Das Geschäft mit der Angst: Münchens Frauen rüsten auf
München - Den Trend zu Pfefferspray, Schreckschusspistolen und anderen Distanzwaffen gab’s schon vor der Silvesternacht in Köln. Doch die Übergriffe auf Frauen haben das Geschäft in München zusätzlich angeheizt. Auch Kurse, bei denen man lernen kann, sich in brenzligen Situationen möglicht effektiv zu verteidigen, boomen.
"Seit Januar haben wir 100 Anmeldungen zu Selbestverteidigungskursen. Die Zahl der Interessenten hat sich verdreifacht", sagt John Freeman, Chef bei "Keep Safe" und Trainer für Krav Maga, eine spezielle Kampftechnik, die die Israelis entwickelt haben.
Auch die Trainingskurse, die die Münchner Polizei anbietet, sind gefragt wie schon lange nicht mehr. "2000 Teilnehmer hatten wir im letzten Jahr", sagt Arno Helfrich, Chef bei K 105, zuständig für Opferschutz und Prävention. Normalerweise sind es rund 1000 Anmeldungen im Jahr. Vor allem Frauen, Mütter mit ihren Töchtern und Schwangere interessieren sich für das Angebot.
Zudem decken sich immer mehr Münchnerinnen mit Pfefferspray ein. Sogar in Apotheken werden die Döschen angeboten. Waffengeschäfte in München verzeichnen ein deutliches Umsatzplus. Etliche Hundert Stück gehen jede Woche über den Ladentisch. "Manchmal kommen wir mit der Bestellung kaum hinterher", erzählt ein Verkäufer. "Letztes Jahr wurden etwa doppelt so viele gekauft wie 2014", sagt Roland Zobel vom Verband Deutscher Büchsenmacher und Waffenhändler.
Seit den Anschlägen im tunesischen Sousse und im November in Paris gehen die Zahlen steil nach oben. Pfefferspray und Schreckschusspistole sind gefragt wie nie. Ein Trend, den Arno Helfrich mit Sorge verfolgt. "Schreckschusspistolen bringen nichts", sagt der Kommissar, "beim Einsatz von Pfefferspray kann man leicht selbst etwas abbekommen." Zudem braucht man für den Besitz von Pfefferspray den kleinen Waffenschein. Auch Elektroschocker sind riskant, weil man dem Angreifer damit viel zu nahe kommt, so Helfrich.
"Der Täter ist zudem immer gewaltbereiter als das Opfer", sagt Roland Zobel - wenn es ihm gelinge, die Waffe zu entreißen, sei er meist bereit, sie einzusetzen.
Effektiver sind so genannte Taschen- oder Schrillalarme. Kleine Plastikkästchen, die durch Knopfdruck ein kreischendes Signal in der Lautstärke einer Polizeisirene abgeben. Die Alarme gibts im Fachhandel oder in Elektromärkten wie "Conrad" im Tal. Sie kosten rund 15 Euro.
Laut Statistik flüchten Angreifer in 60 Prozent aller Fälle, wenn die Opfer laut um Hilfe schreien. Wenn sich die Frauen wehren, geben 85 Prozent der Angreifer auf.
So können Sie sich schützen
Wer in einer Notlage passiv bleibt, hat schon so gut wie verloren. Wichtig ist auch, die Abwehrmaßnahmen immer wieder zu üben.
Radau schlagen: Wer angegriffen oder belästigt wird, sollte mit voller Lautstärke um Hilfe rufen. Eine Trillerpfeife in der Tasche oder ein Schrillalarm machen jede Menge Lärm.
Blenden: Taschenlampen, die Angreifer mit ihrem Stroboskoplicht blenden und so aus dem Konzept bringen.
Unterstützung: Befinden sich Personen in der Nähe sprechen Sie sie direkt an: "Sie mit der schwarzen Jacke!". "Sie im roten Hemd!".
Nicht zimperlich sein: Ein beherzter Tritt gegen das Schienbein oder zwischen die Beine, ein Schlag gegen die Nase – all das kann genügen, damit ein Angreifer aufgibt. Wer von hinten gepackt wird, kann dem Angreifer mit dem Absatz kräftig auf den Mittelfuß treten. Der Erfolg ist durchschlagend und man hat Gelegenheit zur Flucht.
Planung: Gerade im Fasching sollte abends gelten: gemeinsam hin und gemeinsam wieder nach Hause.
Dunkle Ecken meiden: Lieber einen Umweg in Kauf nehmen.
Rettungsinseln: Jeder Kiosk, jeder Taxistand kann im Notfall zu einem Anlaufpunkt werden.
Helfer: In öffentlichen Verkehrsmitteln wie S- und U-Bahn, Tram oder Bus vorne beim Fahrer einsteigen.
Die Polizei bietet kostenlose Trainingskurse: Jede Polizeidienststelle bietet Kurse an, in denen man Selbstverteidigung und Zivilcourage lernen kann. Sie dauern etwa vier Stunden und sind in einen theoretischen und einen praktischen Teil untergliedert. Teilnehmen kann jeder ab 18 Jahren. Für Kinder und Jugendliche gibt es spezielle Kurse an Schulen. Geleitet wird das Training von jeweils zwei speziell geschulten Polizisten. Gebühren fallen keine an. Teilnehmerzahl etwa 16 Personen.
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