Corona-Stillstand: Gespenstische Stille am Münchner Flughafen
München - So leere Hallen hat man wohl am Flughafen Franz Josef Strauß zuletzt gesehen, als das erste Terminal 1992 fertiggestellt wurde. Normalerweise läuft alles unter Volllast. Zwischen 400.000 und 500.000 Flugbewegungen zählt man hier üblicherweise pro Jahr. Das sind etwa 1.100 Flüge pro Tag, mit 120.000 Passagieren.

Flughafen München begrenzt Kosten massiv
Zur Zeit stehen auf den Displays der beiden Terminals je ein Dutzend Starts und Landungen für Passagierflieger pro Tag. An Terminal 1 wurden die Passagierkontrollen im Bereich C gebündelt. Passagiere laufen einem eh selten über den Weg. Die Mitarbeiter der Flughafen München GmbH (FMG) sind so ziemlich die einzigen, die man durch die Hallen geistern sieht. Etwa fünf Prozent des Üblichen beträgt das Verkehrsaufkommen derzeit. Der Flughafen begrenzt als Reaktion die Kosten massiv und hofft auf bessere Zeiten.
Noch hat man laut eines Flughafensprechers keine staatlichen Hilfen beantragt. Erst vor einigen Tagen kündigten die FMG und ihre Abfertigungstochter AeroGround jedoch massive Kurzarbeitsregelungen wegen der Corona-Krise an. "Die Kurzarbeit wird uns helfen, den Schaden (...) zu begrenzen", sagte Jost Lammers, Vorsitzender der FMG. Fast 40.000 Mitarbeiter sind hier beschäftigt.
"Die Zeit vergeht einfach nicht"
Es beschleicht einen das Gefühl: Lange geht das nicht gut, auch nicht mit Kurzarbeit. Die Info-Mitarbeiter schauen bange hinter ihren Glasfronten hervor. Kaum Fluggäste, die irgendetwas wissen wollen. "Die Zeit vergeht einfach nicht", sagt eine von ihnen, "nach dem Oktoberfest zum Beispiel, da freuen wir uns, dass deutlich weniger los ist. Aber so ist es ja auch kein Zustand", sagt eine andere.
Bars, Biergärten, Imbisse, Cafés und Einzelhändler: Das Licht ist ausgeschaltet, die Stühle sind hochgestellt. Manche haben ein rot-weißes Absperrband um die Stühle gespannt. Eine Frau in einem Frühstücksladen sortiert das Gebäck. Kundschaft? "Vor einer Woche kamen wenigstens Mitarbeiter des Flughafens zur Mittagszeit", sagt sie. Aber auch dieser Umsatz sei völlig eingebrochen, seit Kurzarbeit herrscht.
Bedrückende Stimmung am Flughafen München
Die Situation wirkt apokalyptisch bedrückend. Es ist so still, dass die automatischen Rolltreppen die Geräuschkulisse bestimmen. In Terminal 2, wo normalerweise Tausende Menschen zum nächsten Flug hasten, läuft einem fast niemand über den Weg. Aus dem Nichts taucht ein Geräusch auf, wie eine kleine Kreissäge: Es ist ein automatisches Dönermesser, das am Fleischspieß auf- und abfährt. Ein Kunde wartet auf Döner, zwei Männer bedienen ihn.

Keine dritte Starbahn?
Einer, der oft vor einer zu großen Abhängigkeit der Region vor einem so großen Arbeitgeber gewarnt hat, ist der ehemalige, langjährige Landtagsabgeordnete Christian Magerl, der schon 1986 erstmals in den Landtag einzog. "Niemand hätte so eine Krise erahnt", sagt er, "aber ich glaube, über eine dritte Startbahn braucht man in Zeiten von Klimaprotesten, Klimakrise und jetzt Corona-Krise nicht mehr nachzudenken."

Magerl, ein Fachmann für Vogelkunde und Honorarprofessor, engagiert sich seit Jahren gegen die Erweiterung. Schon beim Bau des Flughafens stemmte er sich gegen das Projekt. Heute ist er der Sprecher des Bündnisses "Aufgemuckt" gegen die dritte Startbahn. "Warum muss man die Zahl der Flüge immer weiter in die Höhe treiben?", fragt er sich.
Auch der Rentner Franz Spitzenberger (67) engagiert sich gegen die dritte Startbahn und glaubt, dass die Corona-Krise zu einer Abkehr von den Plänen beitragen könnte. Er ist Vorsitzender der Bürgerinitiative Attaching, seiner Heimat, nördlich des Flughafens. "Vom Schreibtisch aus sehe ich die Flugzeuge", sagt er, "aber nicht verwechseln, wir sind nicht gegen den Flughafen. Er ist ein wichtiger Arbeitgeber, auch für viele Attachinger."
Woran man in Attaching merke, dass momentan viel weniger Flugzeuge starten und landen? "Es riecht deutlich seltener nach Kerosin", sagt er.
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