"Unter dem Radar": Was plant der Investor mit der Paketposthalle?

Neuhausen-Nymphenburg - Boule, sagt Ulrich Moritz von der Münchner Kugelwurfunion, sei ohne Frage ein zukunftsfähiger Sport. "Die Gesellschaft wird ja auch hier immer älter", sagt er, "Und die, die vorher Tennis gespielt haben oder Fußball, die kommen dann zu uns." – "Aktuell wird Boule tatsächlich hauptsächlich von Älteren gespielt", wirft Michael Dörhöfer, der Präsident der Kugelwurfunion, in das Gespräch ein, "aber wenn wir eine Halle hätten und auch im Winter spielen könnten, dann könnte man auch Schulen miteinbeziehen. Und Boulekurse anbieten, zum Beispiel für den Sportunterricht."
Diese Woche findet im Münchner Backstage ein "Designcamp" statt, bei dem diskutiert werden soll, was in der Zukunft in der Paketposthalle passieren könnte und Moritz und Dörhöfer sind gekommen, um das Boule-Spielen als Vorschlag zu unterbreiten. In den nächsten Tagen werden sie gemeinsam mit Dutzenden anderen "Ideengebern" überlegen, wie die Halle irgendwann genutzt werden könnte.
Münchens umstrittenstes Bauprojekt: Die Paketposthalle
Die Paketposthalle ist Teil eines umstrittenen Bauprojektes: Hier, direkt an der Friedenheimer Brücke, möchte der Investor Ralf Büschl in den nächsten Jahren ein neues Quartier errichten lassen, inklusive zwei 155 Meter hohen Türmen. Entstehen soll das Quartier rund um die alte Paketposthalle herum, eine 148 mal 127 Meter große Halle direkt neben dem Backstage.
Aktuell ist hier noch das Sortierzentrum der Post einquartiert: In der Halle transportiert ein Fließband unablässig gelbe Kisten, daneben stehen Dutzende Postler und sortieren Briefe in Kästen ein. Ralf Büschl lehnt lässig am Geländer einer Empore und sagt: "Ganz früher sind hier noch Dampfloks reingefahren."
Investor Büschl gibt alles für "seine" Paketposthalle
Dass Büschl persönlich gekommen ist zur Eröffnung des Designcamps und zu der anschließenden Führung durch die Halle, zeigt, was für eine hohe Bedeutung diese Veranstaltung für ihn hat. Denn eigentlich ist der Investor eher öffentlichkeitsscheu.
In den vergangenen Jahren hat er viele Bauprojekte in München begonnen, die Zahl der Wohnungen und Büroarbeitsplätze, an deren Planungen er beteiligt ist, liegt im fünfstelligen Bereich.

Als Büschl 2018 die Paketposthalle und das umliegende Areal erwarb, sah er bereits voraus, dass die Zeit, in der er "unter dem Radar" der Öffentlichkeit geflogen war, nun vorbei war. Und so war es auch. Das liegt daran, dass viele Münchner sehr unglücklich sind mit den Plänen: Braucht es, fragen sie, wirklich noch mehr Büroraum in München?
Und dann auch noch in Hochhäusern, den bislang höchsten der ganzen Stadt? Und überhaupt, warum kann ein Investor einfach ein ganzes Quartier planen, warum gab es keinen Architekturwettbewerb, wird hier wieder ein Stück München an Investoren verkauft?
Kritiker wollen das Bauprojekt komplett stoppen
Inzwischen haben die Kritiker sich zusammengetan, die "Initiative Hochhausstopp" möchte die Wolkenkratzer mit einem Bürgerbegehren verhindern, das "Münchner Forum" veröffentlicht seitenlange kritische Berichte von Stadtplanern und Architekten zu den Quartiersplänen.

