Chaos-Woche in München: Bauernstreik legt am Montag Straßen lahm, ab Mittwoch streikt die Bahn

München - Das war's dann mit der Ruhe "zwischen den Jahren". Am Montag nach dem Dreikönigs-Wochenende startete das neue Jahr in München ziemlich chaotisch – jedenfalls, was den Verkehr betrifft. Denn auch in der Landeshauptstadt machten die Bauern ihrem Unmut über die Sparpläne der Ampelregierung Luft, bremsten Traktoren den morgendlichen Berufsverkehr aus.
Demonstrationen in München – Deutscher Bauernverband: "Ein Sterben auf Raten"
Unter dem Motto "Zu viel ist zu viel" demonstrierten unzählige Bauern am Montag auch in ganz Bayern gegen die Steuerpläne der Bundesregierung. Seit dem frühen Morgen waren Tausende Traktoren auf Straßen und auch Autobahnen unterwegs, vielerorts kam es zu Verkehrsbehinderungen.
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, war am Montag bei der CSU-Klausur im Kloster Seeon zu Gast und sagte, die von der Ampel geplanten Subventionskürzungen seien eine Steuererhöhung von einer Milliarde Euro. Den Bauern werde dadurch die Zukunftsfähigkeit genommen: "Das heißt ja am Ende Sterben auf Raten", der Plan müsse zurückgenommen werden, forderte Rukwied.
Die Bundesregierung wollte den Landwirten die Vergünstigungen beim Agrardiesel streichen und zudem eine Kfz-Steuer für Landmaschinen einführen, um Löcher im Haushalt zu stopfen. Das kostet einen durchschnittlichen Bauernhof laut Bauernverband mehrere Tausend Euro im Jahr.

Inzwischen will die Ampelkoalition die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel strecken, die Streichung der Kfz-Steuerbefreiung ist vom Tisch. Die Bauern sehen sich dennoch übermäßig belastet.
Bauern-Proteste in München: Veranstalter sprechen von 7.000 Traktoren und 10.000 Teilnehmern
Wie Sprecher Andreas Franken am Rande der Demonstration am Odeonsplatz in München mitteilte, verlief die Kundgebung dort "störungsfrei". Was die Zahl der Traktoren und der Protestierenden betraf, gingen die Angaben auseinander.
Während die Veranstalter von 7.000 Traktoren und knapp 10.000 Versammlungsteilnehmern sprechen, nennt die Polizei offiziell rund 5.500 Trecker und etwa 8.000 Demonstranten. Franken abschließend: "Der Münchner Bürger scheint sich hier auf das Versammlungsgeschehen eingestellt zu haben, so dass es hier nicht zu größeren Behinderungen kam. Es gab auch keine Blockade."
"Wir werden die Straße bis zum Mittleren Ring voll machen"
Gegen 11.15 Uhr war die Versammlung am Münchner Odeonsplatz offiziell eröffnet worden. "Bitte keine Waffen", mahnte Versammlungsleiter Martin Wunderlich. Auch Mistgabeln waren verboten. "Wenn einer Dampf ablassen muss, dann fangt ihn wieder ein", sagte Wunderlich. "Wir werden die Straße bis zum Mittleren Ring voll machen."

Etliche Traktoren wurden auf die Theresienwiese umgeleitet. Anfangs lief der neue Protestsong von den "Dorfrockern" aus Franken. Die Demonstranten hielten zahlreiche Plakate und Schilder hoch, auf denen sie die Ampelkoalition kritisieren. "Strom sparen, Ampel abschalten" oder "Politik ohne Verstand ruiniert noch das ganze Land", war zu lesen.
Rede des Grünen-Abgeordneten Bär von Sprechchören übertönt
Gegen Mittag sprach der Bundestagsabgeordnete Karl Bär von den Grünen. "Er wird seit zehn Minuten massiv ausgebuht", berichtete AZ-Reporter Alexander Spöri. Günther Felßner, Präsident des Bayerischen Bauernverbands versuchte, zwischen Demonstranten und dem Redner zu vermitteln. "Wir Bauern lassen hier alle aussprechen."
Karl Bär: "Blockiert keine Straßen für mehr Subventionen"
Der Appell kam offensichtlich nicht an, es bildeten sich Sprechchöre auf dem ganzen Platz: "Wir haben die Schnauze voll" und "Du kannst nach Hause gehen", "Aufhören!". Von Bärs Rede war kaum ein Wort zu verstehen, er wurde komplett übertönt.
"Blockiert keine Straßen für mehr Subventionen", sagte Bär. Er bezeichnet die Demonstrationen der Bauern als "Erpressungsversuch". Dann grätschte ihm auch Felßner ins Wort und widersprach energisch: "Wer das als Erpressungsversuch bezeichnet, liegt vollkommen falsch."

