Circus Krone: "Monsieur Charles" vom Marsfeld

1900 übernimmt der geborene Osnabrücker den Zirkus von seinem Vater - und baut mit Tierdressuren ein Haus von Weltruhm auf.
von  Annette Baronikians
Eine Sensation, die die Massen begeisterte: Carl Krone mit seiner Eisbären-Nummer - tatsächlich wurden die exotischen Tiere noch bis in die 50er Jahre in deutschen Manegen gezeigt.
Eine Sensation, die die Massen begeisterte: Carl Krone mit seiner Eisbären-Nummer - tatsächlich wurden die exotischen Tiere noch bis in die 50er Jahre in deutschen Manegen gezeigt.

München - "Er war ein Visionär und ist uns ein großes Vorbild", sagt Circus-Chefin Jana Mandana Lacey-Krone, während sie ein Album mit alten Fotografien durchblättert: "Bei so vielem, was wir tun, fragen wir uns immer, wie wohl Carl Krone jetzt entschieden hätte." Ehemann Martin Lacey jr. nickt: "Das ist eine Selbstverständlichkeit. Ohne ihn stünden wir ja gar nicht hier."

Damit hat das Direktorenpaar Lacey-Krone zweifellos recht: Ohne Carl Krone gebe es den Circus Krone nicht, den heute weltgrößten Zirkus mit Stammsitz in München. Jana Lacey-Krones Vorfahre kam just heute vor 150 Jahren zur Welt, am 21. Oktober 1870 - nicht etwa in München, sondern in Osnabrück.

Bruder von Carl Krone starb nach Bären-Attacke

Er war das vierte Kind der Schaustellerfamilie Krone. Schon mit vier Jahren trat er in der väterlichen "Menagerie Continental" auf, einer Tierschau mit Bären oder auch Wölfen, die Carl Krone senior um 1870 gegründet hatte. Dass Carl Krone junior einmal Chef des Unternehmens werden würde, war ihm nicht in die Wiege gelegt: Damit er einen guten Schulabschluss macht, hatten ihn seine Eltern zu einer Tante nach Berlin geschickt, doch die höhere Schullaufbahn nahm ein jähes Ende: Als sein älterer Bruder Fritz nach einer Bären-Attacke starb, musste Carl zurück und die Familie tatkräftig unterstützen.

Circus Krone: Sitzgelegenheiten erst seit 1893

1883 firmierte die reisende Tierschau, die auf unzähligen Jahrmärkten unterwegs war, dann als "Krones Zoologische Ausstellung", um die Jahrhundertwende erstmals als "Menagerie Charles"- schließlich nannte sich Carl Krone mittlerweile ja auch "Monsieur Charles".

Unter diesem Namen schrieb er 1892 mit einer Dressur Zirkus-Geschichte, wie Jana Mandana Lacey-Krone, die selbst eine erfolgreiche Tiertrainerin ist, stolz erzählt: Für wahre Besucheranstürme sorgte damals Löwe Pascha, der friedlich auf dem Rücken eines Pferdes durch die Manege ritt. Präsentiert wurde die Nummer erstmals in einem Zentralkäfig, zu dem Laufgitter aus den Löwenkäfigen führten. Die Besucher mussten dem Spektakel damals noch stehend beiwohnen: Sitzgelegenheiten wurden erst 1893 eingeführt.

1.000 Mitarbeiter und 800 Tiere mit zwölf Zeltanlagen unterwegs

Als Carl Krone senior 1900 starb, wurde Carl junior Chef des Familien-Unternehmens, das er in "Circus Charles" umbenannte, was inzwischen auch besser passte: Aus einer bloßen Tierschau war längst ein abwechslungsreiches Unterhaltungsprogramm geworden. Legendär ist die Carl-Krone-Nummer mit Eisbären. Seine Elefanten-Herde hatte mittlerweile die stattliche Anzahl von 27 Tieren erreicht, von denen 19 gemeinsam in der Manege auftraten. Elefanten hatten es ihm besonders angetan. Nicht umsonst ist das Rüsseltier seit jeher das Wappentier des Krone-Unternehmens.

Wie gewaltig dieses anno dazumal anwuchs, zeigen Reise-Aufzeichnungen: Unterwegs war man mit einem eigenen Sonderzug aus 13 Waggons. Über 60 Fahrzeuge und zwei Heißdampf-Lokomobile rollten außerdem über die Straßen. In Spitzenzeiten waren 1.000 Mitarbeiter und 800 Tiere mit zwölf Zeltanlagen unterwegs - heute unvorstellbare Zahlen.

Stammsitz auf dem Marsfeld seit 1919

Mit seiner Jugendliebe Ida, der Tochter des Schaustellers Ahlers, heiratete Carl Krone - wie schon zuvor sein Vater - quasi eine Frau vom Fach. Die junge Chefin wurde schnell selbst zu einer Attraktion des eigenen Betriebs: Eine weibliche Löwen-Dompteurin war eine Sensation. Als "Miss Charles" ging Ida Krone mit ihrer Pyramide von 24 Berberlöwen in die Krone-Annalen ein. 1913 erfolgte schließlich die Umbenennung in "Circus Krone".

Bei diesem hieß es am 19. Mai 1919 zum ersten Mal "Manege frei" auf dem Marsfeld in München. Hier wollte sich die Familie mit einem festen Stammsitz niederlassen, und so entstand er, der erste große Krone-Bau. Dieser wurde im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört. Den Wiederaufbau hat Circus-Krone-Gründer Carl Krone nicht mehr miterleben dürfen: Am 4. Juni 1943 starb der legendäre Circus-Chef bei einem Gastspiel in Salzburg.

Seine einzige Tochter, Frieda Krone, heiratete den Raubtier-Dompteur Carl Sembach, mit dem sie gemeinsam den Zirkus fortführte. Deren einzige Tochter, Christel Sembach-Krone, war höchst erfolgreiche Circus-Chefin bis zu ihrem Tod im Juni 2017.

In nun fünfter Generation ist Jana Madana Lacey-Krone (41), Christel Sembach-Krones Adoptivtochter, die Prinzipalin des Münchner Zirkus-Unternehmens von Weltruhm. Mit ihrem Mann, dem berühmten Raubtierlehrer Martin Lacey, führt sie das Familienunternehmen durch schwierige (Corona-)Zeiten. "Diese werden wir überstehen", sagt sie: "Schließlich hat Carl Krone uns ein Fundament geschaffen, das dies auch möglich macht."

Fest steht: Die nächste Circus-Krone-Generation steht schon in den Startlöchern. Direktorensohn Alexis (13) hat bereits erste Manegen-Erfahrung - und Ende des Jahres bekommt er noch ein Geschwisterchen. "Alexis sollte kein Einzelkind bleiben", sagt Jana Lacey-Krone und Ehemann Martin fügt hinzu: "Wenn unser Wunsch-Kind ein Junge wird, können wir ja überlegen, ihn Carl oder Charles zu nennen."

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