Das AZ-Kochwettbewerb-Finale: Spanferkel im Koffer, Lavendel im Topf

Beim großen Finale des AZ-Koch-Wettbewerbsin „Haralds Kochschule“ gab es manche Überraschung - und fünf Hobbyköche, die kreativ und modern die bayerische Küche präsentierten.
von  Abendzeitung
Die glorreichen Fünf: Matthias Schmidt, Irmgard Väthröder, Dagmar Baurichter, Corina Braun und der Sieger Jan-Philipp Cleusters.
Die glorreichen Fünf: Matthias Schmidt, Irmgard Väthröder, Dagmar Baurichter, Corina Braun und der Sieger Jan-Philipp Cleusters. © Petra Schramek

MÜNCHEN - Beim großen Finale des AZ-Koch-Wettbewerbsin „Haralds Kochschule“ gab es manche Überraschung - und fünf Hobbyköche, die kreativ und modern die bayerische Küche präsentierten.

Er hat tüchtig zu schleppen. Während seine vier Mitstreiter jeweils mit einer großen Tasche ankommen, wuchtet Jan-Philipp Cleusters zusätzlich noch einen dicken blauen Reisekoffer in die Kochschule, stolze 20 Kilo schwer. Aus diesem rupft der 17-Jährige erst eine Strickjacke heraus, dann zwei T-Shirts – und schließlich ein Trumm Spanferkel, umhüllt von Kühlakkus.

Irmgard Väthröder (60) fällt vor Lachen fast ihr Blaukraut aus der Händen, Matthias Schmidt (30) stoppt seine Nudelteigproduktion und greift zum Fotoapparat: „Ein Spanferkel auf Reisen gibt's ja auch nicht alle Tage zu sehen." Aber beim Finale des großen AZ-Koch-Wettbewerbs!

In „Haralds Kochschule" am Thomas-Wimmer-Ring kämpften beziehungsweise kochten die fünf Finalisten am Donnerstag um den Sieg. Ausgewählt wurden die fünf passionierten Hobbyköche aus fast 200 AZ-Lesern, die uns in den letzten Wochen ihre Lieblingsrezepte der bayerischen Küche geschickt hatten.

Als erster stand bereits um 8.45 Uhr Jan-Philipp Cleusters an einer der fünf Kochstationen –it Sack und Pack und Spanferkel von seinem Münsteraner Lieblingsmetzger: Der Schüler, der für den AZ-Kontest extra einen Tag schulfrei bekam, war in aller Früh (mit einem zur Hälfte von seinen Eltern finanzierten Ticket) von Münster nach München geflogen. „Ich will ja Koch werden, da ist der Finalplatz für mich ein Traum!" Bei seinem Wettbewerbs-Beitrag hat sich Jan-Philipp an einem alten Rezept seiner Oma orientiert, von der er „küchentechnisch sehr viel gelernt" hat.

Während Jan-Philipp sichtlich nervös und hochkonzentiert zugleich an seiner Kreation „Spanferkel auf Topinambur mit Liebstöckel und grünem Bohnencassoulet" werkelt, summt Irmgard Väthröder am Herd nebenan beim Zubereiten ihrer „Wildkrautwickerl" fröhlich vor sich hin.

Gar nicht aufgeregt? Die Hobbyköchin vom Itzgrund bei Coburg schüttelt den Kopf: „Im Gegenteil! Summen beruhigt." Sagt's, um weiter an ihrer Farce zu arbeiten, aufmerksam beäugt von Zwei-Sterne-Koch Christian Jürgens, einem der fünf Jury-Mitglieder.

Derweil formt Matthias Schmidt akurate Bratwurst-Ravioli. „Eine wirklich pfiffige Idee", sagt Jury-Mitglied und Meisterkoch Andreas Geitl, um dem etwas unsicher dreinschauenden Controller aus Nürnberg sogleich aufmunternd auf die Schulter zu klopfen. Nebenan schnippelt die Münchner Sales Managerin Dagmar Baurichter (45) Rote-Rüben-Würfel für Rüben-Mousse und -Cappuccino. Corina Braun (47) aus Gebsattel bei Rothenburg löscht gerade ihre duftende Knoblauch-Lavendelsauce mit Portwein ab.

Inzwischen ist es gut warm in der Kochschule. Mineralwasser geht weg wie nichts. Allerorts wird fleißig geschnitten, gerührt, geknetet und gekocht und bei aller Arbeit auch viel gelacht. Mal hilft einer mit einem Gewürz aus, mal verteilt der andere an die Mitstreiter Bonbons. Es geht harmonischer zu als in jeder Sterneküche. bar

