"Herzstück des Underground": Stadt will Kult-Bürgerpark in München erhalten

Bogenhausen - Er ist unter anderem Heimat für die Texas Boys, den deutschen Luftkissen-Fahrclub, einen interkulturellen Gemeinschaftsgarten, Ateliers, Proberäume, Schützen- und Gesangsvereine, ein minikleines Theater und den legendären Konzertschuppen "Kafe Kult": der Bürgerpark Oberföhring. Seit bald vierzig Jahren schlägt dort das subkulturelle Herz der Stadt München.

Eigentlich wäre aber Ende 2025 Schluss damit: Dann läuft die aktuelle, auf zehn Jahre befristete Bau- und Nutzungsgenehmigung der Stadt aus. Im Zweiten Weltkrieg war dort ein Luftwaffenlazarett, nach dem Krieg bis 1984 war es das Krankenhaus Oberföhring.
Bürgerpark Oberföhring gerettet: Das sind die Pläne der Stadt
Dann haben sich Künstler und Kreative die leerstehenden Baracken und Bunker "angeeignet", wie es auf Amtsdeutsch offiziell heißt. Und sind geblieben. Die Stadt hat schon früh entschieden, diese "Aneignung" zu tolerieren, ja sogar zu unterstützen und die kulturellen Nutzungen beizubehalten. Problematisch aus städtischer – und insbesondere baulicher Sicht – waren aber immer die alten Baracken, die die Künstler nutzen, wie zum Beispiel das "Kafe Kult".

Beim Besuch vor Ort trifft die AZ Robert Weinelt und Sophie Neudecker, beide Musiker und Teil des etwa zehnköpfigen Vereins, der basisdemokratisch das "Kafe Kult" betreibt. Sie sprechen darum aus persönlicher Sicht, nicht für den ganzen Laden.
Online-Petition mit über 4.700 Unterschriften fordert Erhalt des Bürgerparks
Immer wieder drohte dem Bürgerpark das Ende, in den vergangenen Monaten und Wochen wurde die Angst unter den Nutzern noch einmal größer, dass Ende 2025 alles platt gemacht werden könnte. Eine Online-Petition, die sich dagegen wehrt, hat in den letzten Wochen im Nu über 4.700 Unterzeichner gefunden. Das wurde in ganz München gehört: "Ich war selber sehr überrascht, habe auch angefangen das zu teilen und dann war es überall in Social Media. Das fand ich echt krass und dann waren auch plötzlich alle sehr engagiert", sagt Neudecker.
Ein Ende des Bürgerparks schien möglich, wenn auch nicht vorstellbar.

Wie nun aber das Kulturreferat auf AZ-Anfrage klarmacht, soll der Bürgerpark erhalten bleiben, und zwar möglichst so, wie er jetzt ist und mit diesen Nutzern. Das geht aus der Beschlussvorlage hervor, die das Referat am 21. September dem Kulturausschuss zur Abstimmung vorlegen wird. Am 1. August hat es den Entwurf dazu bereits im Bezirksausschuss Bogenhausen vorgestellt, der den Plan unterstützt.
Lösung gefunden, aber die Nutzer wissen noch nichts davon
Der ist allerdings kompliziert, neben dem Kulturreferat sind auch das Baureferat, das Kommunalreferat, das Referat für Bildung und Sport, das Sozialreferat und die Lokalbaukommission daran beteiligt. Wie aus dem Kulturreferat zu hören ist, hat es der Referent Anton Biebl (parteilos) geschafft, sie alle davon zu überzeugen, dass ein Erhalt des Bürgerparks möglich gemacht werden sollte.

Der Plan sieht vor, eine Machbarkeitsstudie durchzuführen. Die beinhaltet eine Bestandsaufnahme der aktuellen Nutzungen und schaut deren Platzbedürfnis an. Sie soll auch in Betracht ziehen, wie der Baumbestand und die vielen schützenswerten Tiere erhalten bleiben können, die es sich in dem Park gemütlich gemacht haben. Die alten Baracken wurden immer wieder behelfsmäßig saniert, dabei sind auch die Nutzer sehr engagiert. Sie haben aber laut der Vorlage dennoch "das Ende ihres Lebenszyklus erreicht beziehungsweise überschritten".
Die Studie soll nun aufzeigen, welche Teile bestehen bleiben können, welche ersetzt werden müssen und wo dann alternative Standorte auf dem Gelände sein könnten. In Betracht gezogen wird auch, dass gewisse Nutzer zeitweise in Container umziehen müssten, während Arbeiten verrichtet werden.
"Dauerhafte Sicherung" des Bürgerparks in Aussicht
Von den verschiedenen Varianten soll dann eine die Basis für eine konkrete Neuplanung des Bürgerparks werden, die eine "dauerhafte Sicherung" des Parks aufzeigt, so wie er jetzt genutzt wird.

