Das Amusement der Krise
„Burn after Reading“ – Der Coen-Coup mit Clooney, Pitt, Malkovich und Swinton
Fünf Namen haben sie auf einen Zettel geschrieben: Clooney, Pitt, Malkovich, Jenkins. Und seine Frau, Frances McDormand, hat Joel Coen auch noch drauf geschrieben. Erst dann hat er mit seinem Bruder Ethan die Geschichte für die Stars geschrieben. So ist „Burn after Reading" bei aller Freiheit auch ein Psychoporträt seiner Hauptdarsteller geworden.
Nach wenigen Filmminuten in der Washingtoner CIA-Zentrale kommt der blasiert-arrogante, schwierige Einzelgängertyp, John Malkovich als Osborne Cox, nach Hause und führt einen entlarvenden, verdichteten Ehedialog, den sich allenfalls Psycho-Genie Woody Allen hätte genauso gut ausdenken können.
Der blendend aussehende nette Typ von nebenan
Cox gesteht seine Niederlage nicht ein und beschönigt ihr gegenüber, er habe seine CIA-Stellung gekündigt, weil er als Individualist es in diesem bürokratischen, dilettantischen Intrigantenhaufen ohne Vision nicht mehr ausgehalten hätte. Die halbe Wahrheit: denn Cox wurde gekündigt. Was bei seiner Frau, einer zynischen Karrierefrau von kastrierender Kälte einer Eishexe (Tilda Swinton), Alarmstufe Rot auslöst, wegen der möglichen Unterhaltsforderungen des jetzt arbeitslosen Mannes.
Zur Weltpremiere des Films in Venedig hatte Swinton passend streng die Gaudiburschen Pitt und Clooney vom selbstverliebten Dauerbad in der Fan-Menge auf den Roten Teppich zurück geblitzt. George Clooney spielt im Film ihren Liebhaber als blendend aussehender netter Typ von nebenan, der ein Doppelleben als verheirateter, sexsüchtiger Date-Schwindler spielt und sich zur Selbstvergewisserung ununterbrochen seine dauercharmante Unwiderstehlichkeit beweisen muss.
Gegenfigur ist der einfältige, dummdreiste, penetrant optimistische Daueraktivbolzen Pitt als Fitnesstrainer. Wie so oft im pessimistisch tragikomischen Filmweltbild der Coen-Brüder löst eine kleine moralische Übertretung einen Katastrophen-Dominoeffekt aus, an dessen Ende einige, oft ungewollt abgefeuerte, aber tödliche Kugeln stehen. Und makaber ironisch hat letztlich nur eine Idee Verwirklichungs-Chancen: Die im US-Hochglanz-Schönheitswahn komplexbeladene naive Frau, die Frances McDormand spielt, hätte nun das blutige Geld für ihre schönheitsoperative Generalsanierung, auf die sie ihre Lebenshoffnung gesetzt hatte.
Zuschauer aus Gottesperspektive
In diese fantastisch verwickelte Handlung, in deren Strudel nur der Zuschauer wie ein Chronist aus ungerührter, aber hochamüsierter Gottesperspektive den Überblick behält, haben die Coens mit überbordendem Humor alles reingepackt: Midlife-Crisis-Analysen, einen Spionagethriller mit CIA-Entlarvung, Schönheitswahn und Sexsucht, Ehekälte, Betrug und Berufsfrust, Überwachungs-Paranoia und Misstrauen. Überraschenderweise kommt die amerikanische Gesellschaft besser weg als im eisenharten Western-Killer-Thriller „No Country for Old Men", für den die Coens heuer drei Oscars bekamen.
So ist „Burn after Reading“ eine fantastische, vor Einfällen funkelnde Realsatire mit witzigem Übertreibungshumor geworden. Und ihre Spitzenbesetzung überrascht durch das richtige Maß an selbstironischer Komik, das aber die spannende Tragik des Lebens immer spüren lässt.
Adrian Prechtel
R & B: Joel und Ethan Coen (USA, 95 Min.), Kino: Atlantis, City, Filmcasino, Mathäser, MaxX, Münchner Freiheit, Neues Gabriel, Royal, Cinema & Museum Lichtspiele in OV
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- George Timothy Clooney