Das Ende der Kohle in München naht – Krach mit Klima-Aktivisten gibt es trotzdem

München - Fast 120.000 Münchnerinnen und Münchner haben 2017 das Ende der Steinkohle in München besiegelt. Sie stimmten damals in einem Bürgerentscheid dafür, dass die Stadtwerke den Kohleblock im Heizkraftwerk Nord bis 2022 abschalten müssen. Doch bis heute verfeuern die Stadtwerke in Unterföhring Kohle. Eigentlich war der Umstieg auf Gas schon lange geplant, doch der Ukraine-Krieg kam dazwischen.
Jetzt steht fest: Zur nächsten Heizperiode – also im Winter 2024 – wollen die Stadtwerke das Kraftwerk umstellen. Zwei Millionen Euro kostet das. Doch nicht nur Die Linke im Stadtrat, auch Klimaschützer sind damit gar nicht zufrieden. Sie kündigen sogar eine Demo vor dem Rathaus an, wenn das Kraftwerk am 16. April im Wirtschaftsausschuss auf der Tagesordnung steht. Doch was stört sie? Schließlich ist es doch weniger klimaschädlich, Gas zu verfeuern als Kohle. Oder?
Obwohl die Stadtwerke München aus der Kohle aussteigen: Klima-Aktivisten planen eine Demo
Der Anführer des Protests ist Helmut Paschlau. Er war als Manager bei den Stadtwerken dafür verantwortlich, dass beim Bau des Kohlekraftwerks die Kosten eingehalten werden. In den 80er Jahren war das. Heute ist Paschlau Rentner und führt das Netzwerk Saubere Energien an, in dem sich verschiedene Organisationen wie Fridays for Future zusammengeschlossen haben. Alle haben eines gemeinsam: Sie kämpfen dafür, dass München so schnell wie möglich keine fossilen Energien mehr verbraucht.
Was Paschlau besonders stört: Der Stadtrat soll gar nicht über die Umstellung von Kohle auf Gas und die Bedingungen, wie die Stadtwerke das Kraftwerk betreiben wollen, entscheiden. Wirtschaftsreferat und Stadtwerke informieren darüber bloß – in einer Bekanntgabe. Das sieht auch Linken-Chef Stefan Jagel kritisch. Schließlich kündigten die Grünen einen Beschluss an, in dem der Stadtrat auch konkrete Vorgaben zum Weiterbetrieb machen sollte. Die Grünen hätten sich "selbstbewusst wie ein Tiger aufgespielt", sagt Jagel. "Nun sind sie offensichtlich als Bettvorleger der Stadtwerke gelandet."

Beim Kohleblock hatte der Stadtrat Vorgaben gemacht: Das Kohlekraftwerk läuft nur zu 38 Prozent dessen, was eigentlich möglich wäre. Die Stadtwerke kündigen in der Bekanntgabe zwar an, beim Gaskraftwerk die Fahrweise peu a peu zu reduzieren. Aber kein Stadtratsbeschluss zwingt sie dazu, das auch einzuhalten. Läuft das Gaskraftwerk länger und unter einer höheren Last könnte es klimaschädlicher sein, lautet ihre Befürchtung.
Kann das Heizkraftwerk Nord in München schon 2027 vom Netz?
Unzufrieden sind Paschlau und Jagel auch damit, wie lange das Gaskraftwerk laufen soll. Ende 2027 soll der Südlink, die große Trasse, die Windstrom von Norddeutschland nach Bayern bringen soll, fertig sein. Dann, so heißt es stets, sei das Kraftwerk nicht mehr systemrelevant. "Danach könnte man es abschalten", sagt Stefan Jagel. Die Stadtwerke wollen das Gaskraftwerk allerdings bis 2035 betreiben. Dann hat Block 2 "sein Lebensende" erreicht, heißt es in der Bekanntgabe.
Jagel beantragt nun, dass die Stadtwerke den Standort umbauen, sobald die Systemrelevanz nicht mehr gegeben ist. Dann sollen die Stadtwerke dort nur noch erneuerbare Energien nutzen – also Geothermie, Photovoltaik und Biomasse.
"Absolut kontraproduktiv": So reagieren die Stadtwerke München
Die Stadtwerke nennen eine Begrenzung der Laufzeit "absolut kontraproduktiv, solange in Deutschland noch in großem Umfang Strom aus Stein- und Braunkohle erzeugt wird". Das sieht auch Stadträtin Julia Schmitt-Thiel so, die sich der SPD-Fraktion um den Klimaschutz kümmert. Natürlich könne man die Münchner Klimabilanz verbessern, wenn man das Kraftwerk abschalte. "Aber man muss Klimaschutz doch global betrachten. Was bringt es, wenn statt dem Gaskraftwerk in Unterföhring ein Kohleblock in Polen läuft?"
Ein "unrealistisches Szenario" sei es, dass der CO2-Ausstoß im Gaskraftwerk höher ausfallen könnte als im Kohlekraftwerk, meint Grünen-Chefin Mona Fuchs. Nicht nur wegen des Klimaschutzes, sondern auch wirtschaftlichen Gründen sei es nicht realistisch, dass die Stadtwerke das Kraftwerk unter Volllast laufen lassen. Gas ist schließlich teuer und die Preise werden voraussichtlich steigen.

Allerdings wäre es unseriös, schon jetzt konkrete Vorgaben zu machen, meint Fuchs. Julia Schmitt-Thiel von der SPD sieht das ähnlich. Sich schon jetzt auf Prozentzahlen festzulegen, wäre nichts weiter als "Schaufenster-Politik", sagt sie. "Sobald es jedoch auf Grund belastbarer Zahlen möglich ist, werden wir uns sowohl für eine Last- als auch für eine Laufzeitbegrenzung einsetzen", kündigt Fuchs an. Auch die SPD-Stadträtin plädiert dafür, sich in ein bis drei Jahren noch mal genauer anzusehen, wie die Stadtwerke das Kraftwerk einsetzen.