Das Grauen von Krailling

Die Mutter machte die grausame Entdeckung morgens um 5 Uhr: Ihre beiden Töchter Sharon und Chiara lagen tot in ihren Zimmern. Wer hinter der schrecklichen Tat steckt, ist noch völlig unklar:
von  va, rah
Sharon und Chiara wurden brutal ermordet. Die Leiche eines der beiden Mädchen wird abtransportiert.
Sharon und Chiara wurden brutal ermordet. Die Leiche eines der beiden Mädchen wird abtransportiert. © az

Die Mutter machte die grausame Entdeckung morgens um 5 Uhr: Ihre beiden Töchter Sharon und Chiara lagen tot in ihren Zimmern. Die Mutter hatte sich zuvor in einer nahe gelegenen Musikkneipe, in der sie auch arbeitet, den Auftritt einer Band angesehen. Wer hinter der schrecklichen Tat steckt, ist noch völlig unklar

Krailling -  Die Schwestern waren gerade so glücklich. Zusammen mit ihrer Mutter waren Sharon (11) und Chiara (8) am Montag bei einem Casting in München gewesen. Sie hatten sich als Synchronsprecherinnen für einen Trickfilm beworben – und die Rollen tatsächlich bekommen. Jetzt sind die
Mädchen tot.

Als Anette S. (41) am Mittwochmorgen von ihrem Freund nach Hause kam und nach ihren Mädchen sah, lagen sie ermordet in ihren Zimmern. Vom Täter fehlt bisher jede Spur.
Sharon und Chiara machte es nichts aus, abends mal alleine zu bleiben. Sie wussten, dass Anette S. nie weit weg von ihnen ist. Die allein erziehende Mutter hilft zweimal die Woche bei ihrem Freund Klaus P. in der nahe gelegenen Kneipe „Schabernack“ aus.

Meist passte dann die Oma auf die Schwestern auf. Am Mittwochabend waren sie allerdings ganz alleine. Anette S. hatte am Nachmittag noch einem Schulfreund ihrer Töchter Nachhilfe in Englisch gegeben. Um 17. 45 Uhr holte der Vater seinen Sohn ab. „Chiara und Sharon waren fröhlich, lachten und haben Späße gemacht“, berichtet er.

Die Mädchen waren aufgedreht wegen der Filmrolle, die sie bekommen hatten. „Eigentlich wollte sich nur Sharon bewerben“, erzählt ein Freund der Familie, „doch dann hat sich Chiara auch getraut und wurde prompt genommen.“

Sharon besuchte das Gymnasium in Gräfelfing, ihre Schwester ging noch zur Grundschule in Krailling (Kreis Starnberg). Ihre Eltern hatten sich bereits vor Jahren getrennt. „Sie haben ihren Vater regelmäßig gesehen“, berichten Freunden und Nachbarn, „sie waren eine glückliche Patchworkfamilie.“

Sven G. lebt in München. Der gelernte Kunstschreiner und Messebauer hat eine neue Familie gegründet.

Am Abend verabschiedete sich Anette S. von ihren Töchtern. Sie wollte ins nur 100 Meter entfernte „Schabernack“ gehen und sich den Auftritt einer Band ansehen. „Sie war gut gelaunt wie immer“, erzählt ein Freund. Nichts deutete daraufhin, dass die 41-Jährige Sorgen gehabt habe.

Sharon und Chiara wussten, dass ihre Mutter ganz in der Nähe war und wie sie sie im Notfall erreichen könnten. Damit die Mädchen keine Angst bekommen sollten, schloss die 41-Jährige die Wohnungstür nie ab. Eine Vorsichtsmaßnahme, falls es in dem alten Haus einmal brennen sollte.

Auch der Hauseingang war offenbar unversperrt. Das würde erklären, warum am Tatort keine Einbruchspuren gefunden wurden.
Gegen 5 Uhr machte sich Anette S. auf dem Heimweg. In der Wohnung sah sie als erstes nach ihren Töchtern – und fand dabei ihre Leichen.

Die Mädchen lagen in ihren Zimmern – ermordet. Nähere Details wollen Staatsanwaltschaft und Polizei aus ermittlungstaktischen Gründen derzeit nicht mitteilen. Nach AZ-Informationen wurden die beiden Schwestern erschlagen bzw. erstochen. Die Leichen wurden in der Gerichtsmedizin obduziert. Ob die Mädchen missbraucht worden sind, ist unklar.

Es gibt keine Hinweise auf den Täter – und keine Zeugen. „Wir haben nicht den geringsten Anhaltspunkt“, sagte ein Polizeisprecher. Am Donnerstagnachmittag machten Gerüchte in Krailling die Runde, Sven G., der Vater der Mädchen werde von der Polizei gesucht. Die Ermittlungsbehörden dementierten dies umgehend. Oberstaatsanwältin Andrea Titz: „Einen konkreten Tatverdächtigen haben wir noch nicht.“


Das Entsetzen ist beinahe mit Händen zu greifen. Mit Tränen in den Augen stehen Menschen vor dem Haus in der Kraillinger Margaretenstraße, in dem die beiden Mädchen starben. Fassungslos beobachten sie Polizei und Mordkommission bei der Spurensicherung am Tatort. Viele haben die Familie gekannt, waren mit der allein erziehenden Mutter und ihren beiden Töchtern befreundet.

Im Tiefflug kreiste bereits am frühen Morgen ein Polizeihubschrauber über dem Ort. Mancher ahnte da bereits, dass etwas Schreckliches passiert sein muss. Jogger, die an der Würm ihre Runden drehten, wurden von Polizisten gestoppt und befragt. Die Beamten wollen wissen, ob jemand etwas Verdächtiges beobachtet hatte. Doch niemandem ist etwas aufgefallen.

Wie ein Lauffeuer verbreitet sich die Nachricht von dem brutalen Doppelmord an zwei kleinen Mädchen durch Krailling. „Auf zwei so liebe und nette Mädchen kann man nur stolz sein“, sagt ein Nachbar erschüttert. „Wer ist zu so einem unmenschlichen Verbrechen nur in der Lage?“

Diese Frage stellen sich alle in der rund 7500 Einwohner zählenden Gemeinde. „Wir halten hier alle zusammen“, sagt ein Freund der Familie, „wir achten aufeinander und kümmern uns darum, wenn einer mal Probleme hat.“

Umso größer ist jetzt das Entsetzen, dass ausgerechnet in der Würmtal-Idylle so ein abscheuliches Verbrechen verübt worden ist. „Ich hätte nie gedacht, dass bei uns ein Mord passiert“, sagt eine Frau, selbst Mutter einer kleinen Tochter. Sie kennt Chiara aus der Grundschule.

Die Angst geht um in Krailling. Doch einen Mord traut man einem aus ihrer Mitte nicht zu. Manche vermuten, dass die Kinder einen Einbrecher überrascht haben könnten. Andere glauben, dass sich jemand ins Haus schlich, der mitbekommen hat, dass die Kinder allein zu Hause waren. Beweise gibt es nicht.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.