Corona-Krise: Vier Münchner Tierpfleger im Ausland gestrandet
München – Es sollte ein dreiwöchiger Peru-Urlaub unter Freunden werden. Doch Jan Kising (35) und seine drei Spezl, allesamt Tierpfleger aus München, erleben im Corona-Chaos einen Ausnahmezustand, der scheinbar kein Ende nehmen will: keine Flüge zurück nach Deutschland, Fremdenfeindlichkeit und eine Botschaft, der es anscheinend an diplomatischem Durchsetzungsvermögen fehlt. Dabei läuft zunächst alles wie geplant. "Wir sind Anfang des Monats in Lima angekommen und gleich weiter nach Cusco. Dort haben wir die Touren gebucht – Machu Picchu, die Rainbow Mountains und eine Dschungeltour", so Kising.
Münchner während Corona-Krise im Ausland
Es habe damals noch keinerlei Informationen über einen möglichen Corona-Ausbruch oder Gegenmaßnahmen der peruanischen Regierung gegeben. Die ersten beiden Touren verlaufen reibungslos.
Das soll sich am zweiten Abend der Dschungeltour ändern. Das Coronavirus hatte nach der ersten Urlaubswoche nun auch Peru erreicht, und Präsident Vizcarra verkündete weitreichende Einschränkungen der allgemeinen Bewegungsfreiheit, einschließlich einer vollumfänglichen Grenzschließung. Die Münchner Touristen werden vor die Wahl gestellt. "Entweder wir bleiben hier für 15 Tage oder wir versuchen, so schnell wie möglich aus diesem Land rauszukommen", erzählt Kising. Sie versuchen, schnellstmöglich Cusco zu erreichen, um mit dem erstbesten Flieger in die Heimat zurückzukehren.
Die Erleichterung, in einem Bus Richtung Stadt zu sitzen, hält nicht lange. Mitten in der Nacht bringt ein heftiger Schneefall den Bus zum Stoppen. "Die Heizung ging nicht und es war eiskalt – so saßen wir dann circa sechs bis acht Stunden fest. Wir sind halb erfroren", sagt der 35-jährige Tierpfleger. Die eigentlich achtstündige Fahrt erstreckt sich so über 24 Stunden.
Kurz vor Cusco das nächste Problem: Durch die Ausgangssperre darf der Bus nicht in die Stadt fahren. Teils laufend, teils mit öffentlichen Verkehrsmitteln finden Kising und seine Mitreisenden mit viel Glück Zuflucht in einem Hostel, das nicht weit vom Flughafen entfernt ist. Doch alle Flüge nach Deutschland sind gestrichen. Von der Botschaft erfahren sie, dass es Rückholaktionen von der mehr als 1000 Kilometer weit entfernten Stadt Lima gibt. Die Situation in Cusco ist jedoch so verschärft, dass weder Taxis noch Linienbusse zur Hauptstadt fahren. Die vier Freunde müssen somit länger als eine Woche in dem Hostel ausharren. "Man durfte nur noch mit Atemmaske raus, Polizei überall", beschreibt Kising. Spazieren gehen oder jeglicher Aufenthalt außerhalb des Hostels waren verboten.
Die Einheimischen misstrauen der Gruppe aus Deutschland
Am zehnten Tag der Isolation dann die nächste schockierende Nachricht: In unmittelbarer Nähe sei ein Coronafall aufgetreten, wird über einen Mitarbeiter des Hostels weitergegeben, darum müsse die Einrichtung sofort geschlossen werden. Ihnen wird genau eine Nacht Zeit gegeben, sich eine neue Unterkunft zu suchen. Und auch hier haben die Münchner Glück im Unglück. Sie können vorübergehend in einer Ferienwohnung unterkommen.
Kising spricht von einer ablehnenden Haltung der Einheimischen gegenüber den deutschen Touristen: "Unsere Nachbarn haben richtig Angst vor uns. Wir werden dauernd beim Vermieter gemeldet, und wenn wir das Haus verlassen, werden wir gefilmt." Auch beim Einkaufen, der einzigen Möglichkeit, sich aus dem Haus zu bewegen: keine Spur von Normalität. "Vor den Läden steht die Polizei und achtet strikt auf die Einhaltung des Mindestabstands. Der Supermarkt misst Fieber, bevor wir rein dürfen und desinfiziert mit purem Alkohol unsere Hände – das heißt, man steht bis zu einer Stunde vor dem Laden", sagt Kising.
Bundesregierung holt deutsche Touristen aus dem Ausland
Doch wo bleibt die Rückholaktion für im Ausland gestrandete Deutsche, die schon vor Wochen von Heiko Maas (SPD) angekündigt wurde? Laut der "Wirtschaftswoche" lief der Rücktransport bei Amerikanern, Briten, Schweizern oder Italienern effizienter und vor allem schneller ab, als es bei deutschen Urlaubern der Fall ist. In einem Zeitraum von zwei Wochen seien lediglich zwei Rückholflüge aus Lima Richtung Deutschland gestartet.
Die Deutsche Botschaft in Lima erklärt das mit der dekonstruktiven Haltung der peruanischen Regierung: "Leider werden uns in der gegenwärtigen Situation des Häufigeren Knüppel zwischen die Beine geworfen." Demnach werden bereits genehmigte Landeerlaubnisse wieder gestrichen oder aber absurde Zeitfenster angeboten, die so mit luftfahrrechtlichen Regelungen nicht in Einklang zu bringen seien. Dennoch arbeite die deutsche Behörde mit Hochdruck an einer Lösung.
Und die sah am Ende so aus: Die Gruppe konnte am vergangenen Mittwoch in einen Rückholflieger der Regierung steigen. Damit ging es zunächst nach Frankfurt. Und schließlich mit dem Zug endlich heim nach München.