„Das ist doch besser, als wenn es stirbt!“
MÜNCHEN - Babyklappe und anonyme Geburt. Wo verzweifelte Mütter Hilfe finden können
Schwester Daniela seufzt. „Wenn die Mutter doch nur die Kraft gehabt hätte, zu uns zu kommen!“ Und: „Es waren doch nur ein paar Kilometer,“ sagt sie zur AZ. Der Fall des toten Babys von Haidhausen nimmt die Münchner mit. Und die Ordensfrau ganz besonders. In St. Gabriel an der Wolfratshauser Straße ist sie für die Babyklappe zuständig.
„Lebenspforte“ heißt die Einrichtung hier im Münchner Süden, eine von zwei in der Stadt. Frauen können hier ihr ungewolltes Neugeborenes abgeben: „Es ist doch besser, als wenn es stirbt!“, sagt Schwester Daniela. Am 10. Oktober sind es zehn Jahre, dass die Einrichtung in München existiert. Wie oft ist die Babyklappe denn genutzt worden seitdem? „Das erzähle ich Ihnen nicht“, sagt Schwester Daniela mit Nachdruck. Im „einstelligen Bereich“ lägen die Fälle, lässt sie sich entlocken.
Es gibt auch Kritik an den Babyklappen. Sie hätten die Zahl der ausgesetzten Babys nicht reduziert, sagen die Kinderschützer von Terre des Hommes. „Aber wenn wir nur ein Leben gerettet haben, dann hat sich der ganze Aufwand gelohnt“, sagt Schwester Daniela. Dem schließt sich Hedrun Kaspar vom Münchner Kinderschutzbund an.
Die Mütter sollen anonym bleiben
Ein Wärmebettchen wartet hinter einer Klappe. Nach einer zeitlichen Verzögerung klingeln in St. Gabriel vier Telefone, die Schwestern nehmen sich des Kindes an. Acht Wochen lang kann sich die Mutter überlegen, ob sie das Kind nicht noch zurückholt. Aber Details will Schwester Daniela nicht nennen. Es ist eine gesetzliche Grauzone. Es ist verboten, ein Kind auszusetzen. „Die Mütter sollen anonym bleiben“, sagt die Schwester, und: „Ich will über keine den Stab brechen. Wir haben Mütter aus allen Schichten, und es sind auch nicht nur die Jungen, die kommen.“ Manche geben ihr Kind auch selbst ab. „Und noch nie ist eines in der Nacht gebracht worden.“
Eines ist Schwester Daniela ganz wichtig: „Das sind keine Rabenmütter, das sind sehr verantwortungsvolle Frauen. Sie wollen, dass ihr Kind lebt.“
Dass ihr Kind lebt, wollen auch Mütter, die ihr Kind anonym zur Welt bringen. Seit zehn Jahren gibt es in Bayern das „Moses-Projekt“ der kirchlichen Stiftung „Donum Vitae“. Auch Gründerin Maria Geiss-Wittmann ist entsetzt über den Münchner Fall. Auch sie will die Mutter nicht verurteilen. „Sie hat die Schwangerschaft geheimgehalten, das Kind allein geboren. Und plötzlich schreit es, das Baby ist der Verräter – das ist ein Schock fürs Leben“, sagt sie.
„Hätte die Mutter unsere Nummer gehabt, hätte das nicht passieren müssen. Dann hätte sie eine Beratungsstelle erreicht, wir hätten sie auf unsere Kosten untergebracht, ärztlich beraten und alle Kosten für die Geburt übernommen“, sagt Geiss-Wittmann. Dann kann sich die Mutter entscheiden, ob sie das Kind zur Adoption freigibt.
Das Baby als Verräter
Auch Geiss-Wittmann beklagt das Fehlen eines gesetzlichen Rahmens. „Wir dürfen nicht für uns werben.“Die aktuelle Lage ist absurd: „Für ein ausgesetztes Kind zahlt der Bezirk. Für ein anonym geborenes nicht.“
Geiss-Wittmann sagt: „In Bayern hatten wir 30 anonyme Geburten in sieben Jahren“, mehr Details verrät sie nicht, auch sie will den Frauen „Anonymität und Sicherheit“ bieten. Und sie verweist auf eine Besonderheit: Zehn der 30 Mütter hätten sich nach der anonymen Geburt doch für das Kind entschieden. Sie nahmen das Baby wieder mit.
Matthias Maus
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