Das 14-Stunden-Plädoyer

MÜNCHEN - „Wie weiß muss eine Weste sein, um aus diesem Gerichtssaal unbefleckt rauszukommen?“ Benedikt T.,d er Angeklagte Mordfall Böhringer, ist verzweifelt. Seine Verteidiger fordern Freispruch. Am 24. Juli geht Prozess weiter.
„Mein Gewissen ist rein. Ich fordere meine Rechte. Ich bin unschuldig. Ich fordere Sie auf: Geben Sie mir mein Leben zurück! Geben Sie meiner Familie ihr Leben zurück!“ – die letzten Worte des mutmaßlichen Mörders Benedikt T. (33), bevor das Münchner Schwurgericht am kommenden Donnerstag (24. Juli) das Verfahren im Saal 101 fortsetzen wird. Ob das Urteil kommt, steht noch nicht fest. Immerhin muss die Kammer 38 neue Beweisanträge prüfen.
Die Eltern des Angeklagten, weinten bitterlich. Nach der Rede ihres Sohnes, der wegen eines Erbstreits seine schwer reiche Tante Charlotte Böhringer (†59) am 15. Mai 2006 erschlagen haben soll, versuchten die Angehörigen zu applaudieren, aber der Vorsitzende Richter Manfred Götzl mahnte: „Wir sind hier nicht im Theater.“
Wie ein „absurdes Theater“ kommt dem Angeklagten die zweijährige Untersuchungshaft vor: „Ich frage, wie weiß muss eine Weste sein, um aus diesem Gerichtssaal unbefleckt rauszukommen?“ Für ihn sei alles zusammengebrochen: „Ich stehe vor Ihnen mit runtergelassenen Hosen. Sie wissen mehr als ich über mein Leben, als ich je gemeint habe zu wissen. Für den Mangel an Aufrichtigkeit habe ich einen hohen Preis gezahlt.“
Damit meinte er sein abgebrochenes Jura-Studium, das für seine Tante so wichtig war. Niemandem habe er davon erzählt. Als die Parkhaus-Millionärin davon erfuhr, soll sie ihm mit Enterbung gedroht haben. Nach Ansicht des Staatsanwaltes Martin Kronester war das ihr Todesurteil.
Benedikt T. bedauert, dass Staatsanwalt und Polizei nichts unternommen hatten, um den wahren Täter zu finden: „Stattdessen hat sich alles auf das Objekt T. fokussiert – machen wir es passend!“
Die Polizeibeamten sollen Benedikt T. im Verhör bedroht haben. „T., wenn es nicht reichen sollte, wir sind an deinem Arsch dran. Deine Familie werden wir massiv unter Druck setzen und auseinander nehmen,“ erinnert sich der Angeklagte. Seine Verteidiger Peter Witting und Stefan Mittelbach halten die Vorwürfe für „haarsträubend“ und hoffen nun auf die Richter: „Sie haben es nun in der Hand, die bisherigen Fehler zu korrigieren.“
Witting und Mittelbach versuchten in ihrem 14-stündigen Plädoyer – es endete am Samstag um 17 Uhr – jedes Indiz und jede belastende Zeugenaussage zu widerlegen:
Die Behauptung, die Tante könne ihren Lieblingsneffen Benedikt T. nicht mehr ertragen, sei falsch. „Bilder von Benedikt hingen überall im Büro rum“, so Witting, der als Beweis ein Foto zeigte, das nach dem Verbrechen aufgenommen wurde.
Benedikt T. soll zwischen 18.15 Uhr und 19.10 Uhr seine Tante vor ihrer Penthouse-Wohnung oberhalb der Parkgarage, Baaderstraße 6, aufgelauert haben, weil er wusste, dass sie montags regelmäßig den Promi-Stammtisch im Paulaner im Tal besucht. „Woher wusste der Angeklagte, dass seine Tante allein daheim ist und von ihrer Wohnung aus zum Stammtisch geht? Außerdem hätte ihn jeder vor der Wohnungstür, die man übers Parkdeck erreichen kann, sehen können“, sagte Witting.
Über 100 Anwohner aus der Baaderstraße und Georgenstraße (dort wohnte Benedikt T.) wurden befragt, ob sie den Angeklagten am Tatabend gesehen haben. Witting: „Niemand hat ihn gesehen.“ Er sei krank im Bett gelegen.
Für die Verteidigung ungeklärt ist auch der Verbleib des Weines. Böhringer habe mit einer Freundin eine Flasche geöffnet. Die Freundin sagte aus, als sie nach 17 Uhr die Wohnung Böhringers verließ, sei noch ein halber Liter in der Flasche gewesen. Die Polizei fand aber nur einen Rest von 30 Milliliter. Die Rechtsmedizin stellte fest: Böhringer hatte bei der Obduktion einen Blutalkoholwert von 0,55 Promille. Hätte sie den Wein allein getrunken, hätte der Blutwert 1,8 Promille ergeben. Denn erst um 22.30 Uhr wäre der Blutalkoholwert abgebaut gewesen. Aber gegen 19 Uhr war Böhringer längst tot.
Die Dritt-Täter-Theorie schließen Witting und Mittelbach deshalb nicht aus. Aber: „Wir verstehen nicht, warum hat man nicht weiter recherchiert?“ Sie forderten, ihren Mandanten freizusprechen. Der Staatsanwalt hatte eine lebenslange Freiheitsstrafe und die besondere Schwere der Schuld gefordert.
Jetzt haben die Richter das Wort.
Torsten Huber