Bürgerentscheid in Garmisch

Garmisch-Partenkirchen - Die Morddrohungen hat Axel Doering nicht vergessen. Natürlich nicht. Doch den Frontmann des Netzwerkes „NOlympia“ scheinen sie nicht sonderlich beeindruckt zu haben. Doering sitzt zuhause in Garmisch-Partenkirchen hinterm Schreibtisch und erzählt ruhig und emotionslos über das Schreiben, das vor einigen Wochen an ihn adressiert war. „Das habe ich nicht ernst genommen, weil der Inhalt völlig wirr war“, sagt der Vorsitzende vom Bund Naturschutz des Kreisverbandes Garmisch-Partenkirchen.
Morddrohungen, Ketchupbeschmierungen an Türklinken und zerkratzte Autos – durch die pittoreske Marktgemeinde im Werdenfelser Land zieht sich ein tiefer Graben. Es ist eine Art Glaubensbekenntnis - man ist entweder für Olympia oder gegen. Dazwischen gibt es nichts.
Aus diesem Grund sehnt Doering, der im Hauptberuf Förster ist, den Sonntag herbei. Denn der Bürgerentscheid ist so etwas wie der „D-Day“ der Olympiagegner in der Marktgemeinde unterhalb der Zugspitze. Der 26.000-Einwohner-Ort kann ein nationales Anliegen gefährden: die Olympischen Winterspiele 2018.
„Wenn wir 51 Prozent der Stimmen holen sollten, dann wäre das für uns ein Sieg“, sagt Doering und fügt nach einer kurzen Kunstpause hinzu: „Und für die Befürworter wäre ein solches Votum zu ihren Gunsten eine Katastrophe.“
Nur juristischer Winkelzug macht Bürgerentscheid möglich
Erst ein juristischer Winkelzug der Gegner samt komplizierter Fragestellung hat überhaupt den Bürgerentscheid in Garmisch-Partenkirchen möglich gemacht, den sich viele Einwohner schon vor zwei Jahren gewünscht hätten. Er wird die bestehenden Verträge zwar nicht rückgängig machen können, aber ein negativer Ausgang des Bürgerentscheids wäre für die Bewerbungsgesellschaft in München ein fatales Signal in Richtung Internationales Olympisches Komitee, das am 6. Juli darüber abstimmt, wer den Zuschlag für Olympia 2018 erhält.
Peter Fischer glaubt allerdings an ein überzeugendes Votum pro Olympia. Der Präsident des Skiclubs Garmisch ist ein beliebter Mann im Ort, ein Macher, der als Chef des Organisationskomitees der Ski-WM im Februar dieses Jahres ein Gewinn von fünf Millionen Euro beschert hat. Der 57-Jährige sieht jetzt allerdings sein Lebenswerk bedroht. Nur deshalb hat er sich von der bayerischen Staatskanzlei überreden lassen, kurzfristig als Retter der Olympiabewerbung einzuspringen.
Er muss retten, was eigentlich nicht mehr zu retten ist. „Es sind viele Fehler gemacht worden“, gibt Fischer freimütig zu. „Man hat in der Vergangenheit vor allem über und nicht mit den Leuten geredet.“ Konkret meint der neue Frontmann des Vereins „OlympiJa“ die Grundstücksbesitzer im Zielhang der Kandahar-Abfahrt. Für die WM haben alle ihre Wiesen freigegeben – für Olympia nicht. Die Folgen sind Streit, Anfeindungen, Halbwahrheiten.
Die Werbeplakate der Befürworter sind doppelt so groß
Peter Fischer hat deshalb den Weg der Deeskalierung gewählt. Er will aus dem Konflikt, der die gesamte Gemeinde erfasst hat, die Emotionen nehmen. „Es ist mir auch schon gelungen, ihn auf eine sachliche Ebene zu heben“, sagt Fischer und suchte auch das Gespräch mit den Gegnern, mit Axel Doering. Dass der Kampf und die Gunst der Bürger und ihrer Stimmen ein ungleicher ist, lässt sich auch an den Wahlplakaten für die Bürgerentscheid ablesen.
Damit nicht der ganze Ort plakatiert wird, haben sich die Parteien darauf verständigt, dass die Poster nur in den offiziellen Gemeindetafeln hängen dürfen. Das Plakat der Befürworter ist doppelt so groß wie das der Gegner. „Deshalb will ich mit Argumenten überzeugen“, sagt Axel Doering, der von der Wucht der Berichterstattung überrascht worden ist und die Koordination nur noch schwer mit seinem Beruf vereinbaren kann.
Bürgermeiser Schmid will Fehler nicht ansprechen
Wie sehr die Frage nach den Olympischen Spielen die Menschen in Garmisch-Partenkirchen umtreibt, lässt sich auch daran erkennen, wie viele Bürger im Vorfeld des Plebiszits Wahlunterlagen angefordert haben. Bis Mittwoch sind im Rathaus 5.100 Anträge zur Briefwahl eingegangen.
Der bisherige Spitzenwert liegt bei 2.329 Anträgen aus dem Jahr 2008, als es um den Erhalt einer Schule in der Krankenhausstraße ging. Bürgermeister Thomas Schmid will sich nicht an Spekulationen über den möglichen Wahlausgang beteiligen. „Der Bürger hat das Wort. Danach werden wir das Ergebnis bewerten – aber nicht schon vorher“, sagt Schmid, der alles tut, um die Spiele in das Werdenfelser Land zu bringen.
Der Politiker gibt zwar zu, dass in der Vergangenheit Fehler gemacht worden seien. Sie konkret ansprechen möchte er aber nicht. Das übernehmen andere, auch wenn sie dabei wie im Fall von Axel Doering sogar Morddrohungen aushalten müssen.