Das Leben, die Liebe, der Lenny
Nach fast vierjähriger Pause ist der Rockstar Lenny Kravitz mit einem neuen Album auf Deutschland-Tour. Vor seinem Auftritt in München spricht er im Interview über Geld, Gier, Ego, Macht und noch mehr.
Im „Electric Ladyland Studio" hat einst Jimi Hendrix seine Platten aufgenommen. An diesem Tag nutzt ein anderer Rockstar, der schon oft mit Hendrix verglichen wurde, die indianisch anmutenden Räumlichkeiten in Manhattans Trendviertel Soho. Lenny Kravitz hat sein neues Album zwar nicht hier aufgenommen, hat das Studio aber ausgewählt, um über seine erste Platte und die Tournee nach fast vierjähriger Pause zu sprechen.
AZ: Lenny, dein erstes Album hieß 1989 „Let Love Rule", dein neues hast du „It Is Time For A Love Revolution" genannt. Ist das nicht immer die gleiche Leier?
LENNY KRAVITZ: Nein. Zu Zeiten von „Let Love Rule" schien vieles friedlicher, die Mauer fiel zu der Zeit, die Menschen in Osteuropa hatten plötzlich neue Perspektiven, es war eine Menge möglich. Heute gibt es doch kaum noch eine Ecke auf der Erde, in der nicht irgendein Wahnsinn vor sich geht. Wir bringen uns gegenseitig um, wir zerstören alles: Uns, den Planeten, unsere Lebensgrundlagen. Da stehe ich auf und sage: Ich bin ein Mann der Liebe, ein Mann des Friedens, ein Mann Gottes.
Hast du das Gefühl, dass deine Botschaft in dieser Welt überhaupt noch gehört oder verstanden wird?
Die Situation ist alles andere als „Lenny gegen den Rest der Welt". Ich meine, wem macht das denn Spaß? Kriege und Umweltzerstörung. Die ganze Welt dreht sich doch nur noch um Geld, Gier, Ego, Macht. Mich macht das krank. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass ich der Einzige bin, der von einer besseren, harmonischen Welt träumt. Natürlich aber beginnt die Liebesrevolution bei dir selbst. Du musst mit dir im Reinen sein, dich selbst lieben und akzeptieren.
Wie schafft man es denn, sich selbst zu lieben?
Indem man sich bewusst dafür entscheidet. Indem man seinen Stolz, seinen Egoismus zur Seite stellt. Wenn ich jetzt hier fies oder rücksichtslos zu dir wäre, dann würde ich das bereuen, dann wäre das falsch, und ich wüsste es auch.
Würdest du sagen, du bist heute ein netterer Mensch als vielleicht vor zehn, fünf, drei Jahren?
Ich denke, ich bin ruhiger geworden. Ich bin ein entspannterer Mensch als früher.
Auch ein bisschen langweilig geworden?
Ach Quatsch, du bist ja nicht langweilig, weil du nicht mehr jeden Tag irgendwelches Theater machst oder dem Stress erlaubst, dir zu Kopf zu steigen. In diesem Musikgeschäft zu sein, Tag für Tag diesen ganzen oberflächlichen Scheiß miterleben zu müssen, das zehrt nunmal an mir. Aber ich nehme das alles nicht mehr so ernst.
Nach dem letzten Album hast du dir erst Mal eine Pause gegönnt. Das neue Album klingt, als hätte sie dir gut getan: rockig und voller Energie.
Ich habe gemerkt, was ich eigentlich will, was ich wirklich will. Und ich war es leid, mir von Geschäftsleuten meiner Plattenfirma vorschreiben zu lassen, wie ich zu klingen habe. Ich meine, das habe ich auch früher nicht gemacht, meine Musik war immer schon mein persönliches Ding. Aber die Leute versuchen, einen ja trotzdem immer zu beeinflussen, und damit machen sie dich verrückt.
Künstlerische Freiheit ist dir also sehr wichtig.
Das stimmt. Ich schreibe, spiele und produziere alles selbst. Ich bin nie den Trends oder den Hits der anderen gefolgt, sondern habe einfach immer mein Ding gemacht. Ich habe immer die Musik gemacht, die ich in mir spürte.
Und damit überlebt man offensichtlich 20 Jahre im Musikgeschäft
Mann, zwei Jahrzehnte seit „Let Love Rule“. Irre, oder? Manchmal staune ich und wundere mich darüber, dass die Leute ausgerechnet mich seit 20 Jahren unterstützen und hören wollen. Gäbe es euch da draußen nicht, würde ich jetzt hier nicht sitzen. Das macht mich sehr dankbar.
Deine Fans finden scheinbar so etwas wie Werte und Inspiration, Hoffnung und Optimismus in deiner Musik.
Ja, aber ich mache das nicht mit Absicht oder Berechnung. Doch es passiert schon, dass Leute kommen und sagen, wie viel ihnen meine Songs bedeuten. Ich selber vergesse das ja immer, wenn ich Musik mache. Ich denke dann nicht darüber nach, dass ja irgendwann die ganze Welt Zugang zu diesen Liedern hat. Ich mache die dann nur für mich persönlich.
Du hast im vergangenen Jahr vier Monate auf einem Bauernhof in Brasilien gelebt. Was hast du dort gemacht?
Das ist mehr so eine Rinderfarm. Ich habe dort mitgearbeitet, kleine Kälbchen zur Welt gebracht, die Pferde eingeritten und gepflegt, solche Sachen. Die Farm zieht die Kühe groß, aber tötet sie nicht. Wenn sie groß genug sind, werden sie dann an andere Farmen verkauft. Sehr organisch und natürlich geht es dort zu. Die Tiere bekommen auch keine Chemie, nur Naturfutter. Und die sind so friedlich, so wie ich mir immer wünsche zu sein.
Fiel es dir schwer, wieder dort wegzugehen und dich an die Arbeit zu machen?
Ja. An manchen Tagen wünschte ich mir, einfach für immer bleiben zu können. Aber ich habe einen Beruf. Also bin ich schweren Herzens wieder zurückgegangen in die so genannte Zivilisation.
Deine Single „I’ll Be Waiting" ist eine sehr romantische Liebeserklärung. Ist die an eine bestimmte Person gerichtet?
Nein. Aber ich finde es richtig geil, diese Verse mal in die Öffentlichkeit zu bringen. Damit die Ladys sehen und hören, was für ein sensibler, sanfter und süßer Kerl dieser Lenny Kravitz wirklich ist.
Warum? Haben die Frauen die wilden Aufreißergeschichten über dich gelesen und halten sich nun von dir fern?
So wild, wie das dargestellt wird, war ich sowieso nie. Und mittlerweile noch viel weniger. Nein, es ist so: Ich denke, ich bin bereit.
Wofür?
Eine richtige Beziehung. Ich bin auf der Suche nach der Liebe, die hält. Ich möchte sehr gern wieder heiraten und ein richtig altmodisches, ruhiges Eheleben führen. Auch Vater würde ich sehr gern nochmal werden.
Interview: Steffen Rüth
Heute, 20 Uhr, Olympiahalle, Eintritt: 46 bis 51 Euro
- Themen:
- Lenny Kravitz