Bundestagswahl 2025: "Tierschutz ist nur ein Randthema"
München - Im Kaninchenhaus vom Tierschutzverein München ist gerade Mittagszeit, als Kleintierpfleger Michael Diesner der AZ Tiere aus Qualzuchten zeigt. Da wären etwa die Angora-Kaninchen Leander und Black Pearl, die ursprünglich als Nutztiere gezogen wurden, "weil man an ihr Fell wollte", wie Diesner berichtet.
Auch die Widderkaninchen Micky, Nicky und Maui mit ihren niedlichen Schlappohren (siehe Tierheim-Tiere) werden gerade im Tierheim versorgt. Sie sind als Fundtiere in die Riemer Straße 270 gekommen.

Die Hoppler seien leider nach Schönheitsidealen gezüchtet worden und hätten dadurch oft mit chronischen Krankheiten wie etwa Ohren- und Zahnproblemen zu kämpfen, sagt Kristina Berchtold, Sprecherin des Tierheims. "Das verursacht dann oft hohe Tierarztkosten für ihre Halter." Viele seien nicht bereit, diese dauerhaft zu stemmen, und gäben ihre Kleintiere dann ab. Genauso sind Hunde und Katzen betroffen.
Das Tierheim fordert vor der Bundestagswahl deshalb unter anderem das Ende von Qualzuchten. Die AZ hat mit Berchtold über die Wahlprogramme der Parteien hinsichtlich des Themas Tierwohl gesprochen.

Tierschutz sei als Staatsziel Teil der Verfassung und dennoch werde das Thema von den meisten Parteien "stiefmütterlich behandelt", so Berchtold. Wenn überhaupt, sei Tierwohl ein Randthema. Positiv aufgefallen sind Berchtold die Wahlprogramme von den Grünen und der Linken.
Sozialdemokraten bilden in Sachen Tierschutz das Schlusslicht
Ebenso bewertet dies der Deutsche Tierschutzbund in seinem "Tierschutz-Check" der Bundestagswahlparteien. Bei den Grünen erkennt dieser "sehr viel" Tierschutzvorhaben, bei den Linken "viel". Bei den anderen großen Parteien sieht er "wenig" (CSU/CDU, FDP) Vorhaben bis "mittel" (BSW, Freie Wähler). Mit "sehr wenig" bilden die Sozialdemokraten (SPD) demnach das Schlusslicht. Die AfD wurde vom Tierschutzbund in seiner Auswertung nicht berücksichtigt. Auch Berchtold schließt sich dem an.
Einen Schwerpunkt auf Tierschutz setzen Berchtold zufolge auch kleinere Parteien wie die Tierschutzpartei, Volt oder die ÖDP. Doch sollten Wähler die Fünf-Prozent-Hürde berücksichtigen. "Wir als gemeinnütziger Verein mit öffentlicher Förderung sind politisch neutral und machen keine Wahlempfehlung", betont Berchtold. Doch könne man über einzelne Programmpunkte natürlich sprechen.
Im Katzenhaus des Tierheims werden derzeit sieben Perserkatzen aufgepäppelt, darunter Couscous und Asparagus, die aus einer Beschlagnahmung stammen. Auch sie seien Beispiele für Qualzuchten. "Das Gesicht wurde so platt gezüchtet, dass sie so gut wie keines haben." Sie leiden unter Atem-, Augen- und Halsproblemen.
Doch ein Verbot von Qualzuchten fordern nur Volt sowie die ÖDP. Geht es nach den Grünen, sollen Qualzuchten vermieden werden, stattdessen soll laut Partei die Zucht leidensfreier Tiere gefördert und der illegale Tierhandel beendet werden.
Linke spricht sich für eine Positivliste zur Haltung von Haustieren aus
Die Linken wollen zudem eine Positivliste zur Haltung von Haustieren einführen, um exotische Tiere vor der Entnahme aus der Natur zu schützen. "Davon bin ich positiv überrascht", sagt Berchtold und erzählt von einem Nasenbären, der kürzlich noch im Tierheim zu Hause war. Er war zuvor illegal in einem Münchner Innenhof gehalten worden. "Mit einer Positivliste könnte man den Schwarzmarkt und die Haltung von exotischen Tieren extrem einschränken."

Bei der CSU/CDU heißt es dazu: "Umweltverschmutzung, illegaler Tierhandel, illegale Tötung und Qual von Tieren sind Straftaten, die genauso konsequent bestraft werden müssen." Auch das BSW fordert strenge Kontrolle beim Tierhandel, insbesondere im Internet.
Das sei beides "zu schwammig" formuliert, meint Berchtold. Konkrete Gesetzgebungen würden fehlen. "Zu bestrafen wäre der illegale Handel auch jetzt schon. Papiertiger wie diese helfen den Tieren nicht."
Union laut Berchtold eher eine "Tierschutz-Bremse"
Insbesondere die konservativeren Parteien nennt Berchtold "Tierschutz-Bremsen". In deren Programmen bleibe es häufig bei "oberflächlichen Formulierungen bei kaum Konkretem". Als Beispiel nennt sie das Verbot von jeglicher Anbindehaltung von Rindern, für das Tierschützer seit Jahren kämpfen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion möchte diese Haltungsform künftig erlauben, auch die Freien Wähler halten daran fest.
Tierheime und Haustiere erwähnen die Union nicht in ihrem Programm, doch will sie Landwirte bei der artgerechten Tierhaltung unterstützen. Die FDP wiederum setzt den Fokus auf Produktivitätssteigerung und Innovationen. So sollen Landwirte unabhängig von Subventionen werden. Tierheime kommen auch in ihrem Programm nicht vor, ebenso nicht in dem der Sozialdemokraten. Zum Programm der SPD sagt Berchtold: "Da findet sich nicht viel zum Tierschutz. Mut zur Lücke war wohl das Motto."
Vereine sind auf finanzielle Hilfe angewiesen
Die Grünen haben sich indes die finanzielle Entlastung von Tierheimen auf die Fahne geschrieben. "Darauf sind alle Vereine angewiesen", erklärt Berchtold. Tierheime bräuchten bundesweite Förderungen. Sie alle seien voll, entsprechend steige der Kostendruck jährlich. Positiv findet Berchtold zudem, dass die Grünen, ebenso wie die Linke, ein Verbandsklagerecht für Tierschutzorganisationen einführen möchten. Dann könnte etwa im Namen von Hunden, die aus dem illegalen Handel stammen, geklagt werden. Auf Bundesebene solle zudem der Bundestierschutzbeauftragter diese Funktion übernehmen. Das BSW möchte dieses Amt wiederum abschaffen.
"Extrem bitter" nennt Berchtold außerdem, dass durch das "Scheitern der Ampel" auch die Novelle des Tierschutzgesetzes nicht umgesetzt werde. Sie fordert deshalb von der zukünftigen Regierung, das Staatsziel Tierschutz "vollumfänglich umzusetzen" und Tiere zu einem Schwerpunkt zu machen.
Die langhaarigen Kaninchen Leander und Black Pearl ahnen von alledem wohl nichts, sie betrifft es nur indirekt. Sie mümmeln weiter genüsslich an ihren Salatblättern.