"Sind wir verantwortlich für einen Haushalt, der gesetzeswidrig ist?"
Claus Hochrein von LSV Bayern (Landwirtschaft verbindet Bayern) musste sich nach der Rede von Karl Bär erst einmal sammeln, wie er auf der Bühne erzählte. Bär sei mit einem Grinsen auf die Bühne gegangen und habe keinen Respekt gegenüber der Berufsgruppe der Bauern.

"Sind wir verantwortlich für einen Haushalt, der gesetzeswidrig ist?", fragte Hochrein. Bauern würden jeden Tag im Gegensatz zu manchen Politikern nicht nur acht, sondern zwölf Stunden arbeiten.
Protest der Landwirte in München: Erste Trecker starteten am frühen Montagmorgen
Die ersten Traktoren stellten sich am frühen Morgen gegen 7 Uhr in Taufkirchen an der Tegernseer Landstraße/Abzweigung Zacherlweg auf. Die Schlange erreichte eine Länge von knapp zwei Kilometern. Von dort an ging es über den Oberweg, Ottobrunner und Biberger Straße auf den Mittleren Ring Richtung Odeonsplatz nach München, berichtete AZ-Reporter Spöri. Die Polizei war ebenfalls vor Ort und wartete zeitig auf den losrollenden Traktor-Zug.

Gegen 8.50 Uhr setzten sich die Traktoren in Bewegung. Polizei und Feuerwehr fuhren voraus. Die Tegernseer Landstraße aus Richtung Sauerlach und Taufkirchen war gesperrt. Die MVV-Busse reihten sich im Stau ein. Die Bauern hupten, einzelne fuhren mit Deutschlandflagge. Auch einige Spediteure beteiligten sich am Zug.

Polizei begleitet die Bauern: Traktoren rollen auf München zu
Wie die Polizei am Montag um 9.35 Uhr mitteilte, begleiteten die Beamten rund 5.500 Traktoren aus verschiedenen Richtungen. Das Ziel: Münchens Innenstadt. Die Leopoldstraße ab dem Mittleren Ring in südliche Richtung war früh für den Verkehr gesperrt, wie die Polizei auf X (früher Twitter) schrieb. "Teilnehmer der Demo mit Traktoren können allerdings passieren. Bitte den gesamten Bereich weiträumig umfahren."
Bauern-Proteste bundesweit organisiert: Mann geht mit Hammer auf Streikende los
Die Bauern-Proteste sind bundesweit organisiert: In ganz Deutschland knattern die Traktoren. Autobahnen, Bundesstraßen und nahezu alle großen Städte sind von Verkehrschaos betroffen. Die meisten zentralen Kundgebungen beginnen gegen Mittag, am frühen Morgen gab es Blockaden an Autobahn-Auffahrten und Verkehrsknotenpunkten.
In Bremerhaven-Wulsdorf kam es zu einem Ausraster: Ein Mann sei mit einem Hammer auf streikende Landwirte losgegangen, berichtet "butenunbinnen.de". Zugeschlagen hat der aufgebrachte Mann offenbar nicht, es wurde niemand verletzt. Die Polizei nahm dem Mann dem Bericht zufolge den Hammer ab, die Ermittlungen wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung laufen.

Im Volkswagen-Werk in Emden wird am Montag nicht gearbeitet. "Die Produktion steht heute“, sagte eine VW-Sprecherin laut dpa. Die Beschäftigten kamen nicht an ihre Arbeitsplätze, weil wegen der Proteste die Wege zum Werk versperrt waren.
So sagte der Leiter der Presseabteilung der Münchner Polizei, Andreas Franken vorab, dass ziemlich sicher die Ludwigstraße mit Beginn der Proteste für den normalen Verkehr gesperrt werde. Und möglicherweise später teilweise auch die Leopoldstraße. Dort sollen die Traktoren vorm Odeonsplatz geparkt werden – wo ab 11 Uhr die zentrale Kundgebung stattfindet.

