Das Leiden in Münchens Pflegeheimen

München - Offene Wunden, die niemand versorgt. Bettlägrige Alte, die innerlich austrocknen, weil sie kaum zu trinken bekommen. Verwirrte Senioren, die mit Psychotropfen vollgepumpt werden, damit sie das Pflegepersonal nicht stören: Dass vielen älteren Münchnern davor graut, irgendwann in einem Pflegeheim zu landen – kein Wunder. Was Angehörige von Pflegeheimbewohnern und freilich auch viele Altenpfleger längst wissen, liegt nun – erneut – in nackten Zahlen auf dem Tisch. Und die sind hässlich.
In den vergangenen zwei Jahren haben die Pflegeprüfer der Münchner Heimaufsicht im Schnitt mehr als zwei Mal die Woche 60 Münchner Pflegeheime kontrolliert – und dabei unangekündigt rund 1800 Senioren an ihren Betten besucht und die Dokumentationen zu den Bewohnern gefilzt. Was sich den Kontrolleuren bot, die im Auftrag des Kreisverwaltungsreferats unterwegs sind, war oft ein Bild des Jammers:
Bei weit mehr als jeder zweiten Prüfung (59 Prozent) brachten sie Verstöße gegen "die gesetzlichen Qualitätsanforderungen" ans Licht. Das ist fast ein Zehntel mehr, als in den beiden Jahren davor.
Massiver Personalnotstand
Im neuen, inzwischen achten Qualitätsbericht der Heimaufsicht, der dem Stadtrat vorliegt, ist zu lesen, dass die Prüfer bei 58 Heimbesuchen alte Menschen mit offenen (Dekubitus-)Wunden und Schmerzen vorfanden, die nicht sachgerecht behandelt wurden. Bei 53 Überraschungs-Visiten fanden sie Senioren, die Pfleger mit Psychopharmaka und anderen Medikamenten ruhiggestellt hatten – in einer Weise, die kein Arzt verordnet hat. Diverse Ungereimtheiten gab es zur Frage, welche Medizin überhaupt welcher Patient wann zu bekommen hat. Und bei 64 Besuchen stellten die Kontrolleure fest, dass hilfsbedürftige Alte nicht ausreichend vor Stürzen oder Druckgeschwüren geschützt wurden.
Einer der Gründe für das Leiden der alten Menschen liegt im massiven Personalnotstand an den Münchner Pflegeheimen – der sich mehr und mehr verschärft: Bei 33 (von den insgesamt 229) Kontrollen in den 60 Häusern waren weniger Fachkräfte vor Ort, als gesetzlich festgelegt ist. Das ist mehr als doppelt so oft wie noch in den Jahren 2013 und 2014.
Dass es hier bald Abhilfe gibt, ist nicht abzusehen. Noch immer sind Pfleger zu schlecht bezahlt, noch immer gibt es zu wenige – und vor allem kaum bezahlbare – Wohnungen, um überhaupt neue Pfleger aus anderen Städten oder Ländern nach München zu bekommen. Dazu kommt, dass die Arbeit von Altenpflegern psychisch belastend und körperlich anstrengend ist. Viele, die in München gerade in unterbesetzten Schichten arbeiten, klagen darüber, sich um ihre betagten Schützlinge nicht so kümmern zu können, wie sie sich das mal vorgestellt haben.
Gitter und Gurte: Freiheitsentzug seltener
Immerhin, eine gute Nachricht gibt es: Laut dem Bericht ist die Zahl der Alten, die durch Gitter in Bett eingesperrt oder mit Gurten festgeschnallt werden (das fällt unter "Freiheitsentzug") in den letzten neun Jahren massiv gesunken. 2008 fanden die Münchner Pflegekontrolleure noch jeden fünften besuchten Pflegebedürftigen eingesperrt oder festgebunden vor. Jetzt waren es nur noch 1,2 Prozent.
"Das liegt deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt", erklärt Kreisverwaltungsreferent Thomas Böhle. (Zitat kommt vielleicht .....) Ein Erfolg, der den Bemühungen der Pflegeheimträger und der Münchner Heimaufsicht zu verdanken sei.