Das Bierzelt ist vorbei: CSU und Freie Wählern streiten wieder

München - Wir sind jetzt raus aus dem Bierzelt-Modus!" Klaus Holetschek hat gleich deutliche Worte für Hubert Aiwanger. Ein bisschen zum Schmunzeln ist es auch: Bayerns zweiter König der Bierzelte, nämlich Ministerpräsident Markus Söder, steht direkt neben Holetschek. Der bisherige Gesundheitsminister ist wenige Minuten vorher mit 84 von 85 Stimmen zum neuen Fraktionsvorsitzenden der CSU gewählt worden. Eine Überraschung war das nicht – schon lange galt der Schwabe als designierter Nachfolger von Thomas Kreuzer, der nicht mehr angetreten ist.
Markus Söder kommt ins Schwärmen, wenn er von Holetschek spricht. Dass der Ministerpräsident nicht immer ganz zufrieden war mit seiner Fraktion, ist ein offenes Geheimnis. Der Mann, der sein Kabinett schon morgens um 6 Uhr per Smartphone traktiert, hat relativ wenig Durchgriff bei seiner Fraktion.
Nach der Wahl in Bayern: CSU mit "neuem Schwung", Freie Wähler mit breiter Brust
Daraus hat er gelernt. Die vielen neuen Kandidaten, knapp ein Drittel der Fraktion, hatte Söder schon lange vor der Wahl zu Einzelgesprächen eingeladen. Funktioniert hat's: Söder wurde von der Fraktion einstimmig als Ministerpräsident vorgeschlagen. Er spricht von "neuem, frischen Schwung" in der Fraktion.
Holetschek geht gleich in die Vollen. Die Freien Wähler laufen, bedingt durch ihre Zugewinne bei der Landtagswahl, mit einem extrem breiten Kreuz durch die Gegend. Gleich am Montag rangelten die beiden Regierungsfraktionen verbal miteinander, von "mädchenhaft" und "pubertär" war die Rede.
Klaus Holetschek über das Auftreten der Freien Wähler: "Nicht gerade vertrauensbildend"
"Wir werden auch tatsächlich mit den Freien Wählern sehr deutlich reden müssen", sagt Holetschek. Es sei nicht gerade vertrauensbildend, "wenn die Freien Wähler so auftreten, wie sie es jetzt tun". Ober sticht unter, das sagt Holetschek zwar nicht, aber das ist seine Kernaussage. Die Freien Wähler wollen bekanntlich noch ein viertes Ministerium, zahlenmäßig ist das aber aus Sicht der CSU nicht drin.
"Ich könnte ja den Hubert Aiwanger ja mal auffordern, er soll mir mal erklären, wie die Wirtschaftspolitik der letzten fünf Jahre im Detail funktioniert hat. Da können wir sicherlich mal das eine oder andere diskutieren. Uns überlegen, wie wir das Vertrauen des Mittelstands, der familiengeführten Unternehmen oder auch der Industrie generieren für die Zukunft", giftet Holetschek, den viele eigentlich für seinen Bedacht schätzen. Bei jedem Wort geht die Betonung nach oben, sein Grant ist spürbar.
Wahlzugewinne der Freien Wähler: "Sondereffekt der Flugblatt-Affäre"
In einer Pressemitteilung, die kurze Zeit später nachgeschoben wird, heißt es von Holetschek noch ergänzend: "Was die anstehenden Koalitionsverhandlungen anbelangt: Die Freien Wähler sollten sich bewusst sein, dass ihre Zugewinne beim Wahlergebnis nicht Ergebnis guter Sacharbeit, sondern eindeutig Sondereffekt der Flugblatt-Affäre sind."
Dass die Wirtschaft mit Wirtschaftsminister Huber Aiwanger (FW) fremdelt, ist kein Geheimnis. Nur klang das im Wahlkampf auch seitens der CSU ganz anders. Auf Rückfrage rudern Söder und Holetschek erst mal zurück. Söder spricht von einer "schützenden Hand", die er über die Kabinettsmitglieder halte: "Da kann man sich drauf verlassen." Die abgesägten Minister Kerstin Schreyer, Ludwig Spaenle und wie sie alle heißen, dürften vermutlich Schnappatmung kriegen.
Markus Söder: "Viel passiert im Wahlkampf, einfach Schwamm drüber reicht nicht"
Söder wäre nicht Söder, würde er nicht gleich nach Aiwanger keilen. Wenn einer immer Ansprüche auf andere Ressorts geltend mache, sei es schon "seriös", zu fragen, was man selbst überhaupt gemacht habe. Söder spricht von "keinem guten Start" mit den Freien Wählern nach dem Hickhack am Montag. Es klingt wie in einer Ehe, in der der Partner fremdgegangen ist.
Man müsse noch mal grundsätzlich reden, sagt Söder. "Es ist im Wahlkampf viel passiert, einfach Schwamm drüber oder 'schwoam ma's obi' reicht nicht aus. Man muss schon noch mal nachfragen, wo der Standort und der Standpunkt der Freien Wähler nach dieser Wahl ist und wohin die Reise führt."
Der Mann, der sonst keine Phrasen drischt, spricht auf einmal von "Flieh- und Zentrifugalkräften", ob es "möglicherweise in eine andere Richtung" gehe. Ab Donnerstag sitzen CSU und Freie Wähler bei den Koalitionsverhandlungen zusammen. Gleich zu Beginn sollen sich die Freien Wähler bekennen, wo die Reise hingehe, und Söder wird endlich mal konkreter – er stellt infrage, dass diese "fest im demokratischen Spektrum verankert" sei. Und schiebt hinterher: "Wovon wir fest ausgehen."
Der CSU fehlt eine Antwort, sollten die Freien Wähler nach rechts abdriften
Aber offenkundig stellt der CSU-Chef das Wertefundament seines Koalitionspartners öffentlich infrage. Und das, wo sich die CSU schon sehr früh auf die Freien Wähler festgelegt haben. Die Narrenfreiheit, mit der die Freien Wähler nun auftreten, halten daher auch viele Christsoziale für teils hausgemacht. Auf Rückfrage, was die CSU machen wolle, wenn die Freien Wähler eben doch abdriften, hat Söder keine wirkliche Antwort: "Wir raten allen, sich noch einmal zu besinnen."
Eine weitere Personalie hat die CSU-Fraktion bereits geklärt. Ilse Aigner soll wieder Landtagspräsidentin werden. Ansonsten rät Söder aber von Spekulationen über das zukünftige Kabinett ab. Mehr wird man wohl erst im November wissen. Die CSU will zweieinhalb Wochen lang verhandeln. Die konstituierende Sitzung des neu gewählten Landtags findet am 30. Oktober statt. Wenn es nach Söder geht, soll er bereits am Tag darauf zum Ministerpräsidenten gewählt werden.