein, maximal zwölf Kinder. „Die meisten Kinder kommen regelmäßig ins Palais“, sagt Baar, „mittlerweile ist da eine richtige Familiengemeinschaft gewachsen“.
Johanna Jauernig
Kinderpalais (5 bis 12 Jahre): freitags 15-17.30 Uhr, Treffpunkt Palais Pinakothek, Türkenstr.4, 7 Euro inkl. Brotzeit, Anmeldung: Tel. 23 80 51 98
Müssen Giraffen immer einen langen Hals haben?
Die Museumspädagogin Heidi Petra Schworobuk begleitet Kinder zur Kunst – und hat gute Tipps für Eltern parat
AZ: Frau Schworobuk, was erlebt man, wenn Kinder auf Kunst stoßen?
HEIDI PETRA SCHWOROBUK: Kinder können staunen. Und sie stellen auch Fragen, die Erwachsene zu stellen sich nie trauen würden. Außerdem nehmen Kinder kein Blatt vor den Mund. Diese Unbefangenheit ist einfach toll.
Ab welchem Alter machen diese Kunst-Erlebnisse Sinn?
Gleich von Anfang an. Sobald Kinder einen Stift in der Hand halten können, erste Punkte aufs Papier setzen, fangen sie an zu experimentieren und merken „Ich kann was bewirken“. Dort sollte man Kinder abholen.
Könnte man kleine Kinder damit nicht auch verschrecken?
Auf keinen Fall. Natürlich gibt es in der Kunst schwierige Themen, an die muss man Kinder behutsam heranführen. Geht es zum Beispiel um Religion oder Tod, sollte man sehr offen, aber vor allem ohne Wertung darüber sprechen. Ich frage die Kinder, was ihnen zum Kunstwerk einfällt, lasse sie erzählen. Man muss einfach Anknüpfungspunkte an ihre Lebenswelt finden.
Wie kann man Kunst kindgerecht verpacken?
Kinder darf man nicht desillusionieren, man sollte sie lieber aus der Reserve locken. Man kann ihnen zeigen, wie verrückt manche Erwachsene gemalt haben. Und fragt sie dann, ob eine Giraffe wirklich immer braunes Fell und einen langen Hals haben muss.
Sie reden mit den Kindern ja nicht nur über Bilder, sondern lassen sie auch selbst werkeln.
Genau, in den Ausstellungen holen wir uns die Anregungen, anschließend geht’s in die Werkstatt hier im Haus der Kunst. Da gibt es Farben, Papier, allerlei Kartonagen, Plastikverpackungen. Braucht ein Kind zum Beispiel ein Rad oder einen Motor für sein Werk, dann soll es sich das aus den verschiedenen Werkstoffen selbst bauen.
Sind alle Kinder kreativ?
Ja, das steckt in jedem Kind. Natürlich kommt es auch immer auf die Förderung an, aber wenn ein Kind in einem offenen Umfeld aufwächst, in dem seine Experimente angenommen werden, dann sind Kinder unglaublich kreativ.
Entsteht dann Kunst?
Ich würde nicht soweit gehen und den Begriff „Kunst" verwenden. Kinder sind eher am Prozess interessiert als am Ergebnis. Darin unterscheiden sie sich oft von ihren Eltern. Die reden manchmal schon von Kunst, wenn der Sohn fünf Striche aufs Blatt macht.
Welche Bilder mögen Kinder besonders? Bunte Farben, möglichst aufregende Tiere?
Natürlich gefällt das den Kindern, aber man kann sie auch an ganz andere Themen heranführen. Kinder suchen zum Beispiel unheimlich gerne kleine Details in barocken Stillleben. Aber sie waren auch von Damien Hirsts Bild, das aus echten toten Fliegen besteht, begeistert. Kinder sind da oft aufgeschlossener als Erwachsene.
Wie führt man Kinder am sinnvollsten an die Kunst?
Da ist natürlich das eigene Interesse ausschlaggebend: Wenn ich selbst von etwas begeistert bin, dann überträgt sich das auf meine Kinder. Ansonsten sollte man früh mit Kindern in Museen und auch in technische oder naturwissenschaftliche Ausstellungen gehen. Das weckt den Forschergeist und schult Fantasie und Kreativität. Das brauchen Kinder ja auch im weiteren Leben.
Johanna Jauernig
Die Welt aus der Sicht der Tiere
Blaue Pferde, gelbe Kühe, rote Rehe – Kinder entdecken den Maler Franz Marc
Kandinsky ist die große Attraktion. Doch im Lenbachhaus tummelt sich ein „Blauer Reiter“-Kollege, der bei Kindern sogar noch besser ankommt: Franz Marc. Am Samstag lädt Museumspädagogin Sandra Schmutzenhofer vom Verein „Kunst für Kinder" zu einer Schatzsuche auf den Spuren des Malers.
