Das Ende der sozialen Fürsorge

Aus der Zeitung erfuhr Ilse Baumann, dass der Siemens-Konzern seine Werkswohnungen verkaufen will – 1150 alleine in München. Jetzt fürchten sich Siemens-Mieter vor dem Verkauf der Werkswohnungen.
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Ilse Baumann erfuhr aus der Zeitung, dass die Siemens-Wohnungen womöglich verkauft werden. Erst später erhielt sie einen Brief des Konzerns.
Martha Schlüter Ilse Baumann erfuhr aus der Zeitung, dass die Siemens-Wohnungen womöglich verkauft werden. Erst später erhielt sie einen Brief des Konzerns.

MÜNCHEN - Aus der Zeitung erfuhr Ilse Baumann, dass der Siemens-Konzern seine Werkswohnungen verkaufen will – 1150 alleine in München. Jetzt fürchten sich Siemens-Mieter vor dem Verkauf der Werkswohnungen.

„Wir haben Angst. Richtig Angst.“ Ilse Baumann lebt seit 1953 in der Siemenssiedlung in Obersendling. Dort hat sie ihre Kinder aufwachsen sehen. Dort ist sie alt geworden. Doch ob die Witwe in ihrer Wohnung bleiben kann, ist ungewiss. Aus der Zeitung erfuhr Ilse Baumann, dass der Siemens-Konzern seine Werkswohnungen verkaufen will – 1150 alleine in München.

In den Sternhochhäusern regt sich seither der Widerstand. Die Mieter – darunter viele Rentner und junge Familien – fürchten vor allem höhereMieten nach dem drohenden Verkauf. „Ich kann keine Erhöhung mehr verkraften. Ich weiß nicht, was dann werden soll“, sagt Ilse Baumann.

„Irgendwann einmal waren wir eine große Siemensfamilie"

Der Software-Entwickler Hermann Schmidt (60) hat 38 Jahre für Siemens gearbeitet. Seit 1984 wohnt er in der Siedlung. „Es war eine Auszeichnung, wenn man eine Dienstwohnung bekommen hat“, sagt er. Wie viele seiner Kollegen ist er in diesen Tagen einfach nur enttäuscht. „Irgendwann einmal waren wir eine große Siemensfamilie. Aber das bröckelt schon lange“, klagt auch Joachim Johna (55) von der Mietervertretung. Die Firma Siemens habe die soziale Fürsorge für ihre Mitarbeiter aufgegeben

Schützenhilfe bekommen die Siemensianer von der SPD: „Ein Verkauf ist nicht nachvollziehbar“, sagt die Landtags-Abgeordnete Adelheid Rupp (SPD). „Dabei geht es um die schnelle Kohle und sonst um gar nichts.“ Immerhin schreibe das Wohnungs- Geschäft schwarze Zahlen.

Was die Siemens-Mitarbeiter durchmachen, droht in Zukunft immer mehr Münchnern. Sichere Wohnungen sind Mangelware. Erst am Dienstag war eine Studie bekannt geworden, wonach bis 2025 im Raum München rund 265 000 neue Wohnungen gebraucht werden. Ansonsten steigen die ohnehin schon hohen Mieten immer weiter. Die Stadt schaffte es in der Vergangenheit gerade einmal, durchschnittlich 1330 geförderte Wohnungen pro Jahr fertig zu stellen. Viel zu wenig. Sie will die Zahl auf 1800 erhöhen. Dagegen bleibt der Freistaat stur: Er stellt 200 Millionen Euro für die Wohnraumförderung zur Verfügung. Mehr ist nicht geplant.

Siemensianer kämpfen um die Wohnungen

Gerade weil günstige Alternativen rar sind, kämpfen die Siemensianer um ihre Wohnungen. Derzeit sammeln sie Unterschriften. Die sollen demnächst Peter Löscher höchstpersönlich überreicht werden. Damit er den Verkauf abbläst. „Es gibt aktuell keinen konkreten Verkaufsbeschluss“, schrieb Siemens den Mietern in einem Brief. Der Verkauf werde nur geprüft. Noch ist es nicht zu spät, die Pläne zu beerdigen.

J. Lenders

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