Busfahrer zu Behinderter: "Ihr gehört erschossen!"

Ein Busfahrer (53) der Linie 141 soll die Rollstuhlfahrerin Bernadette G. übel beleidigt haben. Der Vorfall, die Reaktionen und die Geldstrafe.
Nina Job |
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Bernadette G. mit ihrem Sohn Raphael und ihrem Mann Ulrich.
job Bernadette G. mit ihrem Sohn Raphael und ihrem Mann Ulrich.

München - Es sind mehrere Monate vergangen. Trotzdem muss Bernadette G. noch oft daran denken – fast immer, wenn sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist. Unweigerlich schaut sie dann, wer den MVG-Bus steuert. Dann hofft die 37-Jährige jedes Mal, dass es nicht jener Mann ist, der sie im Mai vergangenen Jahres so übel beleidigte. „,Ihr gehört erschossen’, hat er zu mir gesagt“, erinnert sich die behinderte Münchnerin.

Wenn sie daran denkt, steigt ihr die Wut wieder hoch. Bernadette G. ist Tetraspastikerin und auf einen Rollstuhl angewiesen. Beim Ein- und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmittel braucht sie Hilfe. Die Fahrer von Bus- und Trambahnen müssen dann eine Rampe absenken, damit sie mit ihrem Rollstuhl darauf fahren kann. Anschließend wird Bernadette G. mitsamt der Rampe nach oben gehoben – und beim Aussteigen wieder nach unten.

Auf eine Entschuldigung wartet die Münchnerin noch bis heute

 

Das Ganze dauert jedes Mal ein paar Minuten. Meist klappt alles reibungslos, die Fahrer und die anderen Fahrgäste zeigen sich verständnisvoll. Nicht so am 15. Mai vergangenen Jahres. Bernadette G. war nachmittags in Milbertshofen an der Haltestelle Rose-Pichler-Weg in den Bus 141 gestiegen. An der Endhaltestelle Dülferstraße wollte sie wieder aussteigen. Da hörte sie die unfassbaren Worte des Fahrers.

„Es war eine ganz alltägliche Situation. Es gab überhaupt keinen Grund, so etwas zu mir zu sagen. Davor war nichts, es gab nicht einmal ein Wortgefecht“, erinnert sich Bernadette G. „Ich habe das als eine extreme Missachtung aller Behinderten empfunden, da er ja ,Ihr’ gesagt hat. Wenn seine Wortwahl nicht so daneben gewesen wäre, denke ich, wäre mir das egal gewesen.“ Bernadette G. erzählte ihrem Mann von dem Erlebnis. „Wir waren fassungslos und empört. Und wir waren uns einig, dass man das nicht einfach so auf sich beruhen lassen kann“, berichtet ihr Mann. Bernadette G. ergänzt: „Wenn solche Entgleisungen ungestraft bleiben, verhält sich dieser Mann vielleicht wieder so.“

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Sie zeigte den Fahrer wegen Beleidigung an. Es stand Aussage gegen Aussage. Der Fahrer (53), der für das Unternehmen Autobus Oberbayern fährt, stritt die Beleidigung ab. In seiner Vernehmung bei der Polizei sagte er, er habe Verspätung gehabt und die Rollstuhlfahrerin als letzten Fahrgast aussteigen lassen. Aber er habe sie weder beleidigt noch bedroht. Er habe überhaupt nicht mit ihr gesprochen.

Doch der Staatsanwalt und die Richterin am Amtsgericht glaubten Bernadette G. Im Strafbefehl heißt es, er habe Bernadette G. mit den Worten „Ihr gehört erschossen“ beleidigt, um seine Missachtung ihr gegenüber und anderen Rollstuhlfahrern auszudrücken. Die Amtsrichterin verhängte eine saftige Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen. Das Einkommen des Busfahrers wurde geschätzt, die Geldstrafe wurde auf 1200 Euro festgesetzt. Außerdem muss er die Kosten des Verfahrens zahlen. Der Strafbefehl wurde zwei Wochen nach dem Urteil rechtskräftig, der Busfahrer zahlte.

Doch auf eine Entschuldigung von der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) oder von Autobus Oberbayern wartet Bernadette G. bis heute. Die MVG verwies auf ihr Partner-Unternehmen als Arbeitgeber des Busfahrers. Dort erfuhr man erst durch die AZ von der Geldstrafe Unternehmenssprecher Ralph Korek: „Das bekommen wir als Arbeitgeber gar nicht mit. Das ist quasi eine Privatsache.“ Genau dieses Verhalten ärgert Bernadette G.s Ehemann extrem: „Da fragt man sich, ob das Verkehrsunternehmen überhaupt ein Interesse am Verlauf und Ergebnis der Ermittlungen gegen den Busfahrer gehabt haben.

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Wo bleibt hier die Aufsichtspflicht als Arbeitgeber? Es geht hier schließlich um eine Straftat und nicht um eine Privatangelegenheit des Busfahrers!“

Nach der AZ-Anfrage musste der Busfahrer gestern bei seinem Chef Rede und Antwort stehen. Der Münchner Busfahrer bestätigte, dass er keinen Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt und die Strafe auch bezahlt hat.

Doch: „Er sagt, ihm war nicht bewusst, dass dies einem Schuldeingeständnis gleichkommt“, so Autobus-Sprecher Korek. Der Fahrer bleibe bei seiner Aussage, dass er die Rollstuhlfahrerin nicht beleidigt habe. Der Sprecher kündigte an, dass man nun Kontakt zu Bernadette G. aufnehmen wolle. Ob es dann wohl auch eine Entschuldigung gibt? Endlich?

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