Für Büschls Baupläne ist das durchaus eine bedrohliche Angelegenheit, denn auch, wenn er das Gelände gekauft hat, hat bei den Bebauungsplänen auch der Stadtrat mitzureden.
Zur Diskussion steht nun beispielsweise die zu bebauende Fläche; Kritiker haben ausgerechnet, dass die Pläne eine so dichte Bebauung vorsehen, dass die vorgeschriebene Menge an Freiflächen unterschritten würde. Investor Büschl rechnet anders, er zählt die Paketposthalle ebenfalls als Freifläche, in dieser Rechnung wären die Vorgaben erfüllt, mehr Wiesen nicht nötig.
Die Münchner Paketposthalle als Ort für alle: Das Erdgeschoss der alten Halle
Das Designcamp im Backstage unter dem Motto "Halle für alle. Alle für die Halle" hat sicherlich auch das Ziel, diese Lesart zu unterstreichen. Hier geht es nicht um das Quartier und nicht um die Hochhäuser, es geht um das Erdgeschoss der Paketposthalle, an dessen Nutzung die Öffentlichkeit beteiligt werden soll.
Denn während im Untergeschoss der Halle ein riesiger Konzertsaal errichtet werden soll, soll das Erdgeschoss der Öffentlichkeit weitgehend frei zur Verfügung stehen.

Finanziert werden soll das Ganze über eine Quersubvention durch die Einnahmen aus dem sonstigen Viertel – und durch Zuschüsse der Stadt. Wie genau die Paketposthalle dann genutzt werden soll, dafür werden jetzt auf dem Designcamp schon einmal Vorschläge gesammelt.
Es ist der unkontroverseste Aspekt an dem neuen Quartiersbau, auch die Kritiker des Quartiers befürworten weitgehend die Pläne für die Halle.
Münchens Ideen für das Gelände sind endlos
Für das Designcamp konnten alle Münchner Ideen einreichen; über die mehr als 1.200 eingereichten Vorschläge wurde dann im Internet abgestimmt. Jene 120 Ideen, die am meisten Stimmen bekommen haben, sollen jetzt vier Tage lang diskutiert werden. Dafür wurden die "Ideengeber" eingeladen, also jene Münchner, die die ausgewählten Vorschläge ursprünglich eingereicht hatten.
Unter ihnen sind auch Ulrich Moritz und Michael Dörhöfer von der Münchner Kugelwurfunion. Bis vor ein paar Jahren, erzählen die beiden, hatten sie in München sogar eine Boule-Halle, im einstigen Flüchtlingslager in der Heidemannstraße.
Aber dann wurde das Gebäude abgerissen, und seitdem fehlt ihnen jede Möglichkeit, in den Wintermonaten in München ihrer Lieblingssportart nachzugehen. Von dem Gedanken, irgendwann in der Paketposthalle Boule spielen zu können, sind sie entsprechend begeistert.
Ein anderer "Ideengeber" stellt sich stattdessen eine Rollschuhbahn vor, "so, wie früher die Münchner Rollbahn", die leider ebenfalls schon vor fast 20 Jahren geschlossen wurde. Der Vorschlag findet lauten Zuspruch von zwei jungen Frauen, die ebenfalls zum Designcamp erschienen sind und sogar bereits ihre Rollschuhe mitgebracht haben; eine Breakdancerin wirft ein, dass man auf Rollschuhbahnen auch wundervoll breakdancen könnte.

Ideen für die Paketposthalle sollen zeitgemäß sein
An Ideen, so viel wird hier schnell klar, mangelt es den Münchnern nicht. Bedauerlich nur, so finden viele, dass die Halle frühestens 2030 fertig sein wird und dass man dann, so hatte das Büschl bei seinem Input angekündigt, auch "nochmal wird überprüfen müssen", ob die jetzt diskutierten Ideen noch zeitgemäß seien, denn wer weiß, vielleicht wollten die Leute in sieben Jahren doch lieber "auf einem fliegenden Board durch die Halle düsen".
Am Freitag um 14 Uhr werden die Teilnehmer im Backstage ihre Ergebnisse präsentieren, auch die Öffentlichkeit ist dazu eingeladen. Dass die Ideenvielfalt der Münchner groß ist, wenn man ihr Raum gibt, lässt sich jetzt schon sagen.