Das große Abschleppen im Glockenbachviertel

MÜNCHEN - Seit einer Woche tobt das allnächtliche Chaos in der Fraunhoferstraße: Dort parkende Autos werden ab 20.30 Uhr abgeschleppt – und kann dabei auch mal kaputt gehen. Was ist da bitte los?
Die Anwohner im Glockenbachviertel sind ja mehr als alles gewöhnt – aber das toppt selbst noch die wildesten Party-Gänger: Seit Montag herrscht in der Fraunhoferstraße das totale Chaos. Um exakt 20.30 Uhr geht der Wahnsinn plötzlich los. Orange-farbene Lichter, ein gewaltiger Bagger- und Baulärm, dazu schrille Sirenen, nerviges Gehupe und unzählige losjaulende Alarmanlagen der Autos locken alle aufgeschreckten Anwohner zwischen Müller- und Klenzestraße an ihre Fenster. Um Himmels Willen, was ist denn da draußen nur los?
Wer einen Blick aus dem Fenster wagt, traut seinen Augen kaum. Die Straße ist eine einzige Baustelle! Aufgeregte Bauarbeiter probieren Tram- und Autoverkehr zu regeln, um nebenbei die Trambahnschienen zu reparieren. Die Mitte der Straße ist aufgerissen, überall stehen Schilder, Warnhinweise und wild fuchtelnde Menschen in gelben Jacken herum.
Für die Anwohner und die draußen vorm Fraunhofer Wirtshaus stehenden Raucher könnte nicht mehr Action geboten werden. „Das ist ja besser als Fernsehen“, ruft ein Mann aus dem zweiten Stock. Die zwei Frauen über ihm machen es sich mit einer Flasche Rotwein am Fenster gemütlich und schütteln immer wieder ungläubig den Kopf.
Denn in all dem Chaos tauchen nun mehrere Abschleppwagen auf, die jedes parkende Auto in der Fraunhofer abschleppen. Gnadenlos. Kein einziges Auto wird verschont. Dazu muss man wissen, dass in der Fraunhofer wirklich sehr viele Autos parken.
Durch den großen Abschlepp-Irrsinn kommt der normale Verkehr jetzt überhaupt nicht mehr durch. Auf das Voll-Chaos folgt Voll-Stau. Der Fahrer der Tramlinie 27 lässt nach einer halben Stunde des Wartens alle Passagiere mitten auf der Straße heraus.
Der Höhepunkt des Abschlepp-Wahnsinns gipfelt darin, dass ein schwarzer Mercedes beim Abschleppen an der Baugrube in der Straßenmitte hängenbleibt und lautstark zu Bruch geht. Die Zuschauer des etwas anderen Groß-Events johlen und applaudieren.
So unfreiwillig komisch es sein mag, so konsequent wiederholt sich das allnächtliche Szenario. Bis zum 30. November dauern die offiziell so schön betitelten „Straßenunterhaltungsarbeiten im Gleisbereich der Trambahn“ noch an. Hunderte Autos werden bis dahin abgeschleppt worden sein. Die Stadt ist sich keiner Schuld bewusst. Auf AZ-Nachfrage heißt es, dass ja vier Tage vor Bau-Beginn Schilder darauf hingewiesen hätten. Ein Stadtwerke-Sprecher: „Im Halteverbotsbereich wurden nur Fahrzeuge entfernt, die die Bauarbeiten behindert haben.“ Also beinahe jedes?
Die Anwohner der restlichen Fraunhofer können sich freuen – der Abschlepp-Irrsinn, pardon: die Bauarbeiten sollen noch heuer bis zur Reichenbachbrücke fortgesetzt werden. Liebe Nachbarn, stellen Sie schon mal den Prosecco kalt.
Kimberly Hoppe