Der Veranstalter habe rund 1.000 Traktoren und rund 5.000 Teilnehmer angekündigt, teilte das Kreisverwaltungsreferat (KVR) am Donnerstag auf Nachfrage mit. Es werden noch "Sammelpunkte jenseits der Grenzen Münchens" festgelegt, von wo aus die Traktoren unter Polizeigeleit sternförmig in die Stadt und zum Zielort Leopold- und Ludwigstraße einfahren.

Etwa 400 Beamte sollten nach vorläufiger Planung im Einsatz sein. Die Polizei fühlte sich laut Franken gut vorbereitet. Mit Großveranstaltungen habe man Erfahrung, so der Pressechef. Einen stinkigen "Gülle-Protest" gab es in der Innenstadt nicht. Denn rund um die Versammlung am Odeonsplatz waren Traktoren-Anhänger mit flüssigem Inhalt explizit verboten.

Traktoren blockieren unangemeldet Autobahnauffahrt zur A3
Die Polizei bat die Landwirte und Veranstaltungsteilnehmer in Bayern, bei ihren Protesten nicht gegen Abmachungen zu verstoßen. "Bitte haltet euch an die Vorgaben sowie an die getroffenen Vereinbarungen und haltet die Rettungswege frei", schrieb etwa die Polizei Oberfranken auf der Plattform X.

In Mittelfranken beispielsweise blockierten Traktoren am Montagmorgen eine halbe Stunde lang bei Erlangen-Frauenaurach unangemeldet eine Auffahrt zur Autobahn 3. Die Fahrer seien daraufhin gebeten worden, die Aktion zu beenden und sich an den angemeldeten Protesten zu beteiligen.
Bauern blockieren Autobahnauffahrten zwischen Bayreuth und Bamberg Selb
In Oberfranken haben Landwirte am Montagmorgen mehrere Autobahnauffahrten zwischen Bayreuth und Bamberg blockiert. Die Polizei bat die Fahrer daraufhin, die Straßen freizumachen. "Autobahnauffahrten sind die rote Linie", sagte ein Polizeisprecher.

Bei Selb (Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge) hätten auf einer Zufahrt zur A93 Stroh, Mist und Silage auf der Fahrbahn gelegen. "Drüberfahren konnte man nicht. Der Haufen war schon größer." Die Straße habe gereinigt werden müssen.

