Cafés, die Isar und Frau Manz

Mein Viertel - AZ-Serie Folge 30: Die freie Fotografin Martha Schlüter über ein Ex-Armenviertel mit Urgesteinen.
von  Martha Schlüter
Bürgerreporterin Martha Schlüter (58) zu Füßen des Buddhas Amida im Völkerkundemuseum.
Bürgerreporterin Martha Schlüter (58) zu Füßen des Buddhas Amida im Völkerkundemuseum. © Daniel von Loeper

Das Lehel ist für mich so überschaubar und klein wie ein Dorf. Vorne, zur Maximiliansstraße oder an der Prinzregentenstraße, stehen die Prachtbauten wie das der Regierung von Oberbayern, das Völkerkundemuseum oder das Bayerische Nationalmuseum. Aber hinter den palastartigen Bauten schaut es ganz anders aus.

Ich fühl mich in meinem Viertel oft wie in Italien. Besonders am St. Anna Platz – donnerstags ist hier immer Markt – mit seinen Cafés und Restaurants. Sehr mediterran schaut es auch im Innenhof des Hotels Opéra aus, das wie ein Mini-Venedig auf Wasser gebaut wurde. Die Gäste hören den Eisbach rauschen. Inmitten von Palmen, Zitrusbäumchen und Glyzinien kann man sich kaum vorstellen, dass es von hier zu Fuß nur zwei Minuten bis zur Maximilianstraße sind.

Früher war das Lehel mal ein Armenviertel, es gilt als älteste Vorstadt Münchens. Heute ziehen immer mehr gut verdienende Leute von Hamburg oder sonstwo hierher. Das Lehel ist auch bei Filmleuten sehr beliebt. Auf der Treppe vor der Anna-Kirche wurde 2007 zum Beispiel Cosma Shivas Filmvater im „Bibelcode“ erschossen. Die Alteingesessenen werden weniger und die kleinen Handwerksbetriebe in den Hinterhöfen verschwinden allmählich fast ganz. Wenn die Häuser aufwendig renoviert werden, kann sich manch einer die Miete nicht mehr leisten.

Aber es gibt sie noch, ein paar richtige Urgesteine. Zum Beispiel Elfriede Manz. Sie ist 77 und betreibt seit 45 Jahren in der Triftstraße ihr „kleines Kaufhaus“. Zur Begrüßung hört sie oft: „Ja, gibt es Sie immer noch?“ Ihr Laden ist so vollgestopft, dass kaum zwei Kunden aneinander vorbei kommen. Frau Manz verkauft verstaubte Backformen und gebrauchte Teddys, Monatskarten, Christbaumschmuck, Schnapsgläser, Limonade, Regenschirme, ein batteriebetriebenes Spielzeug-Motorrad, Zigaretten und über 500 verschiedene Zeitungen und Magazine. Viele, die als Kinder in die benachbarte St. Anna-Schule oder ins Wilhelmsgymnasium gingen, halten ihr auch als Erwachsene die Treue.

Das Lehel ist aber auch die Museumsmeile an der Prinzregentenstraße oder der Eisbach, wo immer Trauben von Menschen stehen, um die Surfer zu bestaunen. Und natürlich die Isar und der Englische Garten bis zum Chinesischen Turm. Im Süden des Viertels gibt es für mich noch einen ganz besonderen Platz: Hinter dem Alpinmuseum auf der Praterinsel stehen im Sommer Liegestühle, es ist ein wunderschöner Kaffeeplatz, direkt an der Isar. Das ist mein Kraftplatz.

 

 

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