Corona-Opfer Blumenladen: Traurige Opfer der Pandemie
München - In der Hofeinfahrt des Klosters Sankt Bonifaz mitten in München versteckt sich ein kleines Blumengeschäft - die Stiftsgärtnerei Sankt Bonifaz. Und hinter hellblauen und lila Blumen, zwischen Weinreben und Farnen hat Florist Peter Ihle (66) sein Versteck: in einer Nische stehen zwei Stühle und ein Tisch. "Hier sitze ich und warte auf Kundschaft", scherzt er. Doch eigentlich wartet er nicht, er bangt vielmehr.
Münchner Florist seit 20 Jahren Inhaber der Stiftsgärtnerei Sankt Bonifaz
Peter Ihle ist ein relativ kleiner Mann in grüner Arbeitsschürze, hat ein verschmitztes Lächeln und auch schwarzen Humor. Maiglöckchen sind seine Lieblingsblumen. Er mag ihren Duft und die Form ihrer Blüten, "und weil sie giftig sind", scherzt er. Ihle spricht leise und steht leicht gebückt, als sei er einer der Mönche. Als Florist arbeitet der 66-Jährige seit seinem 14. Lebensjahr.
Weil sein Vater Gärtner war und Ihle die Natur liebt, wurde auch er Florist. Vor 35 Jahren kam er zur Stiftsgärtnerei Sankt Bonifaz, vor 20 Jahren wurde er zum Inhaber.

Früh steht er auf, um beim Großhändler jene Blumen auszuwählen, die in seinen Augen die beste Qualität haben. Er pflegt sie dann, damit sie genau zum gewünschten Zeitpunkt in voller Blüte stehen und lange halten.
Zu Ihles Kundschaft zählen Kirchen und ihre Kirchgänger, Trauernde und Feiernde, Vier-Sterne-Hotels und deren Gäste, Arztpraxen und Ministerien, arabische Scheichs mit Zweitwohnung in München ebenso wie jene, die nicht reich sind, aber sich ab und zu an einem Strauß mit Gartenblumen erfreuen.
Corona-Krise auch bei Floristen
Hinter dem Garten der Mönche hat Ihle dafür ein paar eigene Beete, darin wachsen Rosen und Sonnenblumen, und allerlei Gräser und Blätter, um seine Sträuße mit Grün zu füllen. Nicht jeder Blumenladen habe eigene Beete, sagt Ihle. Seine Gartensträuße waren beliebt, ebenso wie seine Kräutersträuße für Maria Himmelfahrt und die Kränze für den Advent. Doch seit anderthalb Jahren ist alles anders. Mit Corona haben Kirchgängerinnen aufgehört, in die Messe zu gehen und anschließend bei Ihle Blumen zu kaufen. Die Kirchen selbst werden nicht mehr geschmückt wie zuvor, die Hotels stehen leer und die Scheichs sind in ihrer Heimat geblieben, die Laufkundschaft bleibt ebenfalls aus.

Zu Beginn der Pandemie hoffte Ihle noch, mit dem Einzug ins Homeoffice würden sich viele ihre Wohnungen mit Blumen verschönern. Heute vermutet er aber eher: "Die Leute haben sich - glaube ich - angewöhnt, im Supermarkt Blumen zu kaufen."
Wer bleibt, sind nun noch jene Kundinnen und Kunden, die seit Jahren um Ihles Qualität wissen. Die Ministerien etwa, die montags ihre Blumensträuße für die Woche abholen. Oder die Arztpraxen. Blumen am Empfang, so vermutet Ihle, sorgten für Wohlbefinden und nähmen den Menschen die Angst. Doch allein davon kann der 66-Jährige nicht leben.
Münchner Florist steckt ganzes Erspartes in den Blumenladen
Schon vor der Pandemie sei "gut" als Beschreibung dafür, wie viel er verdiente, übertrieben gewesen, erzählt Ihle. "Aber man konnte davon leben", sagt er. "Jetzt ist es ein Draufzahlgeschäft." Er habe sein ganzes Erspartes die vergangenen anderthalb Jahre in den Blumenladen gesteckt, seine Rente gehe drauf für die Miete.
Der Kampf war es ihm wert: "Es wäre echt schade, wenn wir aufhören müssten", sagt er, "schon 150 Jahre gibt es die Gärtnerei." Bloß lange durchhalten kann Ihle nun nicht mehr.
Sollte es in den kommenden Monaten nicht besser werden, muss Ihle seinen Laden schließen. "Dann muss ich aus der Wohnung raus", sagt er, "aber wo kriegst du in München eine billigere Wohnung?"
Manchmal kommt es vor, dass die ein oder andere gesprächige Kundin es sich in Ihles Sitznische bequem macht und nicht mehr aufhört zu reden. In letzter Zeit fällt es ihm jedoch schwer, sich darauf zu konzentrieren. Zu groß sind seine eigenen Nöte.
"Und dann musst du lächeln und freundlich sein und darfst keine Schwäche zeigen", sagt er. Peter Ihle hat schon angefangen, Einrichtungsgegenstände aus seiner Wohnung zu verkaufen.
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