"Das hat mir nie jemand gesagt": Wenn Krankenkassenbeiträge zur Last werden

München - "Das hat mir nie jemand gesagt!" Diesen Satz sagt Anne Kexel im Gespräch mit der AZ immer wieder. Die 76-jährige Münchnerin ist geschockt. Zum wiederholten Mal hat ihre private Krankenversicherung ihre Beiträge erhöht. "Ich bin damit unter der Grenze für Altersarmut", so Kexel.
Beitrag hat sich mehr als verdoppelt
Seit ihrer Jugend sei sie bei der Allianz privat versichert, ihr ganzes Leben lang war sie als Lehrerin, aber nicht Beamtin, berufstätig. Vor zehn Jahren ging sie in den Ruhestand, engagiert sich nun in der Seniorenvertretung von Moosach.
In all den Jahren habe es immer wieder mal Erhöhungen der monatlichen Beiträge gegeben, erzählt die Seniorin. Mal 20, 30 oder auch 40 Euro. Das sei so lange auch kein Problem gewesen.
Vor zwei Jahren dann aber kam eine Erhöhung von 80 Euro, da wurde es schon schwierig. Und nun, seit 1. Januar dieses Jahres, muss die Seniorin noch einmal 90 Euro im Monat mehr bezahlen.
"Mein Beitrag hat sich in zehn Jahren mehr als verdoppelt", sagt Kexel. 650 Euro muss sie nun im Monat berappen. Für eine Rentnerin schwer zu stemmen.
Individuelle oder gesetzliche Anpassung?
Was sagt der Versicherer dazu? Susanne Kluge, Sprecherin der Allianz erklärt auf AZ-Anfrage, die Allianz habe die Krankenversicherungsbeiträge für 2023 im Schnitt um gut drei Prozent angepasst. Die individuelle Anpassung könne davon abweichen.
Wann Beiträge angepasst, sprich erhöht werden müssen, sei vom Gesetzgeber vorgeschrieben und werde von einem unabhängigen Treuhänder überprüft, so Kluge. Versicherer müssten ihre Tarife jährlich überprüfen, so solle sichergestellt werden, dass Einnahmen und Ausgaben im Einklang stehen.
Den größten Einfluss auf die Beitragsentwicklung habe die Medizin, also höhere Ausgaben für eine immer bessere medizinische Versorgung. Bei der Erhöhung gibt es aber noch ein weiteres Detail, das Anne Kexel – neben der Sorge um ihre gestiegenen Beiträge - ganz allgemein umtreibt.
Nur Frauen von der aktuellen Erhöhung der Beiträge betroffen
Wie sie festgestellt hat, seien von der aktuellen Erhöhung nur oder vor allem Frauen betroffen. "Wie kann das sein?", fragt sie. "Werden Frauen hier diskriminiert? Gilt das Gleichstellungsgesetz, das wir in Deutschland haben hier etwa nicht?"
Beitragsanpassungen nur für Männer oder Frauen? Susanne Kluge erklärt, das gibt es tatsächlich. "Bis zum 21. Dezember 2012 mussten in der Versicherungswirtschaft, vor allem der Lebens- und Krankenversicherung, Kunden über geschlechtsabhängig kalkulierte Tarife, sogenannte Bisex-Tarife, versichert werden. "Dies war aufsichtsrechtlich so vorgeschrieben", so Kluge.
Geschlechtsspezifische Tarife diskriminieren Frauen
Begründet worden sei das etwa mit einer höheren Lebenserwartung von Frauen, und spezifischen Bedarfen wie Schwangerschaft und Geburt. "Unisex-Tarife" mit geschlechtsunabhängigen Beiträgen gebe es erst seit dem 21. Dezember 2012.
Diese seien seitdem die einzige Option für Neukunden. Wer schon zuvor in einem Bisex-Tarif versichert war, für den ändere sich nichts, so Kluge. "Diese Tarife werden weiterhin geschlechtsspezifisch kalkuliert und es kann unterschiedliche Beitragsanpassungen bei Frauen und Männern geben."
Und wie geht es jetzt weiter? Ab 55 Jahren kann man nicht mehr in die gesetzliche Krankenkasse wechseln. Kluge erklärt, Versicherte, die sich ihre Beiträge nicht mehr leisten können, hätten die Möglichkeit, in günstigere Tarife mit entsprechend niedrigeren Leistungen zu wechseln.
Alternativ gebe es "brancheneinheitliche Sozialtarife", deren Leistungen denen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen. Zuletzt bleibe natürlich auch die Option beim Sozialamt oder Jobcenter Grundsicherung oder eine Beihilfe zur privaten Krankenversicherung zu beantragen.
Private Krankenversicherung: Beiträge hängen vom Gesundheitszustand ab
Tatsächlich, so sagt auch die Allianz-Sprecherin, müsse es Versicherten klar sein, dass die Beiträge zur privaten Krankenversicherung nicht wie bei der gesetzlichen vom Einkommen, sondern vom Gesundheitszustand und Alter beim Eintritt abhängen. "Es ist wichtig, dass man das bei seiner Finanzplanung berücksichtigt und entsprechend Vorsorge trifft", so Kluge.
Anne Kexel will, dass wenigstens andere von ihren Erfahrungen profitieren können: "Ich möchte, dass die jungen Menschen erfahren, was einem da passieren kann. In jungen Jahren ist das kein Problem, aber wenn man in Rente geht, dann kommt das böse Erwachen."
Die Seniorin weiß nun noch nicht genau, wie sie ihre Situation mit der Allianz lösen kann. "Ich kann nur immer weiter reduzieren", sagt sie. "Aber vor weiteren Erhöhungen würde mich das auch nicht schützen." Sie hoffe, dass sie so wenigstens andere warnen könne, "dass es ihnen nicht so ergeht".