Christian Hierneis: "Glyphosat? Die jungen Leute sind wütend"

Bund-Naturschutz-Chef Christian Hierneis (54) erklärt im AZ-Interview, warum er nach Berlin demonstrieren fährt – und, wie eine Agrarpolitik ohne Pestizide und Leid geht.
Eva von Steinburg |
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"Agrarwende" fordern die Demonstranten Ende Januar 2017 in Berlin. Jetzt steht die nächste Demo an – und viele Münchner fahren hin.
dpa "Agrarwende" fordern die Demonstranten Ende Januar 2017 in Berlin. Jetzt steht die nächste Demo an – und viele Münchner fahren hin.

München - Essen ist politisch – sagen die Münchner im Bund Naturschutz (BN). Im Demo-Bus nach Berlin haben sie für den 20. Januar noch Plätze frei. Mit ihnen fordert Christian Hierneis (54), Münchens BN-Vorsitzender, eine bessere Agrarpolitik. Im AZ-Interview erklärt er, warum.

AZ: Herr Hierneis, wie ist die Stimmung bei den jungen Münchnern im BN?
CHRISTIAN HIERNEIS: Sie sind wütend. Junge Leute drängen auf artgerechte Tierhaltung und ein nationales Verbot von Glyphosat. Sie haben noch ihr ganzes Leben vor sich. Sie haben die Sorge, dass wir, die wir heute die Verantwortung haben, ihre Zukunft zerstören. Das lassen sie sich nicht gefallen.

Sie schlagen lärmend auf Kochtöpfe. Was bringt die 8. "Wir haben es satt"-Demo?
Die Politik registriert unsere Anliegen. Die Agrarminister aus der ganzen Welt sind am 20. Januar in Berlin. Mit 50.000 bis 100.000 Leuten wird das eine der größten regelmäßigen Demonstrationen im Land. Nicht nur junge Leute fordern, schaut auf uns, macht nicht alles kaputt. Dieser Schrei nach einer besseren Agrarpolitik ist ein Mosaikstein, der Eindruck macht.


Er ist seit 2002 Vorsitzender der BUND Naturschutz-Kreisgruppe München mit circa 20.500 Mitgliedern in Stadt und Landkreis.

Gesundes Essen, bäuerlich-ökologische Landwirtschaft und fairer Handel – sind das die wichtigsten Forderungen?
Ja. Weltweit treiben übermächtige Agrarkonzerne mit Kapital und Geld ohne Ende die Industrialisierung voran. Auf Kosten von Menschen, Tieren, Klima und Umwelt weiten sie ihre Macht aus. Bauernhöfe überall sterben, massiv auch in Bayern. Die Insekten verschwinden. Das haben wir satt!

Sie sagen, es gibt 70 Prozent weniger Schmetterlinge, Falter, Fliegen, Hummeln, Bienen oder Glühwürmchen, als vor 50 Jahren…
20-Jährige, die heute ein Auto fahren, kennen nicht mehr, wie der Kühler vor Insekten klebt. Wenn das so weitergeht, werden unsere Obstbäume nicht mehr bestäubt. Für die nächste Generation ist das ein großes Problem.

Wie ist der Slogan "Essen ist politisch" gemeint?
Das ökologische Bewusstsein steigt. Wir können Politik mit dem Einkaufskorb machen. Käfigeier, mit der Nummer 3, gibt es nicht mehr. Aber nicht, weil die Politik dafür gesorgt hat, sondern weil die Menschen sie nicht mehr gekauft haben.

Das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat, das alle Pflanzen tötet, nur nicht die gentechnisch veränderten Nutzpflanzen, ist überall. Im Bier ist Glyphosat. Es scheint unmöglich eine glyphosatfreie Urinprobe zu bekommen...
Das hat unsere Untersuchung ergeben! Die SPD und die Grünen wollten den nationalen Einsatz von Glyphosat verbieten. Bundeslandwirtschaftminister Christian Schmid (CSU) hat es in einem skandalösen Alleingang weiter zugelassen. Der Bund Naturschutz will ein Verbot, verbunden mit einer Landwirtschaftsberatung, die den Bauern in Bayern sofort Alternativen anbietet.

Sie fordern eine Beratung über giftfreie Landwirtschaft?
Noch fehlt die total. Dabei verdient der Bio-Milchbauer sehr gut und der Bio-Ferkelzüchter auch. Bayern kann seinen Bedarf an Bio-Lebensmitteln nicht decken. Wir importieren. Die Nachfrage ist doppelt so groß wie die hiesige Produktion.

Auf 60 Prozent der Flächen in Deutschland wird Tierfutter angebaut.
Dabei sollte es Menschenfutter sein. Wir wollen keine industrielle Tiermast, doch die Ställe werden ja immer größer.

Zurück zur Demo: Haben Sie keine Sorge, dass die Politiker die Demonstranten einfach ignorieren?
Leider denken sie nur in Legislaturperioden. Doch jedem erzkonservativen Politiker ist eigentlich klar, dass Spritzmittel in der Landwirtschaft schuld sind am massiven Rückgang heimischer Insekten und Vögel.


Infos und Anmeldung zur Demo-Reise für eine ökologische Agrarwende nach Berlin unter: www.jbn.de

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