Das sind die neuen Ideen für das abgebrannte Timofej-Kirchlein im Olympiapark München

Vor einem Jahr ist das historische Timofej-Kirchlein abgebrannt. Architekturstudierende schlagen vor, wie die neue Mitte der grünen Oase aussehen könnte.
Helena Ott |
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Lucas Trischler (21) und Emma Seidel (22) mit ihrem Entwurf "Friedenstempel". Das Modell ist per Hand aus Holz und Blech gebaut.
Lucas Trischler (21) und Emma Seidel (22) mit ihrem Entwurf "Friedenstempel". Das Modell ist per Hand aus Holz und Blech gebaut. © Hannes Magerstädt

München - Versteckt hinter üppigem Grün und blühendem Flieder führt ein offenes Gartentor in eine grüne Oase. Eine Enklave auf dem staubigen Gelände, wo das Sommer-Tollwood zuhause ist. Darauf verteilt: zwei weiße Häuschen mit türkisem Blechdach und eine Kapelle. Neben den Kieswegen wachsen Zwerghyazinthen, Tulpen und Maiglöckchen. Es ist ein Idyll.

Aber in der Mitte klafft eine Lücke, mit einem riesigen Haufen schwarz-angesengtem Schutt. Bis Juni 2023 stand hier das Timofej-Kirchlein. Der russisch-orthodoxe Eremit Timofej Prochorow hat es 1952 ohne Geld und Baugenehmigung aus Weltkriegsschutt gezimmert.

Wie in japanischen Teehäusern trennt durchscheinendes Papier die beiden Wandelgänge in diesem Entwurf.
Wie in japanischen Teehäusern trennt durchscheinendes Papier die beiden Wandelgänge in diesem Entwurf.

Neue Ideen für das abgebrannte Timofej-Kirchlein: Was Architektur-Studierende vorschlagen

Die ersten Ideen, was anstelle der schwarzen Brandreste treten könnte, präsentieren nun 32 Studierende vom Lehrstuhl für Architektur der Technischen Universität (TUM). Zur Eröffnung der Ausstellung haben sie Kommilitonen, Familie und Freunde dabei. Ihre Ideen stellen sie im alten Bunker in der Blumenstraße aus.

Oder soll das wieder aufgebaute Kirchlein so ausschauen?
Oder soll das wieder aufgebaute Kirchlein so ausschauen? © Hannes Magerstädt

Was könnte auf den selbstgebauten Schwarzbau folgen? Darüber haben die angehenden Architekten debattiert und ihre Interpretationen gezeichnet. Herausgekommen sind 16 Entwürfe und selbst gebaute plastische Modelle.

Ein Modell der Ost-West-Friedenskirche, wie sie Timofej Prochorow 1954 am Oberwiesenfeld gebaut hat.
Ein Modell der Ost-West-Friedenskirche, wie sie Timofej Prochorow 1954 am Oberwiesenfeld gebaut hat. © Hannes Magerstädt

Warum da nach dem Brand des Kirchleins überhaupt wieder etwas hin soll? Die Ost-West-Friedenskirche - so ihr offizieller Name - und der grüne Weiler haben bis heute viele Fans. Und deren besondere Entstehung ist längst ein Stück Stadtgeschichte.

Alt-OB Ude: War schon als keiner Bub zu Besuch bei Timofej

Das kann Alt-Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) am besten erzählen, er hatte "Väterchen Timofej" schon als kleiner Bub besucht. "Durch eine Art Gebetsblockade mit seinen Unterstützern" habe es der Eremit damals geschafft, die Räumungsverfügung zu stoppen. Die Reitsportanlage für die Olympischen Spiele musste schließlich nach Riem ausweichen.

Die Studierenden haben viele sehr unterschiedliche Vorschläge gemacht.
Die Studierenden haben viele sehr unterschiedliche Vorschläge gemacht. © Hannes Magerstädt

"Am Anfang dachten wir: Was, wenn da jetzt 16 mehr oder weniger gleiche Kapellen rauskommen?", sagt Katharina Haas. Sie sei selbst überrascht von der Vielfalt: Vom ausfahrbaren Ziehharmonika-Raum, zu einem Gewächshaus mit Hochbeeten, über ein Karussell bis zum orientalisch-anmutenden Blechtempel.

