Corona-Schutzimpfung: Münchner Tropeninstitut sucht dringend Probanden
München - Weltweit tüfteln Wissenschaftler und Pharmaunternehmen daran, rasch einen Corona-Impfstoff zu entwickeln. Was sonst viele Jahre dauert, soll jetzt binnen Monaten geschehen - "Lightspeed" (Lichtgeschwindigkeit) nennt etwa das Mainzer Unternehmen Biontech sein Impfstoffprojekt, das es mit dem US-Riesen Pfizer vorantreibt. Die Entwicklung zählt zu den aussichtsreichsten weltweit.
Aber schon jetzt ist klar: Auch die Zulassung eines Impfstoffs wird die Pandemie nicht sofort beenden. Experten weisen darauf hin, dass kein Impfstoff eine 100-prozentige Wirksamkeit erreicht, also nicht jeder Geimpfte zuverlässig vor einer Infektion geschützt sein wird.
Das ist nicht ungewöhnlich. Beim Masernimpfstoff etwa ist die Effektivität mit 95 Prozent relativ hoch. Grippeimpfstoffe erreichen 60 bis 70 Prozent. Für die Zulassung der ersten Corona-Impfstoffe hat die US-Zulassungsbehörde FDA eine Wirksamkeit von 50 Prozent als Ziel vorgegeben. Mindestens. In der EU gibt es noch keine Empfehlung.
"Es ist möglich, dass erste Impfstoffe nicht immer verhindern können, dass es zu einer Ansteckung kommt", sagt Arne Kroidl, leitender Prüfarzt für Corona-Impfstudien am Tropeninstitut des Klinikums der Universität München. "Allerdings ist ein deutlicher Effekt hinsichtlich klinischer Symptome oder schwerer Verläufe zu erwarten, eine verminderte Viruslast würde zudem eine verminderte Infektiosität wahrscheinlich machen." Auch das: ein Erfolg.
Ein einziges Mal Impfen wird wohl nicht ausreichen
Viele Experten erwarten, dass für eine wirksame Immunisierung eine Impfdosis nicht ausreicht. Wahrscheinlich werde ein mehrfaches Impfen nötig sein, sagt Clemens Wendtner, Chefarzt der Klinik für Infektiologie in der München Klinik Schwabing.

Um die Hälfte der Weltbevölkerung zwei Mal zu impfen, wären knapp acht Milliarden Dosen nötig, rechnet die Vorsitzende der Verbandsgruppe Impfungen Europa, Sue Middleton, vor. Die globale Kapazität liege derzeit aber bei nur etwa fünf Milliarden Dosen pro Jahr - zur Herstellung aller verfügbaren Impfstoffe. Bis große Bevölkerungsteile geimpft sind, wird es dauern.
Gerade wenn die erste Impfphase in den nächsten Sommer fallen würde, in dem - so die Hoffnung - die Zahlen jahreszeitlich bedingt zurückgehen, könnte sie die Zahl der Infektionen deutlich reduzieren, hoffen die Wissenschaftler. "Ich gehe schon davon aus, dass sich im Winter 2021 ein Großteil der Menschen impfen lassen kann", sagt Kroidl. Dass damit wieder etwas mehr Normalität einkehre, "erscheint durchaus realistisch".
Eine besondere Herausforderung stellen ältere Menschen dar. Bei ihnen könnte die Impfung weniger gut anschlagen, weil sie ein schwächeres Immunsystem haben. Wahrscheinlich bräuchten Senioren deshalb größere Mengen an Impfstoff, glaubt Sebastian Ulbert, Abteilungsleiter Immunologie am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie in Leipzig.
Gesundete, Gesunde, Junge, Alte: Probanden für Phase-3 nötig
Die Gruppe der Menschen ab 60 Jahren sei wie auch bei anderen Infektionen bei Corona die Gruppe mit dem höchsten Risiko für schwere und tödliche Verläufe, sagt Ulbert. Die Erfolge - etwa einer weit gediehenen chinesischen Entwicklung - stimmten vorsichtig optimistisch, dass eine Impfung auch Ältere schützen könnte.
Zudem würden Medikamente erforscht, die das Immunsystem von Senioren stärken, so dass sie auf eine Impfung besser reagieren. Weil Impfstoffe bei Menschen unterschiedlich wirken, sei es gut, dass mehrere Stoffe in Entwicklung seien, sagt Kroidl. Damit stünden womöglich für verschiedene Gruppen passende Mittel zur Verfügung.
Eine unbeantwortete Frage ist, ob Menschen nach einer Impfung das Virus weitertragen können. Ungeklärt ist auch, wie lange ein Schutz vorhält. "Deshalb macht man in einem normalen Setting jahrelang Phase-3-Studien", sagt Ulbert. Bei Corona müssten das weitere Studien nach einem Impfstart zeigen.
Münchner Tropeninstitut sucht Probanden
Dass eine Impf-Immunisierung ein Leben lang halten wird, scheint unwahrscheinlich. "Es könnte auch bei einem Covid-19-Impfstoff sein, dass man wie bei der Influenza-Schutzimpfung regelmäßig wieder geimpft werden muss", so der Schwabinger Chefarzt Wendtner.
Trotz aller Unwägbarkeiten: Die Wissenschaftler konzentrieren sich auf die nächsten Schritte - im Eiltempo. Am Münchner Tropeninstitut geht es nun darum, Probanden zu finden, möglichst schnell möglichst viele. "Ab sofort suchen wir dringend Freiwillige, um unsere Phase-3-Studien voranzubringen", sagt Kroidl. Gesucht: "Menschen aller Altersklassen, egal ob sie schon erkrankt waren oder nicht."
Interessenten möchten sich bitte am Tropeninstitut des LMU Klinikums (Leopoldstr. 5, 80802 München) per E-Mail melden: