„Das ist plumper Quatsch mit Soße“
MÜNCHEN - Die Radl-Kampagne der Stadt wird seit Wochen kontrovers diskutiert. Die AZ hat mit dem Marketing-Expert Jon Christoph Berndt gesprochen. Auch bei ihm kommt die Werbe-Kampagne nicht gut weg
Über die Fahrrad-Kampagne der Stadt ist in den vergangenen Wochen heftig diskutiert worden. Die AZ hat mit einem Marketing-Experten darüber gesprochen.
AZ: Warum ist eine Kampagne nötig, wenn Radeln schon ein positives Image hat?
JON CHRISTOPH BERNDT: Wenn etwas ein gutes Image hat, dann soll das auch so bleiben – ansonsten bräuchten Unternehmen wie BMW oder Microsoft keine Werbung mehr. Es ist aber Fakt, dass Verkaufszahlen sofort sinken, wenn nicht mehr geworben wird. Dasselbe gilt fürs Kommunen-Marketing. Gerade in Zeiten leerer Kassen sagt eine Rathausregierung: Wir brauchen mal was Positives, das man auch mit kleinem Etat machen kann.
Die Kampagne kostet jährlich 950000 Euro und ist auf zwei Jahre angelegt. Ist das ein kleiner Etat?
Das ist natürlich überhaupt nicht klein! Das ist bestimmt viel zu viel für das Thema. Vor allem, wenn dann Broschüren dabei herauskommen, die Radfahrer ohne Helm abbilden. Es steht mir nicht zu, zu sagen, das ist rausgeschmissenes Geld. Aber ich wundere mich schon als Kommunikationsberater. Mit dem Geld hätte man ganz andere Dinge finanzieren können.
Ein Radl-Joker, ein Straßen-Casting – was bringt das?
Das Geld ist dann gut angelegt, wenn es einen nachhaltigen Erfolg hat. Und den sehe ich hier nicht. So etwas wie ein Radl-Casting kann man vielleicht in einer Kleinstadt machen. Da ist das prima, weil jeder jeden kennt und über das Ganze geredet wird. Aber in München ist das nur noch piefig und provinziell. Bei all den Werbeeindrücken, die wir jeden Tag haben, bleibt da gar nichts hängen.
Von den Machern der Kampagne war zu hören, dass es egal sei, ob sowas wie der Radl-Joker gefällt – Hauptsache, man redet drüber.
Da ist schon etwas dran. Allerdings ist die These schwierig, wenn es um etwas geht, das eigentlich positiv belegt ist – wie eben das Radeln. Da geht der Schuss nach hinten los. Warum soll ich etwas, das als sympathisch gilt, durch den Kakao ziehen?
Was würden Sie als nachhaltigere Aktionen bezeichnen?
Wenn man zum Beispiel 20000 Radl-Klingeln an Schulen verteilt. Und dann bei einer Sternfahrt versucht, das lauteste kollektive Klingeln der Welt hinzukriegen, um damit im Guinness-Buch der Rekorde zu landen. Das würde Spaß machen – und wäre viel billiger. Stattdessen kommen die mit so einem plumpen Quatsch mit Soße daher.
Interview: Julia Lenders