Dallmayr-Roman: Wie die Banane nach Bayern kam

Dallmayr kennt der Münchner. Lisa Graf hat um das berühmte Delikatessenhaus eine fiktive Geschichte gesponnen - die viel Wahres über das Leben in der Stadt um 1900 erzählt.
von  Ruth Frömmer
Das Dallmayr-Haus im November 2021.
Das Dallmayr-Haus im November 2021. © Daniel von Loeper

München - Wenn Sie einen ausgiebigen Spaziergang durch das München der Jahrhundertwende unternehmen möchten, brauchen Sie Ihre Wohnung gar nicht zu verlassen. Der Roman "Dallmayr. Der Traum vom schönen Leben" von Lisa Graf entführt Sie unterhaltsam und sehr bildreich in diese spannende Epoche.

Anders als man meinen möchte, handelt es sich hier nicht um eine Dallmayr-Familienchronik. Im Gegenteil. Das Unternehmen möchte sich zu der großteils erfundenen Geschichte überhaupt nicht äußern. Aber worum geht es dann?

Die Autorin Lisa Graf.
Die Autorin Lisa Graf. © Carina Engle

Als Kind war Autorin Graf immer mit Oma bei Dallmayr

Die Autorin Lisa Graf kennt Dallmayr wie die meisten: Ihre Oma aus Giesing hat sie als Kind oft mit dorthin genommen, sie war fasziniert von den schönen Schaufenstern und den erlesenen Spezialitäten, mehr nicht. Vor ein paar Jahren ist sie über einen Zeitungsartikel auf Therese Randlkofer aufmerksam geworden. Dass eine Frau am Ursprung des großen Dallmayr-Erfolgs stand, fand Graf bemerkenswert.

Über Familie Randlkofer ist fast nichts bekannt

Nachdem ihr Mann Anton nur wenige Jahre, nachdem sie gemeinsam Dallmayr übernommen hatten, gestorben war, führte Therese Randlkofer das Unternehmen ab 1897 ganz alleine weiter. So viel ist allgemein bekannt. Aber wer mehr über das Unternehmen und die Familie wissen möchte, erfährt nicht viel mehr als ein paar allgemeine Eckdaten.

Das Künstler-Café Stefanie in Schwabing hat es tatsächlich einmal gegeben - sogar auf Postkarten.
Das Künstler-Café Stefanie in Schwabing hat es tatsächlich einmal gegeben - sogar auf Postkarten. © Stadtarchiv

Und so hat Graf angefangen zu recherchieren, hat sich in die Bayerische Staatsbibliothek und ins Stadtarchiv vergraben und alles gelesen, was sie über die damalige Zeit in die Finger bekommen konnte. Das waren Chroniken, aber auch Zeitzeugenberichte wie Tagebuchaufzeichnungen.

Um sie geht's im Buch: Therese Randlkofer.
Um sie geht's im Buch: Therese Randlkofer. © Weinmayer

Fakten und Fiktion ergänzen sich

Ihr Roman basiert auf vielen Tatsachen, angereichert durch erfundene Geschichten und Personen. Denn Charakter und Eigenschaften der Randlkofer-Familie sind nicht überliefert.

Graf hat versucht, sich anhand der mageren Fakten, die sie über Therese Randlkofer hatte, ein Bild zu machen, hat sich gefragt "was war das wohl für eine Persönlichkeit?" Sie konnte sicher gut delegieren und hat leidenschaftlich das gemacht, was sie gut konnte: kochen. Auch ein gewisses Durchsetzungsvermögen wird sie wohl gehabt haben.

22. Juni 1898: eine Probefahrt auf der elektrischen Trambahnlinie Hauptbahnhof (Arnulfstraße) - Bogenhausen. Solche Ereignisse streift das Buch nebenbei.
22. Juni 1898: eine Probefahrt auf der elektrischen Trambahnlinie Hauptbahnhof (Arnulfstraße) - Bogenhausen. Solche Ereignisse streift das Buch nebenbei. © Stadtarchiv

Ein bisschen Spannung darf nicht fehlen

Ihre Mitarbeiterführung muss für die damalige Zeit vorbildlich und fortschrittlich gewesen sein. Schon früh gab es bei Dallmayr Urlaubsregelungen und Krankenfortzahlungen. Bis heute ist die Mitarbeiter-Fluktuation bei Dallmayr sehr gering.

Aber das allein ist noch keine unterhaltsame Geschichte. Lisa Graf hat schon viele Krimis geschrieben und weiß, in einen Roman muss Spannung, um die Leser am Ball zu halten. Und die baut sie mit ausgedachten Geschichten und Figuren auf. Im Roman wohnt im Dallmayr-Haus neben den drei Randlkofer-Kindern Herrmann, Elsa und Paul, die es tatsächlich gab, mit Balbina noch eine weitere, fiktive Figur.

