CSU-Bezirksparteitag in München: Postengeschacher im Hintergrund

München – Vielleicht ist es nur ein ungewollter Zufall, aber wer weiß das schon. Als Münchens durchaus stattlicher CSU-Chef Ludwig Spaenle am Montagabend im Begrüßungsgedränge zum CSU-Bezirksparteitag im Hofbräukeller auf die zierliche Landtagsabgeordnete Mechthilde Wittmann trifft, streift er sie hart im Rücken. Sie behält das Gleichgewicht, blickt sich genervt nach dem Rempler um. Und schweigt. Man darf sich aber vorstellen, dass sie innerlich gekocht hat.
Grund genug hätte sie jedenfalls dafür, auch ohne diesen Zusammenprall. Beim letzten Parteitag mit Vorstandswahlen vor zwei Jahren im selben Saal war Mechthilde Wittmann, damals noch eine der vier Stellvertreterinnen Spaenles, von den Delegierten krachend abgewählt worden – dabei gab es nicht einmal einen Gegenkandidaten. Eine lange vorbereitete Watschn dafür, so mutmaßten viele in der CSU, dass die ehrgeizige und talentierte Blondine sich von der Parteiführung nicht gängeln lässt. Sondern kritisch eigene Standpunkte vertritt. So etwas nervt einen wie Ludwig Spaenle. Und es nervt andere in der Münchner CSU, die Wittmann als Konkurrentin um begehrte Posten fürchten. Ihr wird ein guter Draht zu Ministerpräsident Horst Seehofer nachgesagt. Zuletzt hat er sie oft gelobt.
Diesmal ist Mechthilde Wittmann also wieder im Saal, aber nicht mehr als Kandidatin für einen Stellvertreterposten, sondern als eine der 89 Delegierten der Kreisverbände (am Tisch mit dem Landtagsabgeordneten Joachim Unterländer, Personalreferent Alexander Dietrich und CSU-Stadträtin Kristina Frank.) Trotzdem ist Wittmann Tuschelthema Nummer eins.
Grund dafür ist ein Männerstreit, den Spaenle im Mai an einer Prager Hotelbar gehabt haben soll – mit Wittmanns Lebensgefährten, dem mächtigen CSU-Landtagsfraktionschef Thomas Kreuzer. Der soll, so berichtete die Bild-Zeitung kurz vor dem Parteitag, Spaenle attackiert haben – weil der Wittmann zu wenig vor CSU-internen Intrigen schütze und sich zu wenig für Wittmanns Karriere stark mache.
Parteiinterne Grabenkämpfe
Es geht um parteiinterne Grabenkämpfe um Wittmanns Landtagsposten, den andere in der Partei ihr bei der Wahl 2018 abnehmen möchten – wie CSU-Stadträtin Evelyne Menges, die intern Absichten bekundet hat.
Und es geht, mehr noch, um die Frage, ob Ministerpräsident Horst Seehofer Wittmann anstelle von Georg Eisenreich als Kultus-Staatssekretärin in sein Kabinett holen könnte: Eisenreich (ebenfalls einer von Spaenles Stellvertretern im Bezirksvorstand) ist bei Seehofer in Ungnade gefallen, seit er sich am lautesten in der Münchner CSU für Seehofers Intimfeind Markus Söder als künftigen Ministerpräsidenten stark macht.
Als Horst Seehofer also als Ehrenredner im Hofbräukeller die Bühne betritt, schlägt er erst Mal einen weiten Bogen. Er lobt Helmut Kohl als "politischen Giganten", attackiert SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz und ruft die Parteifreunde im Saal zum "Häuserwahlkampf" für die Bundestagswahl im September auf. Dann wird er auf einmal gefährlich leise und sagt, zweimal sogar: "Der Sieg ist dort, wo Eintracht herrscht." Ein klarer Fingerzeig auf die für die Münchner CSU-typischen Ränkespielchen um begehrte Posten – und wohl auch auf interne Versuche, Wittmanns Karriere auszubremsen. Wem hier gerade Seehofers Gunst gehört und wem nicht, daran lässt der Ministerpräsident keinen Zweifel: Er dankt Ludwig Spaenle ausführlich für seine Arbeit als Kultusminister, zeigt sich "stolz" auf Münchens Bürgermeister und Partei-Vize Josef Schmid, lobt umschweifend den jungen CSU-Vizegeneralsekretär Markus Blume, der intern als größter Konkurrent von Staatssekretär Eisenreich gilt: Blume könne es "gar nicht vermeiden, dass er noch mehr wird", sagt Seehofer, und: "Seht ihn als Chance – und nicht als Gefahr." Georg Eisenreich allerdings nennt er gerade mal einen "harten Knochen". Ein knappes "Danke", mehr nicht. Das sitzt.
Eintracht bei Vorstandswahl
Bei der Vorstandswahl im Anschluss zeigen die Münchner Delegierten immerhin die vom Chef verordnete Eintracht: Sie bestätigen Ludwig Spaenle mit fast 90 Prozent (79 Ja-Stimmen) im Amt. Außerdem als Stellvertreter wie bisher: Josef Schmid (79 mal Ja), Friederike Steinberger (70 mal Ja) und Evelyne Menges (73 mal Ja).
Weit abgeschlagen aber: der vierte Vize, Georg Eisenreich. Fast ein Dutzend Delegierte verlassen unauffällig den Saal, ein paar setzen ungültige Kreuze. Bleiben magere 61 Ja-Stimmen, ein sattes Viertel weniger, als Schmid sie hat. Das dürfte ein Denkzettel sein – zumal aus dem Lager der Wittmann-Freunde.
"So läuft es eben, wenn einer zuviele Fäden gegen andere spinnt", sagt ein Delegierter, der nicht genannt werden will. Womöglich wird es enger für den Staatssekretär, auch an der Basis. Irene Kleber
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