Dann hat's gschnackelt

Mathilde und Josef Eder feiern Eiserne Hochzeit. Hier erzählen sie, wie sie das geschafft haben.
von  Rudolf Huber

MÜNCHEN Der erste Blick genügt: Die zwei Menschen, die da gemütlich in ihrem Wohnzimmer auf einem Zweier-Sofa zusammen sitzen, liegen auf einer Wellenlänge. Die erkennen sofort, wie der andere gerade gelaunt ist. Und trotz unterschiedlicher Temperamente sind Mathilde und Josef Eder nicht nur ein gutes Zweierteam, sondern nach wie vor auch ein Liebespaar – für die guten und für die nicht so guten Tage. Heute feiern sie Eiserne Hochzeit.

65 Jahre verheiratet – wie macht man das? Eine derartig lange Partnerschaft fällt einem nicht in den Schoß, das wissen die Jubilare ganz genau. „Man muss auch mal zurückstecken können”, ist eine ihrer Überzeugungen.

Gibt’s noch weitere Rezepte für eine derartig lange funktionierende Partnerschaft? Für eine Dauer-Zweierbeziehung in einer Zeit, in der statistisch gesehen täglich zehn Münchner Paare geschieden werden? Vielleicht erklärt ja ein Blick in die Vergangenheit den Ehe-Trick.

Mathilde und Josef Eder haben sich 1939 kennengelernt. Sie half im Büro des Onkels aus, bei dem der fesche junge Josef angestellt war. „Sie ist mir aufgefallen”, erinnert sich der 89-Jährige. „Und dann hat’s gschnackelt.”

Ende 1945 kam der junge Soldat aus dem Krieg heim. Fürs Hochzeitskleid hatte er Moskitonetze organisiert, die die Tanten zu einem festlichen Gewand zusammennähten. „Eiskalt war’s bei der Hochzeit”, erinnert sich Josef Eder. „Du hast richtig geschnattert vor Kälte”, sagt er zu seiner Frau. Der Moment von vor 65 Jahren ist plötzlich wieder ganz nah. Auch das gute Essen, das in diesen Notzeiten völlig aus dem Rahmen fiel. Sogar einen Becher Sahne hatte ein Onkel besorgen können – eine Offenbarung.

Wie es dann weiterging bei Familie Eder zeigt deutlich, was ihre Beziehung über all die Jahre jung gehalten hat: Sie haben sich intensiv aufeinander eingestellt, ihr Leben immer gemeinsam geplant und gemeistert, keine Ego-Trips eingelegt.

Das ging sogar so weit, dass Mathilde Eder ihren Beruf als Buchhalterin aufgab. „Und dann hat sie mich betreut”, sagt ihr Mann. Weil nämlich Josefs Rund-um-die-Uhr-Schichtdienst als Trambahnschaffner an die Substanz ging – und zwar an die von beiden. Gemeinsame Freizeit gab’s praktisch nicht, zu ihrer Lieblingsbeschäftigung, dem Bergkraxeln, kamen sie kaum noch. „Wir haben festgestellt, dass es so nimmer geht.” Und ihrer Beziehung zuliebe die Konsequenzen gezogen. Denn: „Das wäre ein Punkt gewesen, wo es hätt’ auseinandergehen können.”

Der Berufs-Ausstieg half. So oft es ging, fuhren sie jetzt mit dem Zug ins Gebirge, verbrachten ihre Urlaube in Selbstversorgerhütten: „Das war herrlich!” Noch mit 80 waren sie unterwegs, bis es halt nicht mehr ging. Heute schaut sich der 89-Jährige im Internet die Hütten an, die sie früher besucht haben. Das Laptop, sein erstes, haben ihm die Nachbarn zum 88. Geburtstag geschenkt. Außerdem hört Josef Eder gerne Radio – auf Kurzwelle. Nachrichten aus anderen Ländern. Oder Volksmusik. Seine Frau liest, oder sie löst Kreuzworträtsel.

Mit dem Laufen haut es nicht mehr so gut hin bei Mathilde Eder. Drum erledigt ihr Mann die meisten Besorgungen. Mit dem Einkaufs-Trolley geht er zum Supermarkt. Oder er fährt zum Viktualienmarkt – „das ist meine zweite Heimat, da hab’ ich immer meine Standl, es gibt einen Ratsch – und eine Halbe im Biergarten darf ich ja auch noch trinken.”

Warum ihr Mann gleich mehrere Radios braucht, kann Mathilde Eder nicht so ganz verstehen. Aber sie sieht das ganz gelassen: „Jeder hat eine Sucht. Und er hat halt die.”
Diese Bemerkung kennzeichnet gut die große Portion Toleranz, die auch zu einer solchen Beziehung gehört. Genauso wie ein fetziger Krach. „Streiten gehört dazu”, weiß Mathilde Eder aus Erfahrung. „Man kann nicht immer einer Meinung sein. Dann muss halt einer nachgeben.” Man sollte nur versuchen, sich dann möglichst schnell wieder zu vertragen.

Meistens sind’s ja Kleinigkeiten, an denen sich so ein Zwist entzündet – „und hinterher weiß man dann selber nimmer, warum das hat sein müssen.” „Den goldenen Mittelweg finden – das war immer mein Prinzip”, verrät Josef Eder seine Lebens-Philosophie. „So sind wir immer durchgekommen.” Bis zur Eisernen Hochzeit – und weiter.

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