Bürgerpark-Nutzer sind skeptisch, aber erleichtert
Nun mit dieser frohen Botschaft konfrontiert, reagieren Weinelt und Neudecker vom "Kafe Kult" erwartungsgemäß skeptisch: Sie haben vonseiten der Stadt noch nichts von diesen Plänen gehört, sind immer noch dabei, Unterschriften für ihren Bürgerpark zu sammeln. Trotzdem freuen sie sich natürlich: "Es zeigt, dass es sich lohnt, auf sich aufmerksam zu machen", sagt Weinelt. "Und dass es vonseiten der Stadt ein berechtigtes Interesse gibt, diesen Ort zu erhalten".
Für viele sei der Bürgerpark "eine Art Zuhause", sagt die Musikerin und Konzertorganisatorin Sophie Neudecker, die im Bürgerpark probt, seit sie 13 Jahre alt war. Es sei ein "Freiraum für ganz verschiedene Menschen".
Das Votum der Stadt für den Bürgerpark ist zwar deutlich, trotzdem ist mit der Machbarkeitsstudie erstmal noch nicht klar, wie das dann konkret aussehen wird. Für die kommende Zeit wünschen sie sich "Transparenz und gute Kommunikation", sagt Weinert. "Dass die Bürgerpark-Parteien auf dem Laufenden gehalten werden."

Beim Spaziergang durch den Park trifft die AZ Herbert, gemütlich im Schatten eines Baums sitzend, dort, wo der interkulturelle Gemeinschaftsgarten anfängt. Seit 1993 sei er im Bürgerpark, schon oft habe es geheißen, dass bald das Ende kommen könnte. "Im Frühjahr ist immer Panikmache", sagt er. "Aber diesmal war es ärger". Er freue sich sehr, denn der Bürgerpark sei einzigartig, "ein kleines eigenständiges Dorf". Außerdem brauche es in dieser Gegend einen Ort, wo die Leute hingehen können, so viel gebe es da nicht und wenn, dann eher hochpreisig.

Künstlerin Stephanie Müller: Bürgerpark ist "Herzstück des Undergrounds"
Seit den Neunzigerjahren ist auch die Münchner Künstlerin Stephanie Müller (auch bekannt als "Rag Treasure") im Bürgerpark aktiv. "Für mich ist der Bürgerpark vor allem ein Herzstück des Undergrounds", sagt sie und freut sich sehr über die Nachricht, dass die Stadt ihn erhalten will. "In München braucht es Räume wie den Bürgerpark, in denen sich Menschen gemeinsam erfinden können – ohne Vorgaben, einfach Ausprobieren, einen Fehler machen, alle Fehler machen, weitermachen".
Die Feierwerk Fachstelle Pop (gefördert von der Stadt München) betont, wie wichtig der Bürgerpark für die Münchner Szene ist: "Solche Orte sind – wie auch in diesem Fall – stark von Verdrängung bedroht und finden oft keine Ausweichquartiere. Umso wichtiger wäre es, nachhaltige Lösungen zum Erhalt (und auch zur Neuschaffung) dieser und ähnlicher Kulturräume zu finden. Clubs sind genauso Kulturorte wie Theater und Museen und sollten deshalb geschützt werden. Davon würde unsere kulturell sehr vielfältige und dynamische Stadtgesellschaft stark profitieren."
Stadtrat entscheidet: Bürgerpark soll erhalten bleiben
Jetzt liegt der Ball beim Stadtrat und der hat nun am Donnerstag, 21. September einen deutlichen Vorentscheid gefällt: Der Kulturausschuss hat einstimmig den Plänen zur Erhaltung zugestimmt, nicht zuletzt, weil die Unterschriftensammlung mächtig Eindruck gemacht hat. "Wir möchten dieses Kultur- und Naturbiotop erhalten und mit den Beteiligten zukunftsfähig weiterentwickeln", sagt der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) dazu. "Denn München braucht solche Freiflächen für Vereine, Initiativen, Kunst und Kreativität.“
Den endgültigen Beschluss fällt dann der Stadtrat in der Vollversammlung am 4. Oktober – und es ist davon auszugehen, dass er positiv ausfallen wird. Dann gilt es vor allem für die aktuellen Nutzer, genau zu schauen wie die Stadt den Bürgerpark erhalten will und was das für die gewachsenen Strukturen vor Ort bedeutet.