Couchsurfing zur Wiesn – Ansturm auf kostenlose Privatunterkünfte
MÜNCHEN - Zur Wiesn herrscht in der Wohngemeinschaft von Michael Mayer stets Hochbetrieb. Über das Online-Netzwerk Couchsurfing bietet der 22-Jährige Rucksack-Touristen aus der ganzen Welt eine Unterkunft in seiner WG in Holzkirchen bei München an.
Drei Doppelmatratzen liegen in einem Zimmer ohne Möbel auf dem Boden, darauf die ausgerollten Schlafsäcke. Dazwischen stehen Koffer, Rucksäcke und Schuhe. Über der Gardinenstange hängen feuchte Handtücher. "Hier schlafen zurzeit fünf Leute, aber es passen locker noch mehr rein", sagt Mayer. Letztendlich hänge es nur davon ab, wie nah die Leute zusammenrückten. Drei weitere Zimmer hat Mayer für die 17 Oktoberfest-Tage in Matratzenlager umgemodelt, auch das Wohnzimmer. "Das Couchsurfing gehört zu unserer WG einfach dazu", sagt der Student.
Mehr als zwei Millionen Couchsurfer
Die Internet-Plattform Couchsurfing gibt es seit 2004. Ziel des nicht-kommerziellen Netzwerks ist es, dass Menschen auf ihren Reisen Freundschaften knüpfen und so in einen kulturellen Austausch treten. Auf der Internetseite kann sich jeder ein Profil erstellen. Ein paar Informationen über die eigene Person, eine Angabe, wie viele Schlafplätze man bereitstellt, und los geht’s. Von seinen Gästen verlangt man kein Geld. Wer aber Couchsurfer bei sich zu Hause aufnimmt, findet im Gegenzug an vielen anderen Orten der Welt eine Couch, auf der er schlafen darf. Das Netzwerk zählt heute weltweit mehr als zwei Millionen Mitglieder, über 200 000 davon in Deutschland.
Im Moment sind acht Leute bei Mayer zu Gast. Das Maximum ist damit aber noch lange nicht erreicht. Für das Wochenende erwartet er rund 30 Couchsurfer. "Abends, wenn alle von der Wiesn nach Hause kommen, laden wir dann all unsre Freunde ein und machen eine riesige Wiesn-After-Party", sagt Mayer. Der Student ist seit zwei Jahren Mitglied von Couchsurfing.
"Leicht durchgeknallte Leute"
Nach einer Reise in Südamerika, bei der er selbst viel Gastfreundschaft erfahren hatte, wollte er etwas zurückgeben. Als er mit Freunden eine WG in einem Einfamilienhaus gründete, war klar, dass dort immer viel Platz für Couchsurfer sein würde. Auf der Internetseite bewirbt er seine Gastgeber-Qualitäten mit den Worten: "Ich kann euch Gitarrespielen beibringen, wie man Bairisch spricht und wie man eine Lederhose richtig trägt."
Kurz vor dem Oktoberfest bekommt Mayer so viele Anfragen wie sonst nie. Schließlich sind die Gäste nach einer halben Stunde Bahnfahrt von Holzkirchen aus direkt in der Münchner Innenstadt. Trotzdem sagt Mayer gelegentlich auch Leuten ab. Er schaut sich das Profil der Couchsurfer genau an, ihm ist wichtig, dass die Leute zu ihm passen. Zur Wiesn-Zeit brauche er "leicht durchgeknallte Leute", mit denen er so richtig einen draufmachen könne, sagt er. So wie Adam zum Beispiel. Der Couchsurfer aus San Francisco zwängte sich am ersten Wiesn-Wochenende in das Dirndl von Mayers Mitbewohnerin und spazierte so über die Theresienwiese.
Am Abend steht Adam in der Küche, schneidet Basilikum klein für die Pasta, die er für die WG-Bewohner und die anderen Couchsurfer zubereitet. Liz aus Sydney schnippelt Champignons, die Amerikanerin Zoe, die gerade erst angekommen ist, sitzt auf einem Küchenstuhl, spielt Gitarre und singt eines ihrer selbst geschriebenen Lieder. Bisher hat Michael Mayer die Couchsurfing-Seite nur als Gastgeber genutzt. Irgendwann will er aber seine eigene Weltreise machen, das hat er fest vor. Dann will er auch all die Menschen besuchen gehen, die er schon beherbergt hat. Und auf ihrer Couch schlafen.
dpa
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