Zum Tag der alten Dinge: Der Zauber des Gebrauchten

München - Aus dem Lager trägt eine Mitarbeiterin eine Schaufensterpuppe mit einem grau-schwarzen Kleid in den Laden, um die Taille ist ein roter Gürtel gebunden. Die Mitarbeiterin zupft am Stoff, um die letzten Falten zu beseitigen - jetzt fehlt nur noch eine passende Kette. Die ist an einem kleinen Ständer neben der Kasse schnell gefunden. Unweit der Puppe finden sich Schuhe, in einem Regal daneben glänzen Gläser und Porzellangeschirr. Im hinteren Teil des Geschäfts reihen sich unzählige Bücher, DVDs und Brettspiele aneinander. Alles ist hübsch präsentiert und wirkt wie neu.
"Zu schade zum Wegwerfen": Wo alten Dingen ein zweites Leben geschenkt wird
Doch der Eindruck täuscht: "Alle Dinge bei uns sind alt im Sinne von gebraucht", sagt Gitta Klassen, ehrenamtliche Leiterin des Oxfam-Ladens in der Türkenstraße. "Vieles ist zu schade zum Wegwerfen." Wer daheim Dinge hat, die er nicht mehr braucht und die anderen vielleicht eine Freude machen, kann sie an einen der fünf Oxfam-Läden in München spenden.

Dort verkaufen die ehrenamtlichen Mitarbeiter sie, der Erlös wird an gemeinnützige Projekte des Hilfswerks Oxfam gespendet. "Man hilft damit Menschen, die es wirklich brauchen", sagt Klassen. Gleichzeitig sei der Einkauf nachhaltig: Durch die Wiederverwertung würden Ressourcen geschont.
Oxfam in der Türkenstraße: Alels ausser Möbel oder Fahrräder
Es gibt fast nichts, was es nicht gibt im Laden an der Türkenstraße. Nur manche Dinge kann das Team laut Klassen nicht annehmen: Tabu ist zum Beispiel Sperriges wie Möbel oder Fahrräder. Gerne gesehen sind hingegen Kleidung, Bücher und DVDs, Spielsachen oder Geschirr. Letzteres wird im Laden gespült und wieder auf Hochglanz gebracht, damit es im Regal schön aussieht. "Das ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit", sagt Klassen. "Die Waren so präsentieren, dass man Lust hat, sie zu entdecken."

Die Kundschaft ist gemischt: Laut Klassen kommen Sammler oder Menschen, die Freude an schönen Dingen haben, aber ebenso Schnäppchenjäger. Zudem habe man viele Stammkunden, die die familiäre Atmosphäre schätzen. An diesem Donnerstagnachmittag herrscht großer Andrang: Ein Mitarbeiter ist gerade dabei, Waren aus dem Lager auf einem kleinen Wagen in den Laden zu fahren. Dazu, sie ins Regal einzuräumen, kommt er gar nicht, wie er lachend erzählt. Die Sachen werden direkt vom Wagen heruntergekauft.
Gebrauchtwarenladen: Im Lager warten die Schätze
Wenn es die Waren bis ins Regal schaffen, bleiben sie laut Klassen immer nur wenige Wochen. Dann kommt etwas Neues nach - im Lager warten unzählige Schätze auf ihren Einsatz. Ein aktuelles Lieblingsstück hat Klassen nicht, aber jede Menge Anekdoten kann sie erzählen: Einmal habe ein junger Mann ein Teeservice entdeckt, das auch seine Oma hatte, und es zum Andenken erworben. Ein Ehepaar habe einen versilberten Leuchter gekauft - es hatte an seinem silbernen Hochzeitstag einen Ausflug nach München gemacht. "Der Leuchter war davor vielleicht verstaubt in einem Keller und ist jetzt ein Erinnerungsstück."
Eine der wertvollsten Spenden, die Klassen in ihrer Zeit bei Oxfam erlebt hat, war ein Füllfederhalter von Mont Blanc, mit Goldfeder und Diamant auf dem Clip. "Wir dachten, den verkaufen wir hier nie", sagt die 74-Jährige und lacht. Doch es gab mehrere Interessenten, der Füller ging für einen vierstelligen Preis über die Theke. Auch Kuriositäten finden neue Liebhaber: Klassen erinnert sich an eine Kuckucksuhr, aus der anstelle eines Vogels eine muhende Kuh heraussprang.
"Etwas sinnvolles machen für Mitmenschen und Umwelt": Oxfam-Ehrenamtliche zu ihrem Engagement
Langweilig wird es der Ehrenamtlichen nie. Schon seit 2015 ist sie im Laden in der Türkenstraße tätig. Nach dem Renteneintritt war sie auf der Suche nach einer Aufgabe, sagt die ehemalige LMU-Dozentin für Geowissenschaften. "Ich wollte etwas Sinnvolles machen für meine Mitmenschen und die Umwelt." Das Oxfam-Konzept erschien ihr optimal: Man helfe Bedürftigen, leiste einen Beitrag zum Klimaschutz und gebe Menschen die Möglichkeit, sich von alten Dingen zu trennen - eine "Win-Win-Win-Situation".
Das ehrenamtliche Team ist gemischt, besteht aus vielen Rentnern, aber auch Studierenden oder vereinzelten Berufstätigen, die samstags mithelfen. "Wir haben eine gute Atmosphäre."
Klassen freut sich immer über neue Kollegen. Gerade sind mehrere Läden dringend auf der Suche nach Ehrenamtlichen, neben dem in der Maxvorstadt auch der in Haidhausen. Wichtig ist Klassen, dass man länger dabeibleibt. Denn zur Bewertung der abgegebenen Waren braucht man eine gewisse Expertise, die man mit der Zeit entwickelt - dann kann man mithelfen, dass alte Dinge ein neues Leben bekommen.