„Dann ist der Ofen aus“

Kiosk-Besitzer fürchten sich vor einem unbefristeten Arbeitskampf bei der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) – für sie könnte er existenzbedrohende Ausmaße annehmen. Die Urabstimmung hat am Donnerstag begonnen.
von  Abendzeitung

MÜNCHEN - Kiosk-Besitzer fürchten sich vor einem unbefristeten Arbeitskampf bei der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) – für sie könnte er existenzbedrohende Ausmaße annehmen. Die Urabstimmung hat am Donnerstag begonnen.

Die Urabstimmung begann mit der Frühschicht. Ab vier Uhr morgens konnten die Beschäftigten der kommunalen Nahverkehrsbetriebe ihr Kreuzerl machen. Streik oder nicht – das liegt jetzt in ihrer Hand. Wenn 75 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder mit Ja stimmen, ist der Stillstand Programm.

Davor fürchten sich nicht nur MVG-Kunden. Für die Fahrgäste bedeutet ein Dauer-Streik zwar Unannehmlichkeiten, aber noch viel härter trifft er die Kiosk-Besitzer in der U-Bahn. Für manche von ihnen droht der Arbeitskampf zum existenziellen Problem zu werden.

Umsatzeinbußen von 1500 Euro am Tag

Schon während der beiden Warnstreiks im Februar musste Zühre Sevengül (43) ihren Kiosk am Goetheplatz dicht machen. Die U-Bahn-Abgänge waren vergittert – und die Kundschaft ausgesperrt. „Das bedeutet Umsatzeinbußen von 1500 Euro am Tag“, sagt Zühre Sevengül. „Wenn der Dauerstreik kommt, dann wäre das eine echte Katastrophe.“ Sie habe schließlich laufende Kosten in Höhe von 3000 Euro im Monat. Für Miete. Für Mitarbeiter. Wie lange könnte sie einen unbefristeten Ausstand finanziell verkraften? „Eine halbe Woche könnte man überleben, dann ist der Ofen aus – dann geht nichts mehr.“

Auch Hans-Joachim Jensen macht sich große Sorgen. Sein Kiosk ist ebenfalls am Goetheplatz – allerdings in einem öffentlichen Durchgang, der bei einem Streik begehbar bleibt. Trotzdem hatte auch er an den beiden Warnstreik-Tagen massive Einbußen. „50 bis 75 Prozent der Einnahmen fallen weg“, erklärt der 54-Jährige. Das Früh- und Abendgeschäft quasi komplett. Jensen fürchtet: „Wenn das ganze länger dauert, muss man vielleicht seine Mitarbeiter entlassen.“ Er beschäftigt eine feste Kraft und eine Aushilfe. Jensen hat kein Verständnis für den Streik – in Zeiten von Kurzarbeit und Entlassungen.

Verdi rechnet damit, dass eine Mehrheit für den Streik stimmt

Allein in München sind derzeit sieben Abstimmungslokale eingerichtet, in denen die Streik-Frage gestellt wird. „Die Beteiligung an der Urabstimmung war heute Früh sehr gut“, erklärte Verdi-Verhandlungsführer Frank Riegler. Er geht fest davon aus, dass die nötigen 75 Prozent erreicht werden. Die Gewerkschaftsmitglieder können noch bis Dienstag votieren. Derweil wird schon die Streiktaktik ausgearbeitet. Ende nächster Woche wollen Verdi und die dbb-Tarifunion Ernst machen. Vorgesehen ist offenbar, dass nicht ausschließlich die Fahrzeuge lahm gelegt werden. Sondern dass zeitweise „nur“ die Automaten– oder Fahrzeug-Wartung gestört wird.

MVG-Chef Herbert König verteidigte gestern noch einmal den Einstellungsstopp, den er im Tarifstreit verfügt hat. „Kein Unternehmer schließt neue Verträge, wenn die Konsequenzen für die Firma und die Arbeitsplätze völlig unklar sind.“

Julia Lenders

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.