22. Juni 1898: eine Probefahrt auf der elektrischen Trambahnlinie Hauptbahnhof (Arnulfstraße) - Bogenhausen. Solche Ereignisse streift das Buch nebenbei.
22. Juni 1898: eine Probefahrt auf der elektrischen Trambahnlinie Hauptbahnhof (Arnulfstraße) - Bogenhausen. Solche Ereignisse streift das Buch nebenbei. © Stadtarchiv

Als Inspiration diente Graf das Bewerbungsschreiben einer Frau namens Balbina Lutzenberger an das Haus Dallmayr, das sie im Stadtarchiv ausgegraben hat. Die Figur im Buch ist ebenso wie die Charaktere der anderen Figuren erfunden.

Albert Einstein hat einen Gastauftritt

Am Rande der Geschichte tauchen auch viele weitere Personen und Ereignisse der Belle Époque in München auf. Albert Einstein, der auf der Wiesn die Lampen ins Schottenhamel-Festzelt schraubt, Fanny Gräfin zu Reventlow, die hochschwanger im Café Stefanie in Schwabing sitzt, in das sich die Romanfigur Elsa Randlkofer bei einem Ausflug in die Künstlerszene verirrt. Das Café gab es wirklich.

Dort trifft der Leser auch auf einen Schachspieler, für den Erich Mühsam als Vorbild diente. Ein fiktiver Dallmayr-Mitarbeiter ist der Cousin eines gewissen Valentin Ludwig Fey. Auch der Tod von Sisi, der Bau des Neuen Rathauses und die Inbetriebnahme der elektrischen Straßenbahnen streifen die Geschichte.

Früher war Dallmayr königlich bayerischer Hoflieferant 

Den Rahmen bildet aber das berühmte Delikatessenhaus, das Therese Randlkofer schon im Jahr 1899 durch den Kauf des angrenzenden Hauses in der Dienerstraße erweiterte und zum königlich bayerischen Hoflieferanten für den deutschen Kaiserhof und 14 weitere europäische Fürsten- und Königshäuser machte.

Die Spezialitäten wie Kaviar, Hummer, lebende Tafelkrebse, Lachs, Schinken und Schokolade waren damals spektakulär. Ebenso wie die Bananen, die Dallmayr tatsächlich erstmals nach Bayern gebracht hat. Die Geschichte, wie das passiert ist, erzählt Graf in einem fiktiven Handlungsstrang, der den Randlkofer-Sohn Hermann nach La Palma führt.

Zwei Fortsetzungen sind schon geplant

Der Roman endet mit der Silvesternacht der Jahrhundertwende, und man möchte am liebsten weiterlesen. Immerhin: Zwei weitere Bände sind schon in Planung. Ein Blick auf die Geschichte ab 1900 verspricht noch viel Unterhaltung rund um München, seine Bewohner und das berühmte Delikatessenhaus.

Das festlich geschmückte Dallmayr-Haus im Jahr 1919.
Das festlich geschmückte Dallmayr-Haus im Jahr 1919. © Stadtarchiv

Die Entwicklung von Dallmayr

1700: Der Münchner Kaufmann Christian Reiter eröffnet ein Handelsgeschäft in der Dienerstraße 15.

1870: Alois Dallmayr aus Wolnzach übernimmt das Geschäft 1895 Anton und Therese Randlkofer kaufen das Geschäft.

1897: Anton Randlkofer stirbt, Witwe Therese entwickelt Dallmayr zum führenden Delikatessenhaus mit 15 Hoflieferantentiteln.

1912: Das Stammhaus in der Dienerstraße wird um zwei Gebäude erweitert, rund 70 Mitarbeiter arbeiten nun für Dallmayr.

1933: Der Bremer Kaffeekaufmann Konrad Werner Wille richtet die Spezialabteilung für Kaffee ein 40er Jahre Stammhaus restlos zerstört.

1950er Jahre: Paul Randlkofer und Konrad Werner Wille kümmern sich um den Wiederaufbau.

1977: Wolfgang Wille und Georg Randlkofer übernehmen die Geschäftsleitung.

2006: Spitzenrestaurant Dallmayr und Café-Bistro entstehen.

2015: Florian Randlkofer leitet das Unternehmen gemeinsam mit Wolfgang Wille.


Lisa Graf: Dallmayr. Der Traum vom schönen Leben, Penguin Verlag, 15 Euro

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.