Entwurf für neues Timofej-Kirchlein: "Ort, an dem man zur Ruhe kommen kann"

Der Entwurf von Emma Seidel (22) und Lucas Trischler (21) hat als Grundriss ein dickes Plus mit symmetrischen Seiten. Die Fassade ist aus türkisem Blech, läuft nach oben Spitz zu. Es gibt nur schmale Fenster nach draußen. "Es soll ein Ort sein, an dem man in sich zur Ruhe kommen kann", sagt Seidel. "Wo man sich hinsetzen kann, zum Nachdenken oder Meditieren."

Das Modell der Architekturstudierenden Lucas Trischler und Emma Seidel.
Das Modell der Architekturstudierenden Lucas Trischler und Emma Seidel. © Hannes Magerstädt

Im Gegensatz zum Kirchlein sind die studentischen Entwürfe nicht voller Kreuze und Heiligenikonen. Es soll, so habe es sich Timofej vor seinem Tod gewünscht, ein Ort für alle sein, egal ob gläubig oder nicht. "Ein Ort des Friedens und der Begegnung", wie Christian Ude sagt.

Ein Vorschlag mit vielen bunten Elementen.
Ein Vorschlag mit vielen bunten Elementen. © Hannes Magerstädt

Ein weiteres Modell zeigt einen Turm aus Hunderten, einzeln ausgesägten Specksteinen, oben eine kreisrunde Luke aus buntem Glas. Für die Modelle haben die meisten Teams zwei Wochen in der Werkstatt verbracht. Im Ausstellungsraum sind an dicken türkisen Fäden weiße Schautafeln mit Erklärungen und Zeichnungen abgehangen. Alles ist liebevoll arrangiert. Viele Details, wie die silbernen Folien, erinnern an die verspielte Timofej-Welt im südlichen Olympiapark.

Alt-OB Christian Ude und Galeristin Nicola Borgmann.
Alt-OB Christian Ude und Galeristin Nicola Borgmann. © Hannes Magerstädt

Alt-OB Ude:  "Timofej war der erfolgreichste Hausbesetzer der Stadt"

Im ersten Stock zeigen die Studierenden Fotos des Eremiten beim Bau des Kirchleins – mit seiner Frau Natascha auf dem Dach. Und Besucher erfahren, wie Timofej für sein Kirchlein ausgerechnet den Fuß am Schuttberg des Oberwiesenfelds ausgesucht hat.

Ein Teil der bewegten Geschichte der Ost-West-Friedenskirche im Olympiapark.
Ein Teil der bewegten Geschichte der Ost-West-Friedenskirche im Olympiapark. © Hannes Magerstädt

Das Publikum drängt sich jetzt im ersten Stock zusammen. Christian Ude steht am Mikrofon. "Timofej war bis heute der erfolgreichste Hausbesetzer der Stadt". Die bayerische Polizei verfolge seit jeher das Ziel, jede Hausbesetzung innerhalb von 24 Stunden aufzulösen. Bei Timofej habe das 70 Jahre nicht geklappt. An die Studierenden gerichtet, klingt es wie eine Verheißung, nach dem Motto: Traut euch was und gebt nicht zu viel auf Bauvorschriften.


Die Ausstellung ist vorerst bis 30. April täglich von 14 - 18 Uhr in der Blumenstraße 22 zu sehen.

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2 Kommentare
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  • Gelegenheitsleserin am 29.04.2024 11:07 Uhr / Bewertung:

    Unabhängig davon, was man von Väterchen Timofej und seinem Schwarzbau (und dem Umgang der Behörden damit) hält - die Kreativität der Architekturstudenten beeindruckt mich.

  • Lackl am 27.04.2024 23:52 Uhr / Bewertung:

    Ich finde nicht, dass auf Kosten der Steuerzahler ein Denkmal errichtet werden soll, für eine Person die sich illegal ein Grundstück angeeignet hat und sich sein Leben lang über die Sozialkasssen finanzieren hat lassen. Und wenns noch so ein Spezl eines früherenOBs war. Sollen seine Freunderln sowas, wenn übeerhaupt finanzieren. Eine kleine Gedenktafel auf dem öffentlichem Grund täts, wennüberhaupt auch.

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