Ab 9.30 Uhr erwartete die Polizei die ersten Landwirtschaftsgeräte rund um die Feldherrnhalle. Falls der Platz an der Ludwig- und Leopoldstraße nicht ausreichen sollte, möchte die Polizei auch die Theresienwiese als Ausweichfläche nutzen, wie es Franken erklärte. Der Polizeipressechef appellierte an die Autofahrer, trotz allem Ärger, stets an die notwendigen Rettungsgassen zu denken.
Großdemo auf dem Königsplatz fordert Rücktritt der Bundesregierung
Unter dem Motto "Gehen in Deutschland bald die Lichter aus, schmeißen wir zuvor die Ampel raus" ging dann ab 12 Uhr eine zweite Großveranstaltung auf dem Königsplatz über die Bühne, die eine Privatperson zur Unterstützung der Bauern angemeldet hatte. Die Gruppe forderte unter anderem den sofortigen Rücktritt der Bundesregierung.
Deutschlandfahnen, AfD-Plakate und Ampel-kritische Plakate wurden dabei in die Höhe gestreckt, berichtete AZ-Reporter Maximilian Neumair. Der zunächst spärlich gefüllte Königsplatz wurde zum Mittag immer voller und mit dem beginnenden Protestmarsch aus Trillerpfeifen und Autohupen auch immer lauter.
"Die Leute lassen sich jetzt nicht mehr von der Glotze jeden Scheiß erzählen!"
Einer der Redner war der Ex-AfD-Abgeordnete Uli Henkel. Er verglich sich mit Martin Luther King und beschrieb seine Träume eines Deutschlands. Dabei geht es gegen Migration, gegen Krieg, gegen die Ampel, und das Ganze mündet dann in den AfD-Wahlspruch "Deutschland aber normal", der mit Applaus und trillernden Pfeifen quittiert wurde.
Als eine Art Moderatorin trat Alexandra Motschmann auf, die zum bayerischen Landesvorstand der Basisdemokratischen Partei Deutschlands gehört. Diese gilt als parteipolitischer Arm der "Querdenker"-Bewegung. Motschmann schimpfte auf die Bürokratie, die die Demokratie ersetze und forderte die Teilnehmer auf, Bürgermeister zu werden.
Aus dem Querdenker-Milieu war auch das regelmäßig in der Landeshauptstadt protestierende Bündnis "München steht auf" maßgeblich an der Demonstration beteiligt. Ein unter dem Pseudonym "Benny“ auftretender Redner forderte etwa Neuwahlen und die Freilassung von Julien Assange. "Die Leute lassen sich jetzt nicht mehr von der Glotze jeden Scheiß erzählen!", rief er und erntete dafür Applaus.
Die Bauern? Mehr eine Randnotiz. Zwischen den Rednern sang die Schlager-Band "Corona Bavaria" ihre Lieder, wie etwa "Frieren für den Frieden". Der grobe Inhalt der Songs: Wir lassen uns nichts vorschreiben.
Münchner Wirte demonstrieren am Montag in Kochkleidung
Der Landwirte-Demo anschließen schlossen sich auch Münchner Wirte, die gegen die Mehrwertsteuererhöhung auf Speisen von zuletzt sieben auf wieder 19 Prozent protestierten. "Ich schätze, dass rund 500 Wirtinnen und Wirte in weißer Koch-Kleidung mitlaufen", kündigte Angela Inselkammer, die Chefin des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga vorab der AZ gegenüber an. Auch Lebensmittelhandwerker sagten ebenso wie Bäcker, Metzger und Müller ihre Unterstützung zu.
"Wir gehen solidarisch mit den Bauern mit", erklärte Bäcker-Landesinnungsmeister Heinrich Traublinger junior, "weil, wenn es bei den Bauern teurer wird, wird es bei uns auch teurer." Ausdrücklich weisen Inselkammer und Traublinger darauf hin, dass sie ihre Betriebe nicht zum Streik oder zur Schließung aufrufen. "Wer das im Internet behauptet, erzählt Unsinn", so Traublinger zur AZ. "Wir wollen kein Chaos anrichten oder uns selber schaden, sondern nur demonstrieren."
Gewerkschaft der Polizei: Bauern im Recht, aber Rechtsstaat beachten
Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in Bayern, Florian Leitner, sieht die bayerischen Bauern im Recht, dass sie ihren Forderungen Nachdruck verleihen und nun schon seit Mitte Dezember 2023 mit ihren Traktoren-Protestfahrten für Aufsehen sorgen. "Wir als GdP Bayern sehen erneut ein Versagen der aktuellen Bundesregierung als Auslöser für die Proteste, für die ich aufgrund der einschneidenden Kürzungen Verständnis habe", wird Leitner in einer entsprechenden Mitteilung zitiert.
Die Sparzwänge der verfehlten Politik der Bundesregierung würden hier zu Buche, schlagen. Wertschätzung für die Bauern sähe anders aus, betonte Leitner: "Glücklich ist die Polizei darüber natürlich trotzdem nicht, da unsere Kolleginnen und Kollegen den störungsfreien Ablauf der Versammlungen gewährleisten müssen."
Protest sei richtig, "was wir als Polizei aber verurteilen sind das vereinzelte bewusste Blockieren von Verkehrsknotenpunkten, die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer bei der Nutzung der Autobahnen oder das Umfahren von Sperren über Felder, wie es bereits vorgekommen ist. Das hat nichts mit rechtsstaatlichem Protest zu tun", so Leitner.
GDL kündigt an: Bahnstreik von Mittwoch bis Freitag in ganz Deutschland
Am Sonntagabend hat die Gewerkschaft der Lokführer öffentlich gemacht, was zuvor nur vermutet wurde: Der "Weihnachtsfrieden" ist vorbei und ab Dienstagabend wird wieder gestreikt. Konkret startet der Streik am Dienstagabend beim Güterverkehr, in der Nacht auf Mittwoch ab zwei Uhr auch der Personenverkehr. Der Streik soll bis Freitagabend, 18 Uhr dauern. Die GDL fordert unter anderem 555 Euro mehr Gehalt im Monat. Der größte Streitpunkt mit der Bahn war bisher die Forderung nach einer kürzeren Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter bei vollem Lohn.
Montag und Mittwoch findet eine wichtige Tagung des Deutschen Beamtenbunds (dbb) statt, in dem die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) Mitglied ist. Die soll laut dbb-Chef Ulrich Silberbach nicht von Arbeitskämpfen bei der Bahn gefährdet werden – eine Erklärung dafür, warum der Streik für den Mittwoch angesetzt wurde.
Die Deutsche Bahn schreibt auf X (ehemals Twitter), sie gehe von "massiven Auswirkungen auf den Bahnbetrieb" aus und arbeitet an einem Notfahrplan.