Chaos-Tage bei der S-Bahn: Die Stammstrecke als "Standstrecke"

MÜNCHEN - Zwei Tage S-Bahn-Chaos mit Zugausfällen und Verspätungen: Weil bei zwei Rechnern im Stellwerk am Ostbahnhof die Stromzufuhr zusammenbrach, ging fast nichts mehr
Was ist los bei der S-Bahn? Diese Frage haben sich diese Woche tausende Fahrgäste gestellt, als sie vergeblich auf ihre Züge warteten. Mehrere Computer-Pannen haben Mittwoch und Donnerstag den Verkehr auf der Stammstrecke weitgehend lahm gelegt. Ein Großteil der Züge fuhr nur ab Ost- beziehungsweise Hauptbahnhof. Die Stammstrecke als Standstrecke.
Die Probleme begannen am Mittwochmittag, als im Stellwerk am Ostbahnhof ein Rechner ausfiel. Das Chaos war komplett, als auch der Ersatzrechner streikte. „Wenn der Erstrechner Probleme meldet, schaltet sich normalerweise automatisch der zweite Rechner ein“, erklärt Bahn-Sprecher Franz Lindemair. Diesmal kam’s anders: Auch der zweite Rechner verweigerte den Dienst, mit fatalen Folgen für die Stammstrecke. Denn der defekte Rechner steuert zwölf Signale und vier Weichen mit täglich 20000 Stellvorgängen.
"Probleme bei der Stromversorgung"
Über mehrere Stunden konnten nur zwei Linien (S4 und S8) ohne Einschränkungen verkehren. Auf allen anderen Linien ergaben sich Änderungen, die Linien S20 und S27 sowie die „Verstärker“-S-Bahnen im Berufsverkehr entfielen ganz. Der „Notfallplan“ war bis Donnerstagmorgen in Betrieb, erst zwischen sechs und sieben Uhr verkehrten alle Linien mit Ausnahme S1 auf ihren normalen Strecken .
Als Grund für den Ausfall nennt die Herstellerfirma Siemens Probleme mit der Stromversorgung – und will es noch nie zuvor erlebt haben. „Die Stromversorgung kann einmal ausfallen, aber normalerweise kein zweites Mal“, sagt Siemens-Sprecher Peter Gottal. „Dass der gleiche Fehler zeitgleich auftritt, ist so noch nie geschehen.“ Mängel am Betriebssystem oder am Rechner, die seit bald sechs Jahren installiert sind, schließt Siemens aus. „Der Rechner an sich ist ohne Fehl und Tadel.“
Ersatz für die Verspätungen?
Dennoch wird sich Siemens auf unangenehme Fragen von Seiten der Deutschen Bahn gefasst machen müssen. Zu einer eventuellen Entschädigung will sich Bahn-Sprecher Lindemair zwar nicht äußern, aber: „Wir werden mit Siemens darüber sprechen, dass bei einer so jungen Anlage auf dem neuesten Stand der Technik ein solcher Schaden nicht eintreten sollte.“ Vorrangig geht es der S-Bahn darum, Maßnahmen zu treffen, um eine solche Panne künftig zu verhindern.
Auf Verständnis der Fahrgäste wird die S-Bahn nur bedingt hoffen dürfen. Denn der Ausfall reiht sich in eine ganze Reihe von Pannen in den vergangenen Monaten (s. Interview). Wiederkehrenden Probleme sind Verspätungen, Zugausfälle, mangelnde Information. Einen Ersatz für die Verspätungen dürften übrigens die wenigsten Fahrgäste erhalten: Erst ab einer Stunde Verspätung erhalten Reisende 25 Prozent des Fahrpreises zurück.Vanessa Assmann