Der Jüngste macht das Rennen

Als erste Finalistin ist Dagmar Baurichter fertig und bereit, der Jury ihre raffinierte Rüben-Kreation zu servieren. Die Spitzenköche Inge Stollberg, Christian Jürgens, Andreas Geitl und Harald Schultes sowie AZ-Chefredakteur Arno Makowsky sind gespannt - und hören es erstmal knallen. Mit Karacho fliegt ein Glas mit rotem Süppchen zu Boden. Das Aus? Mitnichten! Mit zittrigen Händen richtet die Finalistin nochmal an und punktet bei der Jury. "Gut ausgearbeitet, wirklich beeindruckend", lautet das Urteil von Christian Jürgens nach eingehendem Probieren: "Nur beim Ingwer hätte man mutiger sein können." Nicken in der Runde. Auch als Andreas Geitl sagt: "Über die rohen Zwiebeln kann man streiten, aber insgesamt ist das Bayrisch de luxe!" Dagmar Baurichter steht einige Meter vom Jury-Tisch entfernt und hofft. Als nächster ist Matthias Schmidt dran. Allein die Idee, aus Bratwürsten Ravioli zu kreieren, findet die Jury schon mal höchst kreativ. Ar-no Makowsky bringt es auf den Punkt: "In meinem Beruf wäre dieses Gericht mit einer guten Glosse vergleichbar: ironisch-witzig." Einig sind sich die Tester auch darin, dass der Sud etwas zu säuerlich und die Deko mit viel Crema di Balsamico vielleicht etwas überholt ist, doch letztendlich schadet es nicht dem Urteil. "Ein tolles Gericht! Das ist Kreativität in Reinkultur", so Spitzenköchin Inge Stollberg. Kein Widerspruch in der Runde. Schon jetzt ist die Jury von den Leistungen der Finalisten mehr als beeindruckt. Von Corina Braun bekommen die Fünf eine Kreation namens "Bayuwarischer Höhe-punkt" serviert. Die Knoblauch-Lavendelsauce stösst nicht bei allen auf Begeisterung ("etwas parfümig"). Doch für das "zarte Fleisch" (Stollberg), die " lockeren Breznknödelscheiben" (Jürgens) und die "exzellent gemachten roten Zwiebeln" (Schultes) gibt es Top-Noten. "Wenn's so weitergeht, geht uns das Lob aus", stellt Andreas Geitl fest - und schon hat er die Wildkrautwickerl von Irmgard Väthröder auf dem Tisch. "Das riecht schon gut", sagt Inge Stollberg, die nach den ersten Bissen dann aber - wie alle Jury-Mitglieder - den Kartoffelbrei "ein bisserl zäh", die Farce "etwas zu fest" findet: "Allerdings ist es auch ein mutiges und schwieriges Gericht. Eine Wildfarce luftig hinzubekommen, ist schwer." Für einen Hobbykoch also nichtsdestotrotz eine sehr gute Leistung. Längst ist der Jury klar, dass die Entscheidung am Schluss schwer wird. "Platz fünf können wir eigentlich gar nicht vergeben, weil die alle besser sind", sagt Harald Schultes. Erste Überlegungen werden laut, den fünften Platz vielleicht gar nicht zu vergeben. Als letzter tischt Jan-Philipp Cleusters auf, schliesslich brauchte sein Spanferkel im Ofen über zwei Stunden. Beim Topinambur gab's noch eine kleine Salz-Panne. Jan-Philipp war zu schwungvoll, doch gewusst wie: Ein schnelles Wasserbad rettete seine Beilage. Die Jury merkte in puncto "Salz" nichts und war auch sonst geradezu sprachlos. "Ich suche etwas, das mir hier nicht schmeckt, doch ich finde nichts", so Geitl. "Das könnte man in einem Spitzenrestaurant servieren", so Jürgens. "Und er ist erst 17 Jahre alt", ergänzt Schultes. Schnell wird klar: Das ist das Siegergericht! Jan-Philipp ahnt nichts, räumt seinen Arbeitsplatz auf und plaudert mit den Kochkollegen, die sich gegenseitig fotografieren und Rezepte austauschen. Jetzt schwitzen nicht mehr die Finalisten, sondern die Jury-Mitglieder. Es wird beraten und diskutiert und schliesslich doch noch eine Lösung gefunden: Platz fünf entfällt. Dafür gibt es zweimal Platz zwei - und zwar für Dagmar Baurichter und Matthias Schmidt, die sich problemlos über die Gewinne einigen. Die Münchnerin wählt den Dampfgarer und die Küchenmaschine, die eigentlich für Platz drei vorgesehen waren. Der Nürnberger freut sich über das opulente "Dallmayr"-Gourmet-Paket. Dritter Sieger wurde Corina Braun, die von "Geisel's Weingalerie" edle Tropfen bekam. Den vierten Platz und damit ein gut vier Kilo schweres "Teubner"-Luxuskochbuch eroberte Irmgard Väthröder. Jan-Philipp Cleusters konn-te sein Glück kaum fassen, als er von seinen Mitstreitern umarmt wurde und vom AZ-Chefredakteur den Gutschein für einen Abend im noblen "Königshof" am Stachus überreicht bekam. Mit wem will er das Acht-Gänge-Menü geniessen? Da musste der strahlende Sieger keine Sekunde nachdenken: "Mit meiner Oma! Ohne ihr Rezept hätte ich heute ja nie gewonnen." Ohne Topinambur und Spanferkel im Gepäck machte er sich dann auf den Weg zum Flughafen: "Mein Koffer ist jetzt herrlich leicht, und ich bin echt glücklich." Annette Baronikians

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