Das Geheimnis um den Münchner Einstein-Brief ist gelüftet
München - Die Aufregung war groß vor rund einem Jahr, als Ellen Presser, Mitarbeiterin der Israelitische Kultusgemeinde (IKG) in München, ein Brief in die Hände fiel. Vergilbt war er, schon etwas brüchig, beschrieben mit einer alten, krakeligen Schrift. Der Verfasser: "A. Einstein".
Sie und ihre Mitarbeiter hätten schnell begriffen, um was es sich hier handelt, erzählt Presser gestern. Ein schneller Check per Suchmaschine im Internet bestätigte die Vermutung: Bei der Unterschrift handelt es sich um jene des Physikers Albert Einstein (1879 – 1955). Eine Sensation.
Staatsbibliothek in München lüftet Geheimnis des Einstein-Briefs
Mittlerweile ist klar: Bei dem Brief handelt es sich um eine Kopie – allerdings um eine ganz besondere. Die IKG hatte das Dokument in der Staatsbibliothek in München untersuchen lassen. Die Ergebnisse teilte der Generaldirektor der Staatsbibliothek, Klaus Ceynowa, gestern in München mit. Das Schreiben, das an den in die USA emigrierten, jüdischen Wissenschaftler Julius Hirsch (1882 – 1961) gerichtet war, sei mit einem speziellen Kopiergerät vervielfältigt worden. Dieses Verfahren sei um das Jahr 1930 herum bis in das späte 20. Jahrhundert hinein gebräuchlich gewesen.
Woher die Kopie stammt, ist jedoch unklar. Die IKG hatte das Dokument in ihrem Archiv gefunden. "Vermutlich erhielten wir es im Frühjahr 2018 mit einem Stapel von Nachrufen auf Hirsch", sagt Ellen Presser. Die IKG bekomme regelmäßig Nachlässe und Dokumente geschenkt, um diese zu archivieren.
Der Stapel, in dem der Brief vermutlich steckte, stamme von einem alten Mann, der damit aber nichts mehr zu tun haben wolle und in keiner Beziehung zu Einstein oder Hirsch gestanden habe, so Presser. "Er wollte das alles wegwerfen und stellte es uns zur Verfügung." Mehr habe sie von dem Mann, der als Jude in die USA ausgewandert und wieder nach Deutschland zurückgekehrt war, nicht erfahren.

Kopie eines Geburtstagsgrußes: Stammt sie aus dem Nachlass der Einsteins?
In dem Brief gratuliert Einstein, der als Kind auch in München lebte, Hirsch zu dessen 50. Geburtstag im Jahr 1932 – ein Jahr bevor Adolf Hitler und die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht kamen. Der Jude Einstein schreibt an den Juden Hirsch: Wenn die Nicht-Juden "Leute von dieser Art hätten, wie Sie einer sind, gings dem teuern Vaterland entschieden weniger dreckig".

Die Staatsbibliothek hat auch herausgefunden, was es mit einer geheimnisvollen Inschrift auf sich hat, die schwach auf dem Brief zu erkennen ist. Dabei handelt es sich um einen weiteren Gratulationsbrief an Hirsch – geschrieben von Einsteins zweiter Frau Elsa. Dieser habe wahrscheinlich eine Zeit lang auf der Kopie gelegen, erklärt Ceynowa. Durch eine chemische Reaktion aufgrund des Kopierverfahrens hatten sich dann Teile des anderen Briefs darauf abgebildet.
Die IKG vermutet, dass das Papier aus dem Nachlass der Einsteins stammt – und diese damals ihre gesamte Korrespondenz archivierten.
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