Das große Baggern am Kaiserbecken

Hochsommer-Saison: Urlaub in München und ein Kopfsprung ins kühle Nass: Die AZ testet die Münchner Freibäder. Heute: Das Ungererbad.
Ein bisschen ist es hier wie im Theater – bei dem man aber selbst ein Teil der Handlung wird. Sehen und gesehen werden, sich schon ein wenig präsentieren – so kann man das bunte Publikum des Ungergerbades charakterisieren. Drei Becken stehen auf dem 45 000 Quadratmeter großen Areal zur Verfügung. Um das große Kaiserbecken räkeln sich hübsche Bikini-Nixenund braun gebrannte Bodybuilder.
Kaum jemand interessiert sich hier für die Büste des Namensgebers Kaiser Wilhelms I., die in einer Pflanzengruppe ihr historisches Dasein fristet. Alle sind entspannt – auch Stammgast Georg (43). „Die Atmosphäre ist sehr locker. Manche kommen auch nur mal so vorbei, um zu schauen“, hat er beobachtet. Auf seinem italienischen Strandstuhl hat er es sich dicht am Wasser bequem gemacht.
Flirtfaktor hoch
„Das Bad liegt halt wunderschön mit viel Grün mitten in der Stadt und ist sehr gut erreichbar“, schwärmt Georg. Früher sei mehr Szene-Volk aus Schwabing hier gewesen. Heute treffe man aber auch immer mehr Touristen. „Und heute lassen sich die Mädels hier nicht mehr so sehr von den älteren Herren einlullen“, weiß der Kenner aus Freimann. Auf der Liegewiese versuchen gerade die Mittzwanziger Lucio, Antonio, Olli und Frank bei den beiden Georgierinnen Sophia und Irina zu landen.
Der Angestellte Olli (23) hält sich fürs Ungerer körperlich fit. „Man sollte schon ins Fitnessstudio gehen“, sagt er. Die Jungs sind aber nicht nur zum Mädels anbaggern hier. Auch Fußballspielen,Sonnen und Eis essen ist gefragt – einfach relaxen und den Sommer genießen. Doch jetzt sind die beiden hübschen Georgierinnen erst mal das Objekt der Begierde.
„Es ist ein schönes, supersüßes Freibad... ."
Benannt ist das Freibad nach dem früheren Besitzer, dem Ingenieur August Ungerer (1860–1921). Dieser hatte 1886 extra die erste elektrische Straßenbahn Münchens bauen lassen, damit mehr Gäste in seine Badeanstalt kommen konnten. Bis 1895 fuhr diese Tram die rund 1200 Meter lange Strecke von der Münchner Freiheit bis vor die Pforten des damaligen „Herrenschwimmbades“. Doch die elektrische Bahn wurde dann durch die städtische Pferde-Tram ersetzt.
Passiert man das schmucke Garderobengebäude aus dem Jahr 1951, sind viele schnell in Urlaubsstimmung. Manch einer fühlt sich da wie in der guten alten Sommerfrische. Viele Bäume spenden Schatten. Vier kleine Holzbrücken verlaufen über die Würm, die mitten durch das Gelände fließt. Die Redakteure der Zeitschrift „Bravo“, Carolin (21), Dascha (20) und Sascha (27) sind heute zum ersten Mal im Ungerer. „Es ist ein schönes, supersüßes Freibad – aber die Rutsche ist zu harmlos“, lautet ihre Bilanz.
Mit stylischen Sonnenbrillen liegen die Drei etwas abseits vom Kaiserbecken. Dort ist ihnen zu viel „Theater“. Auf dem Rückweg zum Ausgang trifft man die Gruppe um Olli. Sie sind auf dem den Heimweg – konnten bei den Schönen wohl nicht landen. Sophia und Irina liegen jetzt alleine da. „Die waren schon nett, aber wir wollten unsere Ruhe“, sagt Sophia. – Auch kein Problem im Ungererbad.
Sebastian Müller
Freizeitmöglichkeiten
Drei Schwimmbecken, Erlebnisbecken mit Strömungskanal, Wasserpilz, fast 60 Meter lange Wasserrutsche, Sprunganlage mit Ein- und Drei-Meter-Brett. Note: 1
Liegewiese
45 000 Quadratmeter mit vielen Bäumen. Die coolen Leute hängen aber am großen Kaiserbecken ab und zeigen die stylischsten Sonnenbrillen Münchens. Note: 1
Sauberkeit
Zu Zeiten des Herren-Bades, als jeder eine komfortable Einzelumkleide hatte, ging es sicher sauberer zu. Im Herren-WC keine Seife und keine Papierhandtücher. Umkleide steht unter Wasser, eine Tür ist ausgehängt. Note: 4
Gastronomie
Idyllischer Biergarten im Schatten – mit Selbstbedienung und reichhaltiger Auswahl an kalten und warmen Speisen. Nicht ganz billig: Pommes mit Ketchup 2,50, Schweineschnitzel mit Salat 7 Euro, Haxe 5,90, 0,5 l. Helles oder Radler 3,10, Weißbier 3,30, 0,4 l Spezi 3 Euro, Apfelsaftschorle 3 Euro. Note: 2
Publikum
Schwabinger High Society und solche, die dazu gehören wollen, Familien am Kinderplanschbecken, viel Jungvolk beim Beachvolleyball. Note: 1
Flirtfaktor
Sexy Badenixen sollten gewarnt sein. Doch die Herren sind sehr nett und nicht aufdringlich. Fast überall können sich spontane Flirts ergeben. Note: 1
Besonderheiten
Open Air Kino am Pool noch bis zum 22. August. Tickets gibt’s zu 6 (Rasenplatz) und 8 Euro (Liegestuhl) ab 20.30 an der Abendkasse. Film ab heißt es dann, wenn es dunkel wird. Alle Filme und Infos unter www.kinoampool.de oder & 55 05 660.
Literaturempfehlung
„Die Badewanne. Schwabinger Grotesken“ von Ernst Klotz.
Musikempfehlung
„Schickeria“ von der Spyder Murphy Gang.