Marcs Leben währte nicht lange, 1916 fiel er mit nur 36 Jahren im Ersten Weltkrieg. Doch in dieser kurzen Zeit schuf er eine Menge Bilder, malte mit Vorliebe Tiere – und gerade auf die stehen kleine Museumsbesucher ganz besonders. Kühe und Stiere, Äffchen und Vögel, Füchse und Tiger bannte Marc auf die Leinwand. Und Pferde, immer wieder Pferde. Auf der Weide, in der Schwemme, springende und laufende Pferde, ruhende und trinkende Pferde.
Nicht mehr die naturalistische Darstellung des Sichtbaren sondern die dahinter liegende Wirklichkeit will Marc zum Ausdruck bringen. Wie sieht ein Pferd die Welt? Wie ist das bei einem Adler, einem Reh oder einem Hund, fragt sich der Künstler und versucht, sich in das Wesen der Tiere einzufühlen. Dabei rückt die Farbe mehr und mehr ins Zentrum seiner Bilder.
Heute ist das kaum noch vorstellbar, aber mit den blauen Pferden, gelben Kühen und roten Rehen brach Marc ganz und gar mit jeder Konvention, landete als „entartet“ auf der Roten Liste der Nazis. Was seinerzeit reaktionäre Gemüter erhitzte, zieht heute längst die Leute in seinen Bann. Ganz besonders aber die Kinder, wie Sandra Schmutzenhofer bei ihren Führungen beobachtet.
„Kräftige Farben sind einfach Hingucker. Und Tiere stehen bei Kindern immer hoch im Kurs. Da läuft die Fantasie auf Hochtouren.“ Was man vor allem nach der Führung merkt. Denn da dürfen die Kinder vor Marcs Bildern selbst zum Stift greifen.
Sebastian Heidrich
Lenbachhaus, Luisenstraße 33, Kinderführung „Welt aus der Sicht der Tiere“: Samstag, 24. Januar, 15 bis 17 Uhr, Eintritt 5 Euro, Anmeldung unter Tel. 36108171
Kinderprogramm
Museumspädagogisches Zentrum München MPZ:
Kandinsky für Kinder, mit praktischer Arbeit: Lenbachhaus, Luisenstr. 33, Do-So 16-17.30 Uhr, 6 bis 12 Jahre,3 Euro, Karten: Tel. 0180/54818181 (im VVK zwei Wochen vor dem gewünschten Termin) und an der Tageskasse.
Bilder bauen: Hier können Kinder gemalte Räume mit Pappe und Papier nachbauen. Alte Pinakothek, BarerStr.27, 15. März, 10.30-13.30 Uhr, 3 Euro pro Kind, Eltern zahlen Sonntagseintritt, Material: 2 Euro pro Person, keine Anmeldung erforderlich.
Indianer Nordamerikas, für Vorschulkinder und Erstklässler mit praktischer Arbeit: Staatliches Museum für Völkerkunde, Maximilianstr. 42, 15. Februar, 15-17 Uhr, 5 bis 7 Jahre, 2,50 Euro pro Kind, Material: 1 Euro.
Infos: Tel. 23805296, www.mpz.bayern.de (jeweils Familienführungen, Aufsichtspflicht liegt bei dem begleitenden Elternteil!).
Workshops im Haus der Kunst: Betrachtung ausgewählter Kunstwerke, eigene künstlerische Gestaltung. Prinzregentenstr. 1, jeden Samstag 12–14.30 Uhr, 6 bis 10 Jahre und 11 bis 14 Jahre, 7 Euro pro Kind, maximal 15 Teilnehmer, Anmeldung unter Tel. 21127118, www.hausderkunst.de.
Kinderführungen und Geburtstage zu verschiedenen naturwissenschaftlichen Themen: Deutsches Museum, Museumsinsel 1, Führungen auf Anfrage (sechs bis acht Wochen im Voraus), 50 Euro + Eintritt pro Gruppe und Führung, Tel. 2179252, www.deutsches-museum.de.
Museum Mensch und Natur:
Von den Mahlzeiten der Tiere: 23.Januar, 15.30 Uhr.
Reise durch die Geschichte des Lebens: 30.Januar, 15.30 Uhr.
Jäger, Räuber, Fallensteller – Jagdstrategien im Tierreich, 6.2., 15.30 Uhr.
Infos: Adresse: Schloss Nymphenburg, Museumseintritt: Eltern 3 Euro, Kinder frei, Tel.1795890, www.musmn.de.