CSU-Strategie gegen Rechts stößt auf scharfe Kritik

Streit um den richtigen Weg: Der bayerische Innneminister hat die „Informationsstelle gegen Extremismus“ vorgestellt. Das „Bürgertelefon“ ist direkt beim Landesamt für Verfassungsschutz angesiedelt. Und das erzürnt SPD und Grüne: Sie vermissen die Unabhängigkeit.
von  Abendzeitung
Streit über die richtige Strategie im Kampf gegen Neonazis: SPD und Grüne lehnen die neue „Informationsstelle gegen Extremismus“ ab.
Streit über die richtige Strategie im Kampf gegen Neonazis: SPD und Grüne lehnen die neue „Informationsstelle gegen Extremismus“ ab. © Mike Schmalz

MÜNCHEN - Streit um den richtigen Weg: Der bayerische Innneminister hat die „Informationsstelle gegen Extremismus“ vorgestellt. Das „Bürgertelefon“ ist direkt beim Landesamt für Verfassungsschutz angesiedelt. Und das erzürnt SPD und Grüne: Sie vermissen die Unabhängigkeit.

Das Projekt der Staatsregierung hatte bereits im Vorfeld für heftige Kritik aus der Opposition, von Stadträten und unabhängigen Verbänden gesorgt – gestritten wird um den richtigen Weg im Kampf gegen Neonazis: Gestern stellte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nun erstmals die „Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus“ vor – und die ist direkt im Landesamt für Verfassungsschutz angesiedelt.

Neun Regionalbeauftragte gegen Rechtsextremismus

„Unser Hauptziel ist es, Kinder und Jugendliche vor rechten Rattenfängern zu bewahren“, so der Minister. Kernstück des Projekts ist ein „Bürgertelefon“, das als Anlaufstelle für Lehrer, Eltern, Schüler und Bildungseinrichtungen dienen soll. Ab dem nächsten Schuljahr wird außerdem das Internetportal „Bayern gegen Rechtsextremismus“ starten und neun „Regionalbeauftragte“ bei Problemen vor Ort in Kommunen und Schulen helfen – ob bei Fragen zum Immobilienerwerb von Rechtsextremisten, braunen Aufmärschen oder Nazi-Propaganda.

Der Anrufer landet direkt beim Verfassungsschutz

Das zentrale „Bürgertelefon“ ist ausschließlich von fünf Verfassungsschützern und zwei Polizisten besetzt (089/21 92 21 92). Minister Herrmann will darin keine „Hemmschwelle“ für Jugendliche erkennen: „Ich glaube nicht, dass irgendjemand ein Problem hat, bei der Polizei anzurufen und die meisten Menschen machen sich doch keine Gedanken darüber, ob da ein Lehrer, Polizist oder Verfassungsschützer am Telefon sitzt.“ Siegfried Benker sieht darin eine große Gefahr: „Ich halte es für höchst bedenklich, wenn Anrufer eine unabhängige Infostelle erwarten, aber in Wirklichkeit direkt beim Verfassungsschutz landen“, so der Fraktionschef der Grünen im Münchner Rathaus.

"Eine solche Infostelle müsste unabhängig sein"

„Eine solche Infostelle müsste unbedingt unabhängig sein“, fordert der SPD-Landtagsabgeordnete Florian Ritter: „Der Innenminister will offenbar die Deutungshoheit darüber, wer im Kampf gegen Nazis akzeptiert wird und wer nicht.“ Als Sprecher der SPD-Fraktion für Fragen des Rechtsextremismus im bayerischen Landtag befürchtet Ritter, „dass gerade antifaschistische Schüler und engagierte Bürger bei dieser Stelle nicht anrufen und somit ausgegrenzt werden. Viele Menschen haben in den letzten Jahren schlechte Erfahrungen in Bayern mit Polizei und Verfassungsschutz gemacht: Gerade aktive Bürger wurden in Gräfenberg oder Dorfen bei Protesten gegen Neonazis als Extremisten diffamiert und wie Straftäter verfolgt.“

Die Grünen befürchten weitere Diffamierungen linker Projekte

Mit dem Projekt werde das zivilgesellschaftliche Engagement an den Rand gedrängt, sagte Benker zur AZ: „Die CSU will die Definitionsmacht über alles, was sie als extremistisch ansieht. Es ist zu befürchten, dass Diffamierungskampagnen gegen profilierte linke Projekte wie die Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle (A.I.D.A) in München im Rahmen der Beratung am Bürgertelefon durch den Verfassungsschutz fortgesetzt werden.“

Michael Backmund

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