Das KVR gibt Gas: Tempo 30 überall!
Angeblich wollen viele Münchner das so haben. Deshalb unternimmt das Kreisverwaltungsreferat diesen Vorstoß. Gegner wettern schon gegen „Deutschlands autofeindlichste Behörde”.
MÜNCHEN - Tempo 30 in München – das soll nach einem Vorstoß von Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle in Zukunft nicht mehr die Ausnahme sein, sondern die Regel. Straßen, auf denen die Autofahrer schneller fahren dürfen, müssten dann eigens beschildert werden. Am 7. Juni soll der zuständige Stadtratsausschuss über den Vorschlag beraten. Die Stadt selbst kann das bisher übliche Tempo-50-Limit nicht in Eigenregie absenken. Deshalb will das KVR sich vom Stadtrat den Auftrag abholen, beim bayerischen Innenministerium eine Initiative zur Änderung der Straßenverkehrsordnung zu starten.
Schon regt sich Widerstand. Michael Haberland vom Autofahrerverein „Mobil in Deutschland” schäumt: „Das ist eine Katastrophe. Der Verkehr in München soll verlangsamt werden.” Aus seiner Sicht würde ein Grundtempo 30 niemandem etwas bringen und nur zu längeren Staus führen. Er wertet das Ganze als „ideologisierte Schikane für Autofahrer” und hält das KVR ohnehin für „Deutschlands autofeindlichste Behörde”. Die Stoßrichtung sei klar: „Am Schluss ist es so, dass nur noch am Mittleren Ring Tempo 50 ist. Das trau ich ihnen zu.”
AZ-Meinung: Tempo 30 - Pro und Kontra
Doch von vorne: Wie kommt es zu dem Vorstoß? Die Behörde berichtet von einer „steigenden Zahl Anträge” von Bürgern, Elternbeiräten, Bürgerversammlungen oder Bezirksausschüssen, die alle ein Ziel hätten: eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf Tempo 30, und zwar nicht nur in Wohnstraßen, sondern auch in Hauptverkehrs- oder Erschließungsstraßen. Konkret liegen solche Anträge etwa für die Meyerbeer-/Offenbachstraße oder auch die Rosenheimer Straße vor. Tempo 50 werde von immer mehr Bürgern „nicht mehr als verträglich” angesehen, heißt es in der Beschlussvorlage.
Und darauf reagiert das KVR. Schon jetzt gibt es den Angaben nach 345 Tempo-30-Zonen in der Stadt. Damit gelte in etwa 80 Prozent des Münchner Straßennetzes bereits ein Limit von 30 Stundenkilometern. Ab Mittwoch kommt fast die ganze Altstadt dazu (AZ berichtete). „Wenn es vielfacher Wunsch ist, in ein paar Bereichen zusätzlich Tempo 30 zu machen – warum nicht?”, sagte KVR-Chef Blume-Beyerle zur AZ. Dadurch ändere sich nur wenig.
Er stützt sich auf Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesverkehrsminister und auf den Deutschen Städtetag, die ebensfalls für ein 30er-Limit in Ortschaften plädieren. Freilich wäre auf wichtigen Verkehrsadern auch weiterhin eine höhere Geschwindigkeit zulässig. Nur die Beweislast wäre dann eben umgekehrt. Sprich: Künftig müsste streckenbezogen begründet werden, warum schneller gefahren werden darf. Und nicht – wie jetzt – warum Autofahrer vom Gas gehen müssen. Im Beschlussvorschlag heißt es: „Das KVR kann sich eine innerstädtische Regelgeschwindigkeit auf 30 km/h vorstellen, wenn gleichzeitig ein leistungsfähiges Straßennetz festgelegt wird, in dem eine höhere Fahrgeschwindigkeit gilt.”
Der Vorstoß des Münchner Kreisverwaltungsreferenten löst im Stadtrat ein gemischtes Echo aus. Grünen-Rätin Sabine Nallinger findet ihn „nur konsequent”. Man spare sich auch wahnsinnig viele Schilder. Sie hofft, dass sich „die Kultur ändert, wenn am Ortseingang steht, dass Tempo 30 die Regelgeschwindigkeit ist”. CSU-Fraktionschef Josef Schmid hält gar nichts davon. Er sieht „keinen Nachhol– und Verbesserungsbedarf” in München. Alle 30er-Zonen-Schilder abbauen und dafür 50er-Zonen-Schilder aufzubauen, das ist für ihn „eine Riesen-Arbeitsbeschaffungs-Maßnahme für städtische Bedienstete und Beamte”. Auch SPD-Fraktionschef Alexander Reissl bremst: „Da muss man bei mir persönlich noch Überzeugungsarbeit leisten.” Letztendlich ginge es nur um ein paar wenige Straßen, meint er.
Im vorigen Jahr hatte Grünen-Politikerin Renate Künast übrigens mit dem gleichen Vorschlag für Wirbel gesorgt: Als Bürgermeister-Kandidatin forderte sie Tempo 30 in Berlin.
Was schon ab 1. Juni gilt: Langsamer fahren, mehr bezahlen
Ab 1. Juni werden in der Altstadt drei neue Verkehrsregeln eingeführt:
Fast in der ganzen Altstadt gilt Tempo 30 – ausgenommen sind nur der Oberanger, die Maximilianstraße und das Tal.
Länger zahlen fürs Parken: Innerhalb des Altstadtrings wird die Parkplatzbewirtschaftung an Werktagen um vier Stunden bis 23 Uhr ausgedehnt. Die Stunde kostet zwischen 8 und 19 Uhr weiterhin 2,50 Euro. Danach ist nur noch 1 Euro pro Stunde fällig.
Blaue Zone – Angerviertel: Zwischen Rosental und Hauptfeuerwache und zwischen Tal und Frauenstrasse wird die „Blaue Zone“ eingeführt. Das heißt: Die Parkmöglichkeiten auf der Straße sind statt mit vielen Verkehrszeichen nur mit blauen Strichen am Boden gekennzeichnet.