Hebammen haben im Rotkreuzklinikum das Sagen: Ein Kreißsaal ohne Arzt

Das Rotkreuzklinikum in München schafft einen Hebammenkreißsaal. Was bedeutet das und wie funktioniert der neue Kreißsaal?
von  Christina Hertel
Hier noch in ihrem alten Kreißsaal: Chefärztin Ina Rühl (in blau) und die Hebammen aus dem Rotkreuzklinikum mit Mechthild Hofner vom Bayerischen Hebammen-Landesverband (rechts).
Hier noch in ihrem alten Kreißsaal: Chefärztin Ina Rühl (in blau) und die Hebammen aus dem Rotkreuzklinikum mit Mechthild Hofner vom Bayerischen Hebammen-Landesverband (rechts). © Sigi Müller

Neuhausen-Nymphenburg - Könnte man in Ina Rühls Kopf schauen, würde man da einen fertigen neuen Kreißsaal sehen. Mit einem Pool, Sessel, Bett, Ball und mit "viel guter Atmosphäre", wie Ina Rühl sagt. Weil man das freilich nicht kann, steht man in einem Zimmer, das aussieht wie Zimmer in Krankenhäusern eben aussehen – nur größer. "Die Steckdosen, die ganze Technik wollen wir hinter Paneelen verstecken", sagt Rühl.

Sie ist die Chefärztin der Geburtshilfe am Rotkreuzklinikum. Den Raum, den die Ärztin der AZ in der Frauenklinik an der Taxisstraße zeigt, wird sie – im Idealfall – in ihrem Alltag nicht betreten. Denn hier entsteht Münchens erster Hebammen geleiteter Kreißsaal. Ärzte sind hier nicht dabei, wenn Babys auf die Welt kommen. Dafür zwei Hebammen.

Rotkreuzklinikum in München: Das Rathaus hat sich den Kreißsaal gewünscht

Grüne und SPD haben sich so einen Kreißsaal für München schon lange gewünscht. Sogar in ihrem Koalitionsvertrag haben sie ihn versprochen. Allerdings wurde das Konzept an den städtischen Kliniken auch aufgrund der angespannten Personalsituation als schwierig umzusetzen eingeschätzt.

Am Donnerstag gab Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek (SPD) die gute Nachricht bekannt: Das Rotkreuzklinikum an der Taxisstraße, das von einer Schwesternschaft getragen wird, bekommt einen Hebammenkreißsaal.

Zu dem Konzept gehört, dass sich eine Hebamme um eine Gebärende kümmert und dass sich beide schon von mehreren Sprechstunden kennen. "Je länger man die Frau kennt, desto höher ist das Vertrauen und desto wahrscheinlicher ist es, dass es mit einer natürlichen Geburt funktioniert", sagt Annemarie Wolf, die den neuen Kreißsaal leiten wird.

Sie arbeitet seit über 20 Jahren als Hebamme, zehn Jahre lang hat sie vor allem Hausgeburten betreut. Im neuen Kreißsaal soll die Atmosphäre so sein wie in einem Geburtshaus, nur sicherer. Denn die Ärzte sind gleich um die Ecke.

So funktioniert der Hebammenkreißsaal: Ärzte nur da, "wenn etwas nicht klappt"

Jahrelang habe sie für den Hebammen geleiteten Kreißsaal gekämpft, sagt Chefärztin Ina Rühl. "Eine natürliche Geburt ist das Normale. Wir Ärzte sind dafür da, zu helfen, wenn etwas nicht klappt."

"An ihr ist eine Hebamme verlorengegangen", flüstert Annemarie Wolf. Allerdings trägt Rühl nun auch ein Risiko: Die Hebammen am Rotkreuzklinikum arbeiten alle selbstständig. Gehe etwas schief, hafte sie deshalb persönlich, sagt Rühl.

Draufzahlgeschäft Kreißsaal? Die Hebammen verdienen jetzt weniger

Auch für die Hebammen ist der neue Kreißsaal ein Draufzahlgeschäft. Denn für eine Geburt würden sie nur einen Stundenlohn von 40 Euro erhalten. Minus Steuern blieben etwa 15 Euro, rechnet Sylvia Kiel vor, die den Hebammenkreißsaal stellvertretend leiten soll. Normalerweise betreuen Hebammen mehrere Frauen gleichzeitig und können dementsprechend mehr verdienen. Rühl glaubt auch, dass der Kreißsaal für ihr Klinikum erst einmal ein Verlustgeschäft wird.

Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek und Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) freuen sich in Pressemitteilungen zwar über das neue Angebot. Mehr Zuschüsse als die, die das Klinikum ohnehin bekommt, vergab die Stadt aber bis jetzt nicht.

Fragen zum Kreißsaal können Schwangere ab 15. Juli unter vzg.taxisstrasse@swmbrk.de oder unter 089/1303-39882  stellen.

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