"Das kam noch nie vor": Trickst Grün-Rot, damit ihr Parteifreund Münchner Kulturreferent wird?

Eigentlich wäre der ehemalige Grünen-Chef Florian Roth nicht für das Amt qualifiziert gewesen. Ein Stadtratsbeschluss hat das geändert. Die Opposition im Rathaus ist entsetzt.
von  Christina Hertel
Der ehemalige Grünen-Fraktionschef Florian Roth.
Der ehemalige Grünen-Fraktionschef Florian Roth. © Andreas Gregor

München - In der deutschen Bundesregierung kann ein Schriftsteller Wirtschaftsminister werden. So etwas wie Minister gibt es im Münchner Rathaus auch: Doch ein Autor hätte es schwer, so einen Referenten-Posten zu ergattern. Denn, um Referent zu werden, muss man nicht nur von der Stadtratsmehrheit gewählt werden, sondern auch strenge Voraussetzungen erfüllen:

zum Beispiel muss man beide juristische Staatsexamen abgelegt oder mehrere Jahre eine Führungsposition gehabt haben. Zumindest galt das bis zuletzt. 

Kulturreferent in München: Grünen-Chef Florian Roth nun doch qualifiziert

Doch der Reihe nach: Im Sommer 2025 endet die Amtszeit von Kulturreferent Anton Biebl (parteilos). Am 23. Oktober soll der Stadtrat seinen Nachfolger wählen. Seit Langem wird gemunkelt und laut getuschelt, dass der ehemalige Grünen-Fraktionschef Florian Roth den Posten bekommen soll.

Vereinbart haben Grüne und SPD in ihrem Koalitionsvertrag nämlich, dass die Grünen für das Amt jemanden vorschlagen dürfen. Allerdings: Florian Roth erfüllt formal nicht die Voraussetzungen, Referent zu werden. Er hat einen Doktor in Philosophie und arbeitet bei der Stadt als Leiter bei einer Bildungsberatung, allerdings lange in Teilzeit.  

Diesen Mittwoch in einer nicht-öffentlichen Sitzung haben Grüne und SPD beschlossen, ihn und sechs weitere Bewerber trotzdem zur Wahl zuzulassen. In der eigentlich geheimen Beschlussvorlage, die der AZ vorliegt, wird mit vielen Paragrafen ausgeführt, dass das ‒  auch nach Ansicht der Regierung von Oberbayern ‒ rechtlich möglich ist.

Dafür muss der Stadtrat einen „sonstigen Qualifikationserwerb“ der Bewerber (zum Beispiel ein Studium an einer Kunsthochschule) und ein “dienstliches Bedürfnis” feststellen, dass es notwendig ist, diese Bewerber zuzulassen. Das “dienstliche Bedürfnis” liegt "in der Regel nicht vor, wenn eine hinreichende Anzahl qualifizierter Bewerber*innen gegeben ist", heißt es in dem Beschlusstext.

Rathauskoalition erweitert den Bewerberkreis

Tatsächlich haben sich für die Stelle insgesamt 35 Personen beworben. Acht davon sind so oder so qualifiziert genug, dass der Stadtrat sie nicht erst per Beschluss zum Verfahren zulassen müsste. Darunter ist laut der Beschlussvorlage auch der amtierende Kulturreferent Anton Biebl, der zwar kein Parteibuch besitzt, aber einst von der SPD vorgeschlagen wurde. Warum reichen diese acht Bewerber nicht? Offensichtlich erweitert die Rathauskoalition den Bewerberkreis, damit ihr Parteifreund überhaupt eine Chance hat. 

Die Opposition ist über das Vorgehen jedenfalls entsetzt. "Die Regierungskoalition aus Grünen und SPD dreht die Wahl zum Kulturreferenten so, dass sie eher die Versorgung einzelner Personen im Blick hat als die fachliche Kompetenz", sagt Linken-Chef Stefan Jagel. 

"Kam bislang noch nie vor"

Auch in der Vergangenheit haben Rathauskoalitionen Referentenposten nach Parteibuch ‒ oder zumindest nach Gesinnung ‒ besetzt. Die frühere Kommunalreferentin Kristina Frank war, bevor sie dieses Amt antrat, stellvertretende Chefin der CSU-Stadtratsfraktion. Aber sie war eben auch Juristin ‒ und damit formal geeignet. "Es kam bislang noch nie vor, dass ein Referent diese formalen Qualifikationen nicht erfüllen musste und man ein dienstliches Bedürfnis hinkonstruiert", sagt CSU-Stadtrat Leo Agerer. 

Grüne und SPD wollen sich öffentlich zu dem Vorgang nicht äußern. Hinter vor gehaltener Hand hört man aber doch manches. Seitens der Grünen heißt es, dass sie eben nicht nur Juristen und Beamte zulassen wollen. Gerade für das Amt des Kulturreferenten seien doch andere Qualifikationen wichtiger als ein juristisches Staatsexamen.

Offensichtlich haben sie auch versucht, sich rechtlich möglichst gut abzusichern. Wohl auch, um zu vermeiden, dass sich ein Debakel wie bei Anna Hanusch wiederholt. Die ehemalige Grünen-Fraktionschefin (sie teilte sich einst den Posten mit Florian Roth) wollte Baureferentin werden und musste ihre Bewerbung letztlich zurückziehen. Damals stellte die Regierung von Oberbayern fest, dass die Stadt die Stelle hätte ausschreiben müssen. 

Ein Bruch mit dem Koalitionspartner deutet sich (noch) nicht an

Die SPD möchte nicht zitiert werden. Doch zumindest Stand jetzt deutet sich nicht an, dass sie wegen der Personalie den Bruch mit dem Koalitionspartner riskiert. Vermutlich auch, damit ihr eigener Vorschlag nicht scheitert: Schon im Juni hat die SPD bei einer Pressekonferenz verkündet, dass Christian Scharpf, der Ingolstädter SPD-Oberbürgermeister, neuer Wirtschaftsreferent werden soll.

Eine Ausschreibung sollte es trotzdem geben, kündigte SPD-Chef Christian Köning damals an. Welchen Sinn diese dann noch haben sollte, ließ er offen. Fakt ist aber: Scharpf steht ebenfalls am 23. Oktober zur Wahl. An seiner Eignung bestehen keine Zweifel. Er ist Jurist und hat 16 Jahre für das Münchner Rathaus gearbeitet. 

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